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Rezension Strafrecht: Urteile in Strafsachen

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Meyer-Goßner / Appl, Die Urteile in Strafsachen, 29. Auflage, Vahlen 2014

Von Arian Nazari-Khanachayi, Frankfurt am Main


Das bereits im Jahre 1895 begründete Werk für die Ausbildung im Strafverfahrensrecht wurde nunmehr von Dr. Ekkehard Appl, Richter am Bundesgerichtshof und langjähriger Prüfer im zweiten juristischen Staatsexamen, für die Neuauflage komplett überarbeitet und an die aktuellen Entwicklungen dieses Rechtsgebiets angepasst.

Auf 369 Seiten stellt Appl sowohl das Urteil und den Beschluss als auch die Hauptverhandlung in Strafsachen auf eine besonders klare Weise dar. Dabei werden sowohl sachgebiets- als auch rechtszugsspezifische Besonderheiten und das Jugendstrafrecht berücksichtigt. Der klare Aufbau profitiert zusätzlich von den unzähligen Beispielen und Hinweisen, die mittels eines grauen Seitenstrichs und der Schriftgröße besonders hervorgehoben sind. Dabei muss betont werden, dass die Hinweiseinschübe bisweilen auch dazu verwendet werden, anerkannte Konstellationen im Hinblick auf Einzelfragen darzustellen (vgl. etwa S. 13 Rn. 34 für zulässige Berichtigungen der Urteilsformel). Zudem arbeitet Appl mit zahlreichen Nachweisen sowohl aus der Literatur als auch aus der Rechtsprechung. Dies ist besonders zu loben, weil der Leser hierdurch in die Lage versetzt wird, aktuelle Rechtsprechungsaussagen in den korrekten Kontext einordnen zu können. Der Verfasser liefert diese Nachweise sowohl im Fließtext als auch in einem Fußnotenapparat, wobei sich im Laufe der Lektüre das Gefühl einstellt, die Fußnoten sind in erster Linie auf weiterführende, inhaltliche Ausführungen ausgelegt. Daher kann nur empfohlen werden, die Fußnoten mitzulesen. Schließlich ist das Werk aufgrund der besonderen Nähe zum Gesetz zu loben, weil der Leser hierdurch die prozessbezogenen Gesetzestexte verinnerlichen kann.

Inhaltlich besticht das Werk vornehmlich aufgrund der besonderen Betonung der Wichtigkeit sprachlicher Präzision: Zuvorderst ist die besondere Berücksichtigung häufiger Fehlerquellen und Korrekturhinweise zu erwähnen. Gerade in diesem Bereich zeigt sich die langjährige Erfahrung des Revisionsrichters, der zugleich Prüfer im zweiten juristischen Staatsexamen ist. So wird etwa bei der Tenorierung eines Berufungsurteils ein fehlerhaftes Beispiel aus der Praxis (siehe S. 56 mit Fn. 24) geliefert, um anschließend die korrekte Formulierung darzustellen (S. 56 Rn. 173): Hierbei wird insbesondere darauf hingewiesen, dass sofern eine Berufung des Angeklagten und auch die der Staatsanwaltschaft jeweils Teilerfolg haben, nicht schlicht formuliert werden dürfe, beide Berufungen seien kostenfällig zu verwerfen, sondern die jeweiligen Teilerfolge in der Tenorierung festgehalten werden müssen. Ergänzt werden die vorstehenden Hinweise durch einige Korrekturhinweise bezüglich der Verwendung juristischer Fachtermini einerseits und der Notwendigkeit einfacher Formulierungen andererseits: Beispielsweise wird darauf hingewiesen, dass der technische Begriff des Zeugen nicht inflationär, also als eine „Berufsbezeichnung“ anmutende Formulierung verwendet werden dürfe (S. 72 Rn. 220); ferner sollten Fremdwörter, die ohne weiteres in die deutsche Sprache übersetzt werden können (e.g. „ne bis in idem“ = „Grundsatz der Einmaligkeit der Bestrafung“), vermieden werden, weil für ihre Verwendung keine Notwendigkeit besteht (näher hierzu S. 73 Rn. 223). Schließlich ist für den Bereich der sprachlichen Korrekturanmerkungen zu erwähnen, dass das Werk nicht nur aufgrund der eigenen sprachlichen Präzision besticht, sondern durch die Intention, die sprachliche Präzision zu schulen.

Endlich münden die unzähligen Gegenüberstellungen von fehlerhaften und mustergültigen Formulierungsbeispielen in ein abschließendes Urteil: Auf 15 Seiten wird ein Musterurteil vorgestellt, wobei jeder mustergültigen eine fehlerhafte oder unpräzise Formulierung gegenüber gestellt wird, um hierdurch das Gespür des Lesers für Details zu schärfen. Des Weiteren liefert Appl eine Reihe an Anmerkungen in den Fußnoten, die etwa den Grund für die Fehlerhaftigkeit oder Ungenauigkeit einer Formulierung auf den Punkt bringen, um alle Zweifel auszuräumen (vgl. hierzu auch S. 353).

Insgesamt ist die nunmehr 29. Auflage des traditionsreichen Lehrbuchs von Meyer-Goßner/Appl als durchweg positiv zu bewerten. Klarer Aufbau, präzise Sprache und inhaltliche Tiefe im gebotenen Umfang zeichnen das Werk besonders aus. Zudem ermöglichen die unzähligen Hinweise und Beispiele dem ungeübten Leser, einen schnellen Einstieg in die Materie zu finden. Die Exzellenz des Werkes zeigt sich schließlich insbesondere in der steten Gegenüberstellung mustergültiger und fehlerhafter Formulierungen. In diesem Bereich profitieren aufmerksame Leser von der langjährigen Erfahrung eines Revisionsrichters, der zugleich Prüfer im zweiten Examen ist, kommen die Leser doch in den Genuss, die Sichtweise eines ausgewiesenen Experten kennenzulernen: Der Leser erhält gleichsam einen Blick „hinter die Kulissen“. Demzufolge ist das Werk jedem Rechtsreferendar und jedem praktizierenden Anfänger auf dem Gebiet des Strafrechts ohne Einschränkung zu empfehlen.

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