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Rezension: Fachlexikon der Sozialen Arbeit

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Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (Hrsg.), Fachlexikon der Sozialen Arbeit, 9. Auflage, Nomos 2022

Von RAin, FAin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V ist ein Zusammenschluss öffentlicher und privater Träger Sozialer Arbeit, der 1880 gegründet wurde. 1980, anlässlich des 100jährigen Bestehens des Vereins, erschien das Fachlexikon erstmals. Seitdem hat es sich zu einem interdisziplinären Standardwerk der Extraklasse entwickelt. Auf 1089 Seiten das „geballte Wissen“ der Sozialen Arbeit, übergreifend von Zivilrecht, Strafrecht, öffentlichem Recht (mit seiner kleinen, aber feinen Untergruppe Sozialrecht). Von 24-Stunden-Pflege über Empowerment und Soziale Distanz bis Zweckbetrieb sind Artikel zu jedem erdenklichen Begriff vorhanden. Ein so umfassendes Werk erfordert die Mitarbeit von 664 Autoren (Hut ab vor den Lektoren, die eine Mammutaufgabe zu bewältigen hatten). Das Stichwortverzeichnis ist 29 Seiten lang, das Abkürzungsverzeichnis umfasst nur 12 Seiten, beinhaltet aber so manchen Leckerbissen: Schon mal vom AdÜbAG (=Adoptionsübereinkommens – Ausführungsgesetz) gehört? Oder vom ThürSinnbGG (=Thüringer Sinnesbehindertengeldgesetz)?

Aufgebaut ist das Lexikon alphabetisch. Das hat den Vorteil, dass der Leser sich nicht – wie in einem Hand- oder Lehrbuch – erst einmal durch die verschiedenen (Rechts-) Gebiete lesen muss, um zuerst zu entscheiden, zu welchem Rechtsgebiet sein Problem wohl gehört. Z.B. kann das Stichwort „Kindeswohl“ sowohl zum Familienrecht, zum Strafrecht, zum Sozialrecht oder zum Verwaltungsrecht gehören. Auf der anderen Seite stehen dann die Bereiche, die mit Rechtswissenschaften nicht zwingend etwas zu tun haben, z.B. Frühförderung, Heilpädagogik, die Bahnhofsmission oder „Balanced Scorecard“ (Wirtschaftswissenschaftlicher Begriff). Gerade für juristisch oder sozialpädagogisch nicht vorgebildete Leser (besser: Nutzer) empfiehlt sich das Lexikon, weil es eben nach Stichwörtern aufgebaut ist.

Zu den einzelnen Schlagwörtern sind alle Artikel in ein bis zwei Spalten gedruckt, Verweise auf andere Begriffe sind mit Querpfeilen versehen. Für die bessere Lesbarkeit ist es nicht gerade förderlich, dass in jedem Artikel gegendered wird, zumal das auch nicht einheitlich geschieht: Ein Autor schreibt von „Therapeuten und Therapeutinnen“, ein anderer von „Bewohner/innen“. Und warum heißt es im Artikel über die Arbeitsagentur „Geschäftsführer/in“, aber „Arbeitgeber“. Gibt es keine Arbeitgeberinnen? Bevor man einer guten Sache einen Bärendienst erweist, sollte man darauf verzichten. Unter jedem Artikel ist der Verfasser namentlich genannt, im Autorenverzeichnis ist dann aufgeführt, in welcher beruflichen Funktion er/sie im zivilen Leben tätig ist. Anders als die Unart in juristischen Kommentaren, in denen im Bearbeiterverzeichnis Bearbeiter XY gelistet ist, der die „§§ 31 Abs. 2, 112 Abs. 1 - 4, 120 – 132, 222 Nr. 3 – 8“ etc. bearbeitet hat. Das hat den Vorteil, dass der Nutzer auch direkt erkennen kann, ob der Autor auch über praktische Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet verfügt. Gerade das ist in der Sozialen Arbeit ein Standortvorteil.

In der Vergangenheit wurde an dem Lexikon bemängelt, dass die zitierte Literatur unmittelbar im Text nicht mit Auflage bzw. Erscheinungsjahr gekennzeichnet war. Dieser Mangel ist jetzt behoben. Allerdings ist generell nur wenig Literatur genannt, im Gegensatz zu Kommentaren, bei denen Zitate von Literatur und Autoren durchaus 1/3 des Umfangs ausmachen. Anstelle dessen sind häufig aktuelle Statistiken (z.B. Anzahl der in Pflegeberufen Tätigen) erwähnt.

Definition und Dokumentation, aktuell, fachübergreifend, verständlich – mehr will man von einem Standardwerk nicht. Das Fachlexikon erfüllt alle diese Anforderungen.


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