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Rezension Zivilrecht: Unterhaltsrecht

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Büte / Poppen / Menne, Unterhaltsrecht, Kommentar, 3. Auflage, C.H. Beck 2015

Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghasuen



„Unterhaltsrecht“ - so einfach heißt will der nunmehr in dritter Auflage erschienene Kommentar von Büte/Poppen/Menne. Neben diesen drei Herausgebern finden sich noch Boturund Volker als Mitautoren.

Zunächst stellt sich natürlich die Frage, weshalb neben zahlreichen weiteren auf dem Markt erhältlichen BGB- und FamFG-Kommentierungen es noch einen Kommentar wie den vorliegenden geben muss. Die Antwort ist recht einfach. Der Kommentar ist in der kleinen orangen Kommentarreihe des Beck-Verlages erschienen und will so an andere praxisnahe Kleinkommentare anknüpfen. Er ist darüber hinaus handlich, was gerade bei familienrechtlicher Literatur Seltenheitswert hat. Der Kommentar schafft zudem eine Verknüpfung von materiellem Familienrecht, wichtigen Nebengebieten und vor allem dem Familienverfahrensrecht. Der Kommentar ist nämlich nicht nur ein reiner BGB-Kommentar, sondern etwa zu einem Drittel ein Kommentar für alle weiteren im Unterhaltsrecht relevanten Normen. So finden sich Erörterungen zum Unterhaltsvorschussgesetz, zum Einkommensteuergesetz zum SGB II, III, VIII, XII, zum BAföG zum BEEG und vor allem zum einschlägigen Verfahrensrecht, also zur ZPO und natürlich dem FamFG. Freilich werden hier nur die wichtigsten, also für Unterhaltssachen relevanten Vorschriften dargestellt (beim FamFG sind dies etwa §§ 231 ff. FamFG). Bereits diese Aufzählung zeigt, dass bei der Zusammenstellung des Kommentars umsichtig und praxisnah gedacht und gehandelt wurde.

Beim materiellen Unterhaltsrecht - also dem BGB - beginnt die Kommentierung natürlich mit §§ 1360 ff. BGB und setzt sich dann bei § 1569 ff. fort. Zunächst finden sich dabei 15 Seiten Einführung in die Systematik des Unterhaltsrechts – gerade Anfänger in diesem Bereich sollten diese Einleitung ruhig komplett lesen, um einen ersten globalen Überblick zu bekommen. Aber auch altgediente „Profis“ werden sich über diese Zusammenstellung auf den ersten Buchseiten freuen, werden hier doch kurz und knackig allgemein wichtige Fragen wie Unterhaltsüberzahlungen, Wegfall der Bereicherung, Rückforderungen, Schadensersatzansprüche, Verzinsung, Verjährung und Verwirkung dargestellt. Auch das Doppelverwertungsverbot wird näher erläutert (Rn. 35 f.).

So, mit dem notwendigen Rüstzeug versehen, geht es in die eigentlichen Kommentierungen, die allesamt auf aktuellem Stand sind. Die Kommentierung knüpft zumeist an die BGH/OLG-Rechtsprechung an. Fundstellen sind in der Regel nach familienrechtlichen Standards benannt, also in erster Linie nach der FamRZ zitiert und dann auch nach Beck-Zeitschriften. Das besondere im Gegensatz zu herkömmlichen BGB-Kommentaren ist dabei der Praxisbezug der Kommentierungen. Hierzu gehört es zunächst einmal, dass die Texte deutlich gegliedert sind und einzelne kleinere Fettungen in den Fließtexten vorgenommen wurden. Hierdurch ist zunächst eine Suche nach dem passenden „groben“ Gliederungspunkt für das aufzufindende Problem möglich und dort dann ein schnelles Überfliegen des Textes. Die Kommentierung „aus der Praxis für die Praxis“ erweist sich auch in sinnvollen Ausklammerungen, wie sie etwa hinsichtlich des allgemeingültigen Problems der Einkommensermittlung vorgenommen wurde (vor § 1361 BGB). Knapp 50 Seiten werden dem Thema gewidmet, wobei zunächst Grundzüge des Einkommensbegriffs aufgezeigt und dann systematisch alle relevanten Einkommensarten behandelt werden. Neben den „normalen“ Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit inklusive der möglichen Abzugspositionen finden sich etwa auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Kapitalvermögen und natürlich auch aus Immobilien. Gerade hier sind dann die immer wieder problematischen Fragen um den Wohnverteil aufgehoben und erstklassig (=verständlich!) dargestellt. Natürlich finden sich auch bei der Einkommensermittlung die Schulden und anderen Belastungen als Kommentierungsthema. An derartigen Stellen verlässt der eigentliche Kommentar zeitweise sein eigentliches Kernthema, nämlich die Kommentierung einzelner Normen. Die Ausgliederung ermöglicht aber in diesem Zusammenhang ein deutlich komfortableres Suchen und auch ein besseres Verstehen durch den Leser als es bei einer Aufnahme in einzelne Kommentierungen möglich gewesen wäre. Schön in diesem Zusammenhang sind auch Berechnungsbeispiele, wie sie etwa bei der Frage der Einkommensprognose bei wechselnden Einkünften der letzten Jahre anzutreffen sind oder eben auch eine ganze Unterhaltsberechnung bei vorzufindendem Immobilienbesitz (Rn. 136 vor § 1361 BGB).

Eine derart praxisnahe Kommentierung setzt sich auch an von mir willkürlich ausgesuchten anderen Stellen fort – so findet sich etwa in Rn. 42 zu § 1361 BGB eine beispielhafte 3-stufige Berechnung des Altersvorsorgeunterhaltes. Nicht nur Anfänger werden froh hierüber sein.

Ein weiteres Beispiel einer gelungenen Kommentierung ist etwa § 1603 BGB. Für Nichtfamilienrechtler zum Verständnis: Es geht dabei um die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten gegenüber den Kindern. Botur schildert hier gleich zu Beginn ein zentrales unterhaltsrechtliches Kampfgebiet, nämlich die fiktiven Einkünfte. Gerade Berufsanfänger neigen hier schnell zu pauschalen Bewertungen und Übernahme von Floskeln. Die an dieser Stelle sehr ausführliche Kommentierung hilft sicher, einen dogmatischen Grund unter die Füße zu bekommen. Ebenso in diesem Zusammenhang ist die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB dargestellt, insbesondere auch deren Grenzen.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht habe ich mich „testweise“ näher mit § 238 FamFG, also der Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen befasst. Die Kommentierung ist hier etwa 12 Seiten lang und gegenüber anderen FamFG-Kommentaren deutlich klarer strukturiert. Besonders erfreulich ist eine 1 1/2-Seite Aufzählung von Gesichtspunkten, die nicht im Rahmen des § 238 FamFG, sondern vielmehr im Vollstreckungsrecht (§ 767 ZPO) eine Rolle spielen. Damit dürfte also für alle Fälle vermieden werden, dass ein aufmerksamer Leser des Buches den falschen Antrag stellt. Zudem sind die Abänderungsgründe in einer umfassenden Spielstrichliste aufgeführt und mit Fundstellen belegt.

Man sieht also, dass der Kommentar ein absolut empfehlenswertes Buch ist, zumal auch die notwendigen und üblichen Verzeichnisse (Inhalt, Abkürzungen, Literatur, Stichworte) bestens gepflegt sind. Man kann „Unterhaltsrecht“ damit gleichermaßen Anfängern und Fortgeschrittenen im Familienrecht empfehlen und zwar auch (aufgrund des handlichen Formates) als Sitzungsbegleiter.



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