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Rezension Öffentliches Recht: Verwaltungsrecht für die Fallbearbeitung

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Brühl, Verwaltungsrecht für die Fallbearbeitung, 8. Auflage, Kohlhammer 2014

Von Prof. Dr. Thorsten Hesselbarth, Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl


In diesem Jahr ist im Kohlhammer Verlag ein Buch erschienen, welches sowohl aus studentischer Sicht als auch für die Praxis das Thema behandelt, auf das es im Ergebnis ankommt – die Kenntnisse und Fertigkeiten der Fallbearbeitung. Das Buch umfasst 322 Seiten (Format DIN A5). Verfasser des Werks ist Dr. iur. Raimund Brühl, Professor an der sich im gleichnamigen Ort befindlichen Hochschule für öffentliche Verwaltung des Bundes im Fachbereich Allgemeine Innere Verwaltung.

Inhalt: Das Lehrbuch von Raimund Brühl ist in drei große Teile gegliedert – Allgemeines Verwaltungsrecht, Polizei- und Ordnungsrecht sowie Verwaltungsrechtsschutz.

Der erste Teil stellt mit 167 Seiten eindeutig den Schwerpunkt dar. Im ersten Abschnitt dieses Teils werden die allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundlagen dargestellt. Hier werden die Elemente des Verwaltungsrechts abgearbeitet, die für das weitere Verständnis des Verwaltungsrechts unerlässlich sind und damit auch im Rahmen der Fallbearbeitung immer wieder relevant werden. Dies betrifft zunächst noch recht abstrakte Punkte wie die Aufgaben und Arten der öffentlichen Verwaltung, den Verwaltungsaufbau (der sich hier auf die Bundesebene und beispielhaft die Länder Nordrhein-Westfalen und Brandenburg bezieht und damit nicht für jeden Leser in vollem Umfang prüfungs- oder praxisrelevant ist) oder die Rechtsquellen des Verwaltungsrechts sowie dessen Rangordnung, aber auch einzelne Punkte des klassischen Prüfungsschemas zum Erlass eines rechtmäßigen Verwaltungsakts wie die Verhältnismäßigkeit oder die Zuständigkeit. Die beiden ersten Kapitel des zweiten Abschnitts können ebenfalls noch zu den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundlagen gezählt werden – es geht um die Bedeutung, den Begriff und die Arten von Verwaltungsakten sowie deren Nebenbestimmungen.

Auf Seite 76 kommt der Verfasser dann zum Kernpunkt einer systematischen Fallbearbeitung, den Prüfungsschemata zum Erlass von rechtmäßigen Verwaltungsakten. Auch wenn Schemata wie allgemein bekannt nicht schematisch angewendet dürfen, sind sie doch eine unerlässliche Richtschnur im Rahmen der Fallbearbeitung. So ist es auch nur folgerichtig, dass der Verfasser auf 27 Seiten nach der Klärung von Grundsatzfragen die verschiedenen Abwandlungen der Prüfungsschemata bezogen auf die verschiedenen praxisrelevanten Fallkonstellationen darstellt -  den Erlass von belastenden und begünstigenden Verwaltungsakten sowie die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von belastenden und begünstigenden Verwaltungsakten.

Schließlich wird der erste Teil mit Ausführungen zu fehlerhaften Verwaltungsakten, zur Bestandskraft von Verwaltungsakten und deren Durchbrechung durch Rücknahme und Widerruf und im letzten Abschnitt zu der neben Verwaltungsakten weiteren wichtigen Handlungsform der Verwaltung, dem Abschluss von öffentlich rechtlichen Verträgen, abgeschlossen.

Im zweiten Teil wendet sich der Verfasser einem Kerngebiet des besonderen Verwaltungsrechts zu, dem Polizei- und Ordnungsrecht. Es wird zunächst auf die Grundlagen und anschließend auf den Erlass von Verwaltungsakten mit den verschiedenen Problemkreisen des Polizei- und Ordnungsrechts eingegangen, von der Zuständigkeit über die verschiedenen Ausprägungen der Ermächtigungsgrundlagen, den möglichen Adressaten bis zur Ermessensausübung – auch hier mit besonderem Bezug zu den Regelungen der Länder Brandenburg und Nordrhein-Westfalen.

Im dritten Teil wird der Blick auf die Verwaltungskontrolle gerichtet. Nach einer Einführung und einem kurzen Eingehen auf die formlosen Rechtsbehelfe wird der Schwerpunkt entsprechend der Wichtigkeit für die Praxis mit über 40 Seiten auf das Widerspruchsverfahren und etwas versteckt am Ende des Kapitels auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung gesetzt. Abgeschlossen wird der dritte Teil mit Ausführungen zum veraltungsgerichtlichen Rechtsschutz, einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes.

Fazit: Das Buch von Herrn Brühl besticht zunächst neben seiner klaren und sehr gut verständlichen Ausdrucksweise durch seinen streng logischen und systematischen Aufbau, indem konsequent zunächst die allgemeinen Strukturen dargestellt und anschließend die konkreten praxisrelevanten Fallkonstellationen durchgegangen werden. Gerade mit den einführenden 75 Seiten gelingt es dem Verfasser in einfacher und anschaulicher Weise das Grundverständnis für das Verwaltungsrecht insgesamt zu schärfen, ohne dabei auf eine gewisse fachliche Tiefe zu verzichten. Die speziellen Fallkonstellationen können anschließend themenbezogen durch zahlreiche Fälle mit Lösungen geübt werden. Auch dies verdeutlicht den strengen Praxisbezug des Verfassers, abgerundet durch ganz konkrete Hilfestellungen wie beispielsweise zur Tenorierung von Widerspruchsbescheiden – und insbesondere den mit deutlichen Erläuterungen versehenen Prüfungsschemata.

Mit Hilfe der verschiedenen Anwendungsproblemkreise – von der Unterscheidung zwischen der privatrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Natur des Verwaltungshandelns über die Rechtmäßigkeitsprüfung von Verwaltungsakten bis zur Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit von verwaltungsgerichtlichen Klagen bzw. Anträgen auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – werden klare Schwerpunkte gesetzt. Hier hätte evtl. noch etwas prüfungs- und praxisorientierter vorgegangen werden können. So spielt beispielsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO in der Praxis eine große Rolle und bereitet häufig Schwierigkeiten – und wird im vorliegenden Buch zwar auch als Anwendungsproblemkreis behandelt, allerdings mit vier Seiten doch sehr knapp, insbesondere fehlen hier konkrete Anwendungsbeispiele. Ebenso wäre ein Prüfungsschema für Nebenbestimmungen (angelehnt an das allgemeine Schema zum Erlass von Verwaltungsakten) und dessen Einbau in die Prüfung zum Erlass eines Verwaltungsaktes hilfreich gewesen, da auch hier sowohl im Studium als auch in der Praxis Unsicherheiten bestehen.

Schließlich ist das Buch inhaltlich gelungen, nur an vereinzelten Stellen finden sich kleinere Ungenauigkeiten, über die man zumindest diskutieren kann. So ist zum Beispiel elementar für die Definition der Erforderlichkeit (Rn. 94), dass nicht nur aus mehreren geeigneten Mitteln das mildeste zu wählen ist, sondern aus mehreren gleich geeigneten Mitteln. Beim Prüfungsschema fehlt beim Prüfungspunkt „Verfahren“ ein Hinweis darauf, dass sich im materiellen Recht – teilweise sogar bindende – Mitwirkungsvorschriften anderer öffentlicher Stellen finden können und dass eine fehlende oder unrichtige Bekanntgabe nicht zur Rechtswidrigkeit, sondern zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts führt (§ 43 Abs. 1 LVwVfG). Auch die Aussage, dass bei gebundenen Verwaltungsakten stets die Verhältnismäßigkeit im Einzelfall zu prüfen ist (Rn. 211), hätte doch zumindest noch weiterer Ausführungen bedurft (Gesetzgeber hat den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, von der Verwaltung bei gebundener gesetzlicher Vorgabe daher nur in ganz engen Ausnahmefällen zu prüfen). Ebenso ist die (nur in ganz engen Ausnahmefällen bei untergesetzlichen Rechtsquellen bestehende) Normverwerfungskompetenz der Verwaltung mit einem Satz und einem Hinweis auf eine weitere Quelle doch sehr knapp abgehandelt worden (Rn. 223).

Insgesamt stellt dieses Lehrbuch zur Fallbearbeitung einen guten Leitfaden dar, um sich im Dschungel der verwaltungsrechtlichen Vorschriften zurechtzufinden und diese auf ganz konkrete Fälle anzuwenden. Dies gilt dabei nicht nur für den studentischen Leser, sondern aufgrund vieler praktischer Hinweise gerade auch für diejenigen, die nebenbei oder nach langer Zeit mal wieder mit der praktischen Anwendung des Verwaltungsrechts befasst sind.

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