Schweizer, Spieltheorie und Schuldrecht, 1. Auflage, Mohr Siebeck 2015
Von stud. iur. Andreas Seidel, Göttingen
Prof. Dr. Urs Schweizer dürfte den meisten Juristen ein unbekannter Name sein. Daher verwundert es vielleicht, dass er, ein studierter Mathematiker und Professor für wirtschaftliche Staatswissenschaften insbesondere Wirtschaftspolitik, über ein Kernthema der Rechtswissenschaften – das Schuldrecht – ein Buch verfasst hat. Erschienen ist „Spieltheorie und Schuldrecht“ in der Reihe „Neue Ökonomische Grundrisse“ des Mohr Siebeck Verlages und gibt dadurch schon den ersten Hinweis auf die Ausrichtung des Inhalts. So ist es wohl kein Zufall, dass die Spieltheorie zuerst im Titel erwähnt wurde, oder dass dieses Lehrbuch nicht in einer Reihe für juristische Literatur erschienen ist. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt hier auf der Ökonomie, indem versucht wurde, mit den Hilfsmitteln der Spieltheorie Phänomene des Schuldrechts zu erklären und zu hinterfragen.
Daher ist es unerlässlich an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass Interessierte, deren Wahlspruch „iudex non calculat“ lautet und die Integralrechnung als notwendiges Übel in der schulischen Ausbildung gesehen und schon längst wieder verdrängt haben, dieses Buch wohl als sprichwörtliches Buch mit sieben Siegeln begreifen werden. Auf fast keiner Seite kommt der Autor ohne Formeln und Rechnungen aus und verlangt somit vom Leser vertiefte Kenntnisse in der ökonomischen Analyse. Wie Schweizerselbst in seiner Einleitung schreibt, kann nicht erwartet werden, dass zuerst eine Einführung in die Spieltheorie und das Schuldrecht gegeben wird. Es muss vielmehr – angesichts der Komplexität dieser beiden Themen davon ausgegangen werden, dass der Leser ein Mindestmaß an Vorwissen in beiden Bereichen mitbringt. Somit wird die Bedeutung der Spieltheorie als eine formal ausgerichtete Disziplin, die sich mit der strategischen Interaktion von rationalen Entscheidungsträgern auseinandersetzt, als bekannt vorausgesetzt. Meines Erachtens wird jedoch kaum Vorwissen hinsichtlich der juristischen Dimension erwartet. Gleich zu Beginn wird somit jedem juristisch vorgebildeten Leser auffallen, dass der Autor das Rechtsgebiet des Schuldrechts auf vertragliche Ansprüche und solche aus Delikt, insb. §§ 823 ff. BGB verengt und ausgewählte Phänomene wie die Differenzhypothese, die Kausalität oder den Vermögensschaden mit Mitteln ökonomischer Analyse erforscht.
Obwohl die Rechtswissenschaften oft an Ränder anderer Disziplinen stoßen und es somit ein Bedürfnis für interdisziplinäre Betrachtungen gibt, sind nicht viele Juristen in der Lage, auch ökonomische Fragestellungen sicher zu beherrschen. So gibt es zwar einige Rechtswissenschaftler wie Prof. Dr. Gerhard Wagner, der unter anderem eine bemerkenswerte ökonomische Analyse der §§ 823 ff. BGB im Münchener Kommentar BGB verfasst hat, und schon mit Prof. Dr. Urs Schweizerzu diesem Thema zusammengearbeitet und somit auch zum Gelingen dieses Werkes beigetragen hat, jedoch dürften solche Personen doch eher die Ausnahme bilden.
Aus diesem Grund dürfte wohl der Kreis der potentiellen Leser dieses Buches unter den Juristen beschränkt sein; nichts desto trotz gibt es spannende Fragestellungen, die der ökonomischen Betrachtung bedürfen. So hängt die Durchführung und Qualität der Verkehrssicherungspflichten ebenso von den drohenden Ersatzansprüchen ab wie die eigene Vor- und Rücksicht des potentiellen Anspruchsstellers von der Existenz und Tragweite eines Mitverschuldens wie es im Rahmen des§ 254 BGB existiert. Schlussendlich bleibt eher noch als der Rat, dieses interessante Buch durchzuarbeiten und somit das Vertrags- und Deliktsrecht auf spieltheoretischer Weise zu begreifen, die Frage, ob nicht auch bei Juristen ein größeres ökonomisches Verständnis erwartet werden sollte.