Gercke / Temming / Zöller, Strafprozessordnung, 7. Auflage, C.F. Müller 2023
Von
RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Der Heidelberger Kommentar zur StPO kommt
im Hardcoverformat mit ca. 2500 Seiten inklusive Verzeichnissen wuchtig daher
und wartet mit einem vielseitigen Autorenteam auf, das die Rechtsanwender durch
die Untiefen des Verfahrensrechts leitet. Neben der StPO werden auch
ausgewählte Normen des GVG kommentiert.
Die Gestaltung des Werks ist nicht ganz
optimal. Die klein gedruckten Fließtexte beinhalten die Hinweise auf
Rechtsprechung und Literatur, sodass sich zusammen mit dem zur Hervorhebung
eingesetzten Fettdruck ein unruhiges Bild ergibt, das zur durchgehenden Lektüre
nicht einlädt. Hinzu kommt, dass die Schrift der vorangehenden bzw.
nachfolgenden Seiten durchscheint, sodass auch dies der angenehmen Lektüre im
Weg steht. Die Kommentierungen bieten eingangs eine Übersicht zu wichtigen
Stichworten, danach den klassischen Aufbau anhand der Randnummern. Bei neu
beginnenden Abschnitten wird auch eine Literaturübersicht angeboten. Moderne
Elemente wie Schaubilder, Formulierungsvorschläge oder Praxishinweise sind
nicht vorhanden. Die rezipierten Quellen sind vielfältig und berücksichtigen sowohl
die reichhaltige Kommentarlandschaft als auch die Rechtsprechung, wobei
abweichende Ansichten besonders kenntlich gemacht werden.
Obwohl das Werk auf die Praxis
zugeschnitten ist, finden sich viele Passagen, die ausbildungsgeeignet
aufbereitet sind und in kompakter Form für viel Verständnis bei Referendaren sorgen
können. Zu nennen ist hier etwa die Einleitung vor §§ 94 ff. (S. 330 ff., Gecke),
wo nicht nur das Spannungsverhältnis zwischen den Rechten der Bürger und dem
Ermittlungsinteresse des Staates aufgezeigt wird, sondern auch das Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit nicht nur beschrieben, sondern in der konkreten Anwendung
plastisch begreifbar gemacht wird. Gleiches kann man für die Darstellung der
verbotenen Vernehmungsmittel sagen (§ 136a Rn. 21 ff., Ahlbrecht), was ohnehin ein klassisches StPO-Prüfungsthema sowohl im schriftlichen als auch im
mündlichen Assessorexamen darstellt. Gerade die Abgrenzung zur
kriminalistischen List und zum Verschweigen als Ermittlungstaktik muss
beherrscht werden und wird hier schön mit wenigen Absätzen skizziert.
Positiv anzumerken ist zudem, dass der
Kommentar sich auch als Kompendium lesen lässt, wenn allgemeine Themen mit
einer gewissen Breite erläutert werden und so ein gutes Gesamtverständnis zu
einzelnen Aspekten entstehen kann. Dies gilt z.B. für die Rolle der Polizei im
Ermittlungsverfahren (§ 163 Rn. 10 ff., Zöller), für ihre vorhandenen
Kompetenzen zur Beweiserhebung aber auch für die Benennung unterschriebener
Ermittlungsmaßnahmen wie der Einsatz von Informanten oder Lockspitzeln.
Gleichermaßen kann hier für allgemeine und knapp, aber gut erfasste Themen auch die Notwendigkeit der Hinzuziehung von
Dolmetschern genannt werden, wo insbesondere der Umstand, dass der Anspruch der Angeklagten auch für den
Bereich vor der Hauptverhandlung bestehen kann (§ 185 GVG Rn. 4, 5, Schmidt/Schliemann), gut herausgearbeitet worden ist.
Bei der Nutzung im Dezernatsalltag ist
positiv auffällig, dass auch Nebenaspekte rund um die Prüfung einer größeren
Problematik aufgegriffen werden. So wird bspw. zur Rücknahme des Strafbefehls
durch die Staatsanwaltschaft zum einen erläutert, bis wann dies überhaupt
zustimmungsfrei erfolgen kann, welche gerichtlichen Maßnahmen zu treffen sind
und wie die Sache kostenmäßig abgeschlossen werden kann (§ 411 Rn. 15-18, Brauer). Auch zur Nebenklage wird
differenziert ausgeführt, wann die gerichtliche Entscheidung lediglich
deklaratorische Bedeutung hat und wann ihr konstitutive Bedeutung zukommt,
sodass die prozessuale Stellung der betroffenen Beteiligten sofort klar wird (§
396 Rn. 18 ff., Weißer/Duesberg). Hinsichtlich
der Auslagenentscheidung bei Einstellung des Verfahrens wegen eines
Verfahrenshindernisses wird von Beginn an zutreffend auf die Problematik der
Billigkeit der Auslagenentscheidung hingewiesen, die eben nur im Ausnahmefall
zum Nachteil des Beschuldigten ergehen darf. Auch wird die Unzulässigkeit der
Heranziehung einer Vermutung für die Frage der Schuld des Angeklagten betont (§
467 Rn. 11, Schmidt/Zimmermann).
Der Kommentar bietet einen erfreulichen
und tiefgehenden Rundumblick auf das Strafprozessrecht. Eventuell mag ein Leser
an mancher Stelle das eine oder andere Detail vermissen, was dann aber der
Schwerpunktsetzung der jeweiligen Kommentatoren geschuldet ist und dem guten
Gesamteindruck nicht schadet. Die hohe Anwendungsfreundlichkeit der
Ausführungen ist ein echtes Plus des Werks und man kann es ab dem Referendariat
und vor allem im Gerichtsalltag bedenkenlos einsetzen.