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Rezension Zivilrecht: Bankrecht

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Tonner / Krüger, Bankrecht, 1. Auflage, Nomos 2014

Von David Eckner, London


In erster Auflage erschien jüngst im Nomos Verlag das Lehrbuch „Bankrecht“ aus der Feder von zwei Praktikern: Dr. Martin Tonner, Richter am Landgericht Hamburg und Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School in Hamburg, sowie Dr. Thomas Krüger, Richter am Amtsgericht Zeven und Mitglied des Landesjustizprüfungsamts im Niedersächsischen Justizministerium. Das Lehrbuch fügt sich in die stetig wachsende „Blaue Reihe“, komprimierte und problemorientierte Studienliteratur für Anfänger und Fortgeschrittene, die einen schnellen Überblick und Einstieg in die unterschiedlichen Rechtsbereiche suchen.

Das Bankrecht schaut als Rechtsdisziplin auf eine langjährige Geschichte und Tradition zurück. Es ist jedoch zugleich wie kaum ein anderes Rechtsgebiet durch eine legislative und regulatorische Dynamik gekennzeichnet, eine Disziplin, die gerade nach den letzten Turbulenzen auf den Finanzmärkten niemals schläft und sich gegenwärtig vollständig verändert. Umso schwieriger ist es, ein Lehrbuch zu konzipieren, dass dieser Dynamik und Rastlosigkeit standhält, sich nicht allzu sehr in (tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen) ‚Prinzipien‘ verheddert sowie die Komplexität aus Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft auflöst. Übungen dieser Art, insbesondere den Studierenden durch ein Lehrbuch diesen sehr spannenden Komplex zu erschließen und näher zu bringen, sind Legion, wenige Werke nur aber dürfen den Begriff ‚Prädikat‘ für sich beanspruchen, da sie es verstehen, dem Rechtsgebiet ‚Bankrecht‘ Konturen zu verleihen. Letzteres ist keine einfache Übung, da der Bereich einerseits sehr heterogen ist und als ‚umbrella term‘ noch immer einer näheren, wissenschaftlicheren Strukturierung bedarf. Dies ist die Krux. So ist etwa das sogenannte Investment Banking sowie das Recht der kollektiven Vermögensanlage eine Praktikeralchemie, der die Wissenschaft leidvoll Schritt zu halten versucht. Die Rechtsbeziehungen im Anlagedreieck zwischen Kapitalverwaltungsgesellschaft, Verwahrstelle und Anleger als Wesensmerkmal des KAGB hat etwa einen vollständigen anderen materiellen Konnex und inhaltlichen Umfang als das Recht des Zahlungsverkehrs. Gleichwohl sind beide Bereiche durchaus Bestandteil von Prüfungen innerhalb der unterschiedlichen Schwerpunktbereiche, die bundesweit angeboten werden. Das sinnvolle Verknüpfen dieser Ausschnitte des – wie auch immer zu definierenden – ‚Bankrechts‘ gelingt umfangreichen Handbüchern und Kommentierungen. Lehrbücher in moderatem Umfang mühen sich hingegen regelmäßig an der Materie ab, prophezeien den Rundumblick und liefern hingegen nur eine unsystematische Sammlung von charakteristischen Bereichen des ‚Bankrechts‘, ohne dabei aber die so wichtigen Fäden zusammen zu führen. Es wird begrenzt und beschränkt, was die eigenen Ideen und Vorstellungen so hergeben, auf Prüfungs- und Examensrelevanz verwiesen. Die Selektion der Knochen aus diesem riesigen Skelett wirkt manchmal willkürlich, ja geradezu nicht immer nachvollziehbar.

Auf den ersten Blick klug scheint daher die Wahl der Autoren des dieser Rezension zugrundeliegenden Lehrbuchs: man beschränkt sich aus Gründen der „Ausbildungs- und Prüfungsrelevanz“ auf das „zivile Bankrecht“ und behandelt das „öffentliche Bankrecht mit dem gerade in den Zeiten der Finanzmarktkrise praktisch bedeutenden Bankaufsichtsrecht … nur am Rande“ (vgl. im Vorwort, S. 6). Sinnvoll wäre freilich die tatsächliche Konsequenz einer Beschränkung. Man kann und darf ein Lehrbuch zum ‚zivilen Bankrecht‘ schreiben, ohne die Inbezugnahme des nur ‚am Rande‘ behandelten ‚öffentlichen Bankrechts‘ – eine Wahl, die auf den zweiten Blick, unvollständiges Halbes zu versprechen scheint.

Eine schnelle Weisung in das Inhaltsverzeichnis mit seinen achtundzwanzig Paragraphen offenbart im einzelnen sieben Teile respektive Schwerpunkte. Eine Einführung (Teil 1) bringt neben einer sehr knapp geratenen Darstellung der  „Grundlagen“ (S. 27 ff.)  Einblicke in aktuelle Rechtsentwicklungen im Bankrecht (auf 2 Seiten!) sowie den Aufbau des deutschen Bankwesens (vgl. S. 42 ff., ohne jeglichen Bezug auf die wichtigsten europäischen und internationalen Verflechtungen, ohne die auch das ‚deutsche‘ Bankwesen dieser Tage nicht existieren kann). Im Pathos der „Blauen Reihe“ enden jede Paragraphen mit Wiederholungs- und Vertiefungsfragen, die teilweise merkwürdig anmuten (vgl. etwa zu den aktuellen Entwicklungen die Frage: „Welche gesetzgeberischen Maßnahmen wurden im Bereich des Anlegerschutzes getroffen?“ Zuvor folgt eine Randnummer, die kursorisch allerhand anschneidet (von AnsFuG bis KAGB), aber nichts mit hinreichender Prägnanz darstellt und v.a. ‚sprachlos‘ bleibt zu den wichtigsten europäischen Rechtsentwicklungen, die 1:1 in allen deutschen (Umsetzungs-)Gesetzen, die in eben dieser Randnummer genannt werden, abgebildet sind). So hangelt sich das Lehrbuch weiter von Ausschnitt zu Ausschnitt, zunächst in bekannter und bewährter Tradition großer respektive klassischer Lehrbücher.

Es folgen die Darstellung der Rechtsbeziehungen zwischen Bank und Kunde (Teil 2, vgl. S. 45 ff.), eine Analyse des Rechts des Bankkontos (Teil 3, vgl. S. 70 ff.) und des Zahlungsverkehrs (Teil 4, vgl. S. 102 ff.), Ausführungen zum Recht der Kreditgewährung (Teil 5, vgl. S. 167 ff.) und zur Kreditsicherung (Teil 6, vgl. S. 227 ff.). Beim Verlassen des traditionellen Bankrechts wird zum Schluss des Lehrbuchs noch ein Blick auf das Recht der Kapitalanlage (Teil 7, vgl. S. 274 ff.) geworfen, der ein buntes Sammelsurium dieses Ausschnittes offenbart, darunter die Anlageberatung, Vermögensverwaltung, Anlagevermittlung und Execution-only, Prospekthaftung und Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz. Die Vertiefungsmöglichkeiten halten sich gerade in diesem Bereich sehr in Grenzen. So sucht man vergeblich nach den wichtigsten ‚Klassikern‘ im Fußnotenapparat zur Prospekthaftung, die ein Muss für jede weitere Beschäftigung darstellen. Will man dem Anspruch der Autoren folgen und das Lehrbuch als Ausgangspunkt für die weitere, intensive Befassung mit dem Bankrecht benutzen, so lässt nur eine zweite Auflage auf die Nachholung, Ausfüllung und Glättung der Lücken, Ecken und Kanten hoffen. Dies gilt auch für das magere Literaturverzeichnis und die eigentlich sinnvolle Idee einer Definitionsliste mit den wichtigsten bankrechtlichen Begriffen im Anhang des Lehrbuchs. 

Mitnichten aber ist dem Lehrbuch jede Einsatzmöglichkeit abzusprechen. Jenen Studierenden, Promovenden und jungen Praktikern, die das Bankrecht komprimiert, aber mit mehr System und Struktur absorbieren wollen, kann das Lehrbuch nicht empfohlen werden. Dafür fehlt eine systematische Überschau und Verknüpfung der Materien innerhalb des Bankrechts, der wichtige europäische Konnex, eine Darstellung der Interrelation zwischen zivilem und öffentlichem Bankrecht (ein Thema, dessen Wichtigkeit gegenwärtig nicht genug betont werden kann), vor allem ein sorgfältiger und umfangreichere Literaturapparat sowie eine stärkere Schwerpunktkonzentration, auch auf divergierende Rechtsansichten und Problemstellungen. Schraubt man diesen Anspruch jedoch herunter und begegnet den Facetten des Bankrechts für einen kurzen Augenblick im Rahmen des Studiencurriculums, möchte hier und da eine praktische Falleinkleidung lesen sowie bearbeiten und gibt sich insgesamt genügsamer mit der reinen Reproduktion komprimierten Wissens für eine Klausur oder Hausarbeit, so kann das Lehrbuch herangezogen werden. Es ist kurz, pointiert und als Vorlesungsbegleitung – abhängig von der Ausrichtung innerhalb des Schwerpunktbereichs – ohne Bedenken zu empfehlen.

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