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Rezension Zivilrecht: Fälle zum Unterhaltsrecht

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Sitzmann, 50 Fälle zum Unterhaltsrecht, 1. Auflage, Anwaltverlag 2013

Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen


Zu Studienzeiten schaute ich gerne einmal in Fallsammlungen oder Bücher wie „Prüfe dein Wissen“. In der Praxis gibt es solche Bücher aber selten – man sucht sie aber auch nicht wirklich, da man ja ohnehin Fälle zur Genüge hat. Umso erfreuter war ich, „50 Fälle zum Unterhaltsrecht“ besprechen zu dürfen. Als ich mich vor ein paar Jahren nämlich selbst ins Familienrecht einarbeiten musste habe ich oft gedacht: „Warum gibt es nicht einfach ein Buch mit den wichtigsten 30 oder 40 Unterhaltskonstellationen und wie sie in Griff zu bekommen sind?“ Nun liegt genau dieses Buch vor – und es ist ein echter Hammer – tatsächlich hat das Buch noch mehr Fälle als die im Titel erwähnten 50 parat. Lustig an dem Buch ist – man kann dies nur durch Internetrecherche herausfinden – dass es eines der Werke ist, die den Aufstieg vom „Book on demand“ in ein klassisches Verlagsprogramm geschafft haben. 2010 hatte Sitzmann noch sein Buch in 6. Auflage mit dem Titel „40 Fälle zum Unterhaltsrecht“ als reines „Book on demand“ herausgebracht.

„50 Fälle zum Unterhaltsrecht“ richtet sich natürlich primär an Anwälte, es ist ja auch aus dem Deutschen Anwaltverlag. Ich kann das Buch aber nur wärmstens auch Richterinnen und Richtern zum Neueinstig empfehlen. Der Autor Norbert Sitzmann ist Richter am Oberlandesgericht in München und damit fit in der Materie. Auf den ersten 50 Buchseiten hat er dem Leser eine Einführung ins Unterhaltsrecht gegönnt – er widmet sich dabei der Prüfungsreihenfolge, den wesentlichen Grundsätzen von Kindes- und Ehegattenunterhalt, anderen Unterhaltsansprüchen und vor allem den für familienrechtliche Anfänger kaum verständlichen Problem der Unterhaltsberechnung bei mehreren unterhaltsberechtigten Ehegatten.

Die einzelnen Fälle sind dann thematisch den wesentlichen unterhaltsrechtlichen Problemlagen zugeordnet, beginnend mit dem Minderjährigenunterhalt über den Unterhalt für das volljährige Kind, Ehegattenunterhalt, Mischsituationen aus den bereits behandelten Unterhaltsthemenkreisen bis hin zur Konkurrenzbetrachtung bei mehreren unterhaltsberechtigten Partnern, zum Eltern- und sogar Enkelunterhalt. Damit entwickelt Sitzmann auch eine didaktisch sehr ansprechende Dramatik. Wer sich systematisch ins Unterhaltsrecht einarbeiten will/muss kann dies weitgehend dem Buchverlauf entsprechend unter Zuhilfenahme eines Kommentars gut tun.

Die einzelnen Fälle sind systematisch aufgebaut. Es beginnt mit einer kurzen Schilderung der Einkommens- und Familiensituation. Sodann benennt der Autor die Anspruchsgrundlage, die in Betracht kommt. Entscheidende Normen werden eingerückt und durch einen Rahmen optisch erkennbar gemacht. Die parallele Kommentarlektüre ist so zwar hilfreich und sinnvoll, aber nicht zwingend für das Verständnis erforderlich. Schließlich werden Bedarf des Unterhaltsberechtigten, die zu beanspruchende Unterhaltshöhe, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten und somit das Resultat der Prüfung dargestellt. Es wird dann auch immer eine Lösung nach den Norddeutschen und Süddeutschen Leitlinien vorgestellt. Zudem werden obergerichtliche Entscheidungen in umfassenden Textauszügen eingerückt – kenntlich gemacht wird dies dann durch graue Balken am Abschnittsrand. Schließlich findet sich stets noch an jedem Fall der Abschnitt „Hinweise“, in dem über den Fall hinaus taktische Ratschläge gegeben werden, weitere Erläuterungen zur Rechtslage eingefügt werden oder auch Rechtsprechung zu ähnlichen Fallkonstellationen dargestellt wird.

Der für Anfänger schwer verständlichen und oft nur scheinbar gefühlsmäßig zu beantwortende Frage nach der Herabsetzung oder der Befristung eines Unterhaltsanspruchs widmet Sitzmann schließlich noch etwa 50 Seiten in einem eigenen Anhang. Letztlich konnte diese Materie nicht in die Falllösungen integriert werden, da sie die Fälle zum einen bis zur Unkenntlichkeit aufgeblasen hätte und zum anderen erst dann zu beantworten ist, wenn überhaupt die Unterhaltspflicht feststeht. Ein „Auskoppeln“ in einen Anhang war daher die einzig richtige Entscheidung des Autors zu diesem Thema. Die erst vor wenigen Tagen in Kraft getretene Änderung des § 1587b Abs. 1 BGB konnte Sitzmann leider noch nicht einarbeiten – dies schadet aber auch nicht, da hier ohnehin noch unklar ist, wie sich die Rechtsprechung hierzu entwickeln wird.

Das Buch ist überall mit Umsicht und vor allem erkennbar mit viel Liebe zur Didaktik bearbeitet worden. Literatur wird nur spärlich angeführt. Die einschlägige Rechtsprechung ist aber umfassend nachgewiesen, nicht nur mit den Zeitschriftenfundstellen (vorwiegend der FamRZ), sondern vor allem mit Aktenzeichen und Datum. Hierdurch kann auch ohne Datenbankzugriff im Internet jede zitierte Entscheidung einfach gegoogelt werden. Ich kann also dieses etwa 500 Seiten starke Buch nur wärmstens allen Einsteigern ins Familienrecht (nicht nur den Anwälten) empfehlen.

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