Dreier / Schulze, Urheberrechtsgesetz, Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, Kunsturhebergesetz, 5. Aufl., C.H. Beck 2015
Von Dr. jur. Reto Mantz, Dipl.-Inf., Richter am Landgericht Frankfurt am Main
Der 2003 in erster Auflage erschienene Kommentar von Thomas Dreier und Gernot Schulze gehört schon länger unzweifelhaft zu DEN Standardkommentaren im Urheberrecht (vgl. für die Vorauflage z.B. Hoeren, MMR-Aktuell 2013, 348414). Nun liegt er – zwei Jahre nach der Vorauflage – in seiner 5. Auflage vor.
In der Zwischenzeit waren der deutsche und der europäische Gesetzgeber nicht untätig, so dass bereits aus diesem Grunde eine Neuauflage sinnvoll war. In die Kommentierung aufgenommen wurden das Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Beiträge in § 38 Abs. 4 UrhG, die Umsetzung der Schutzdauerrichtlinie ebenso wie die Regelungen zu verwaisten und vergriffenen Werken in §§ 61-61c UrhG und §§ 13c, 13d UrhWahrnG. Zudem haben das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in §§ 97a, 104a UrhG sowie die Regelungen zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger in §§ 87f-87h UrhG (in der Vorauflage zunächst noch als rechtspolitische Forderung dargestellt (4. Aufl. vor § 70 Rn. 16 ff.) und dann anhand des Bundestagsbeschlusses in Form einer kurzen Nachtragskommentierung aufgenommen) Niederschlag gefunden. Auch die Vielzahl zwischenzeitlich ergangener Leit- und Grundsatzentscheidungen werden im Kommentar berücksichtigt, so z.B. die Entscheidungen „Geburtstagszug“ oder „BearShare“ des BGH.
Änderungen haben sich in gewissem Umfang auch bei der personellen Verteilung der Inhalte ergeben: Die Kommentierung der Normen des KUG, die in der Neuauflage die weiteren Nachwirkungen u.a. der EGMR-Entscheidungen „Caroline“ nachzeichnet, hat Louisa Specht nun allein übernommen (in der Vorauflage noch mit Thomas Dreier). Sie ist zudem jetzt an der Bearbeitung von §§ 95a-97a UrhG beteiligt.
Wie schon in den Vorauflagen überzeugt die stets gut strukturierte und übersichtliche Darstellung der einzelnen Regelungen. Auf Rechtsprechung und insbesondere Kommentarliteratur wird regelmäßig hingewiesen.
Bei der Darstellung des Leistungsschutzrechts für Presseverleger in §§ 87f-h UrhG wird insbesondere die auch in der Literatur erhobene deutliche Kritik aufgrund grundsätzlicher Bedenken aufgearbeitet (§ 87f Rn. 4 f.), ebenso wie die Kritik an der Gesetzestechnik (z.B. § 87g Rn. 6 zur Schranke des § 87g Abs. 4 UrhG). Außerdem wird auf die derzeitige Situation eingegangen, dass einige Verleger Google nun „Gratis-Lizenzen“ erteilt haben und insoweit das Gesetz ins Leere läuft.
Umfangreich werden auch die Neuerungen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken aufgearbeitet. In der Kommentierung des § 97a UrhG weisen Dreier/Specht zu Recht darauf hin, dass es bei der Erteilung einer Abmahnung bei Berufung auf Rechtsprechung im Einzelfall erforderlich sein kann, in der Abmahnung deutlich zu machen, wenn die in dem Schreiben dargestellte Rechtsauffassung nicht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung steht (unter Verweis auf AG Düsseldorf, Urt. v. 8.10.2013 - 57 C 6993/13, ZUM-RD 2014, 393 = K&R 2014, 65). In der Praxis sind Abmahnungen nämlich häufig mit einer Vielzahl von (ggf. einseitig ausgewählten) Entscheidungen gespickt. Das Fehlen eines Hinweises auf abweichende obergerichtliche Rechtsprechung kann dann zur Unwirksamkeit der Abmahnung führen.
Bei der Frage nach der Deckelung des Abmahnkostenerstattungsanspruchs auf einen Gegenstandswert von € 1.000,- bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 97a Abs. 3 UrhG vertreten Dreier/Specht die Auffassung, dass eine Ausnahme von der Begrenzung nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG nur in „absoluten Ausnahmenfällen“ greifen soll. Sie erteilen damit zu Recht und in Übereinstimmung mit Wortlaut und Intention des Gesetzes Versuchen in der Praxis eine Absage, § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG ähnlich eng auszulegen wie die verfehlte Vorgängerregelung in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. Auch bei der Bewertung der Frage, ob ein geschütztes Werk für die gewerbliche oder selbständige Tätigkeit genutzt wird, was Bedeutung sowohl für § 97a Abs. 3 UrhG als auch für die Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes nach § 104a Abs. 1 UrhG hat, tendieren Dreier/Specht (§ 97 Rn. 15 f.) und Schulze (§ 104a Rn. 8) in Übereinstimmung mit dem Zweck des Gesetzes zu einer engen Auslegung (a.A. kürzlich LG Köln, Urt. v. 6.5.2015 – 14 O 123/14).
Zur Störerhaftung beim Betrieb von WLANs enthält der Dreier/Schulze eine kurze Übersicht der hierzu ergangenen Rechtsprechung inklusive des Hinweises auf die Ende 2014 ergangene Vorlageentscheidung des LG München I zum EuGH zu der Frage, ob sich der Betreiber eines WLANs auf § 8 TMG berufen kann (LG München I GRURInt. 2014, 1166; s. dazu auch AG Charlottenburg, Beschl. v. 17.12.2014 – 217 C 121/14). Durch die derzeit geplante Novellierung des § 8 TMG wird sich hier möglicherweise Anlass für eine 6. Auflage ergeben.
Der Dreier/Schulze bewährt sich auch in der aktuellen Auflage sowohl als Praxiskommentar als auch für die tiefere wissenschaftliche Recherche. Das jeweils der Kommentierung einer Norm vorangestellte, häufig umfangreiche Literaturverzeichnis enthält Nachweise für weitergehende bzw. vertiefende Recherchen. Auch diese Verzeichnisse wurden aktualisiert und ergänzt. Das 100 Seiten starke Sachverzeichnis erleichtert insbesondere durch die vielen Unterpunkte den schnellen Zugriff auf die jeweils gesuchte Information.
Insgesamt gilt daher auch für die 5. Auflage des Dreier/Schulze eine dringende Kaufempfehlung.