Sadler, VwVG / VwZG, 9. Auflage, C.F. Müller 2014
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Der Kommentar von Sadler zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz und zum Verwaltungszustellungsgesetz aus der Reihe der Heidelberger Kommentare ist in diesem Jahr bereits in neunter Auflage erschienen und ist damit eines der wenigen Werke, die man in diesem Bereich des Verwaltungsrechts überhaupt zu Rate ziehen kann. Die Ausführungen inklusive Verzeichnissen und Mustersammlung erstrecken sich über fast 800 Seiten und bieten dem Leser damit ein detailreiches Kompendium zur Thematik. Die Gestaltung des Werks ist typisch für die Kommentarreihe und bietet gut lesbaren Fließtext mit Hervorhebungen und in den Text eingearbeiteten Nachweisen.
Die Kommentierungen orientieren sich maßgeblich an der einschlägigen Rechtsprechung und warten mit vielen erläuternden Beispielen auf. Dadurch werden die konkrete Rechtsanwendung und das Verständnis für die Materie erleichtert. Neben erläuterndem Fließtext bietet der Autor immer wieder Beispiele an, um dem Leser die ganze Bandbreite der Thematik offen zu legen. Exemplarisch zu nennen sind hier die sofortige Vollziehung der Vollstreckungsanordnung (§ 3 VwZG, Rn. 52 ff.), die Ausführungen zu den Voraussetzungen der „drohenden Gefahr“ als Vollstreckungsvoraussetzung (§ 6 VwVG, Rn. 303 ff.) oder die Zustellung an Asylbewerber (§ 2 VwZG, Rn. 43 ff.). Generell gefallen mir die Erläuterungen zur Zustellung mittels Postzustellungsurkunde in ihrem Detailreichtum und den Bezügen zur ZPO ganz hervorragend (§ 3 VwZG). Zudem werden historische Zusammenhänge erläutert, wenn es der Kontext gebietet (z.B. zur Amtshilfe, § 5 VwVG, Rn. 25).
Wenn man die Anhänge und Verzeichnisse subtrahiert, wird das VwVG in doppeltem Umfang verglichen mit dem VwZG kommentiert. Aus Sicht der Praxis auch aus Sicht der Ausbildung ist dies konsequent, wenn man die Problemdichte der denkbaren Sachverhalte vergleicht. Insbesondere der stete Abgleich des Bundesrechts mit den Landesnormen ist für Studenten und Referendare eine willkommene Hilfestellung.
Für mich ist dieser Kommentar in der täglichen Praxis deshalb relevant, weil im Bußgeldrecht direkt auf das VwZG verwiesen wird, wenn es um die Zustellung des Bußgeldbescheides geht. Insbesondere die Definition der Zustellung in § 2 VwZG und die Möglichkeit der Heilung in § 8 VwZG können über den Eintritt der Verjährung der vorgeworfenen Tat entscheiden. Wenn man sich nun die Kommentierung zum VwZG insgesamt betrachtet, wird dieser Themenkomplex jedoch leider nicht in der gebotenen Detailliertheit innerhalb der Kommentierungen erfasst. Ich persönlich hätte mir das Untergebiet „Ordnungswidrigkeitenrecht“ als separaten Punkt mit der Zusammenstellung der überschaubaren einschlägigen Problemkonstellationen gewünscht, wie der Autor dies in der Einleitung zum VwZG bereits begonnen hat (S. 457, Einl. Rn. 9). Würde es dies für die 10. Auflage ausbauen, wäre das ein wunderbares Geschenk an den Rechtsanwender im Owi-Bereich.
So aber muss man sich die Informationen anhand der Gesamtlektüre zusammensuchen, z.B. ob eine Kopie oder Abschrift eine wirksame Zustellung darstellen kann (§ 2 VwZG, Rn. 17), die Existenz und Geltung der Sonderregel des § 51 Abs. 1 S. 2 OWiG (§ 2 VwZG, Rn. 22), die Frage der Ersatzzustellung an den Geschäftsführer einer GmbH (Rspr. des OLG Bamberg, § 3 VwZG, Rn. 100), die Sonderregel der schriftlichen Zustellungsvollmacht (§ 7 VwZG, Rn. 21) und noch einige andere Punkte.
Dabei bemerkt man, dass im Bußgeldrecht relevante Folgefragen, aber auch aktuelle Entscheidungen gar nicht aufgenommen wurden. So fehlt z.B. in § 3 VwZG die Frage, was passiert, wenn eine Ersatzzustellung auf der PZU vermerkt wurde, der Zusteller aber den Bescheid nur am Empfang abgegeben hat, ohne tatsächlich nach der Anwesenheit des Anwalts zu fragen (z.B. AG Pirmasens, SVR 2009, 72). Es fehlt die (umstrittene / abzulehnende) Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (zfs 2009, 469) zur Zustellung der Abschrift des Bußgeldbescheides an den Betroffenen und die Möglichkeit der Heilung (§§ 2, 8 VwZG), obwohl die fehlende Zustellbarkeit der Kopie sehr wohl aufgeführt wird (§ 8 VwZG, Rn. 23). Es fehlt auch die Rechtsprechung des OLG Stuttgart zur Heilung bei Erhalt der im EDV-Verfahren hergestellten Abschrift (OLG Stuttgart, jurisPR-VerkR 23/2013 Anm. 5 / VRS 125, 174). Bei der Frage der Heilung des Zustellungsfehlers wird im Rahmen der Prüfung des Zeitpunkts, wann die empfangsberechtigte Person das Dokument erhalten hat, leider nicht die Problematik der Verjährungsfalle aufgegriffen, wenn also bewusst ein anderer Rechtsanwalt den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid unterschreibt, wenn z.B. fehlerhaft an die Sozietät und nicht an den Verteidiger zugestellt wurde (§ 8 VwZG, Rn. 7; Rn. 14 betrifft eine andere Konstellation). Auch die Ausführungen zur Pflicht des Anwalts, eine schriftliche Vollmacht vorzulegen (§ 7 VwZG, Rn. 10), sind wenigstens angreifbar: gerade im Bußgeldrecht gibt es laut Gesetz nur eine einzige Situation, nämlich i.R.d. § 73 OWiG, in der der Verteidiger eine Vollmacht vorlegen muss. Ansonsten kann er gerade nicht dazu gezwungen werden, gerade weil ansonsten ja die Zustellungsfiktion des § 51 Abs. 3 OWiG ausgelöst werden könnte, was aus Verjährungsgesichtspunkten ja ggf. vermieden werden soll.
Insofern ist mein Fazit zu diesem Kommentar gespalten: Generell sind die Kommentierungen sehr ausführlich, gut durchdacht, angenehm zu lesen, reichhaltig mit Beispielen versehen und in Praxis und Ausbildung, jedenfalls im Verwaltungsrecht, sehr gut anzuwenden. Für den speziellen Bereich des Bußgeldrechts wäre für die Folgeauflage eine Fokussierung auf die Themen Zustellung und Heilung sehr wünschenswert, am besten in einem eigenen Abschnitt oder Anhang, sodass an der Grundkommentierung nichts geändert werden müsste. In der derzeitigen Form fehlen mir aber zur belastbaren Anwendbarkeit des Werks im bußgeldrechtlichen Dezernat zu viele Aspekte und Unterpunkte, sodass allenfalls eine Heranziehung für wenige Einzelfragen als Möglichkeit bleibt.