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Rezension: Sachversicherung

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Martin / Reusch / Schimikowski / Wandt, Sachversicherung, 4. Auflage, C.H. Beck 2022

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Dass das Geld auch bei den Versicherungen nicht mehr allzu locker sitzt, bemerkt man nicht nur in den Prozessen erster Instanz zu den klassischen Kraftfahrt-Haftpflichtschäden, sondern auch bei sonstigen Versicherungsstreitigkeiten. Diese kommen inzwischen nicht nur wie auch schon vorher bei den dafür spezialisierten Kammern der Landgerichte auf den Tisch, sondern selbst bei kleineren Streitwerten zu den Amtsgerichten. Dort ist die Spezialisierung auf Versicherungssachen denkbar gering ausgeprägt, sodass es umso wichtiger ist, passende und zugleich kompakte Kommentare zur Hand zu haben, um den spezialisierten, meist auf der Beklagtenseite agierenden Anwälten im Wissensstand halbwegs ebenbürtig zu sein.

Der vorliegende Kommentar fasst unter dem Titel „Sachversicherung“ zahlreiche Versicherungszweige und deren Allgemeine Versicherungsbedingungen zusammen, darunter Hausratsversicherung, Wohngebäudeversicherung, Leistungswasserversicherung, Glasversicherung oder auch Elementarschadenversicherung. Mit Verzeichnissen umfasst der Kommentar ca. 1900 Seiten und vereint ein breites Spektrum von Autoren unter einem bekannten Herausgeberteam. Die Autoren sind Anwälte, Richter und Wissenschaftler, aber auch Mitarbeiter von Versicherungen.

Die einzelnen Kapitel, 30 an der Zahl, erläutern dabei sowohl allgemeine versicherungsrechtliche Themen als auch spezifische, dem Kommentaroberbegriff geschuldete Fragen. So führt das erste Kapitel in systematische Grundlagen und die AVB an sich ein und wird sekundiert von einem Kapitel zum Eintritt des Versicherungsfalls. Erst dann werden die einzelnen versicherten Gefahren in einzelnen Abschnitten thematisiert. Sodann folgen erneut Kapitel mit allgemeinen Themen, etwa zum Versicherungsort, zum Versicherungswert oder zum Vertragsabschluss. Nicht fehlen dürfen des Weiteren die stets umstrittenen Bereiche der vorvertraglichen Pflichten und der Obliegenheiten vor und nach dem Versicherungsfall, denen jeweils eigene Kapitel gewidmet werden. Gleiches gilt für die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls. Weitere Kapitel befassen die Rechtsanwender u.a. mit der Mehrfachversicherung, mit der Veräußerung der versicherten Sache, der Unterversicherung, einem möglichen Selbstbehalt oder dem Regress des Versicherers.

Insgesamt ergibt sich so ein sehr umfassendes, aber auch thematisch rundes Bild, das von der Zusammenstellung als auch vom Duktus her oftmals eher den Charakter eines Handbuchs hat, ohne dabei die Qualität eines Kommentars zu verlieren. Dies zeigt sich schon bei allgemeinen Fragestellungen wie etwa der Auslegung von AVB nach den Vorgaben des BGH (S. 37 ff.). Hier weist Wandt zutreffend darauf hin, dass die Begriffsauslegung von in den AVB verwendeten Oberbegriffen aus Laiensicht durchaus schwierig zu bestimmen ist und sich mglw. eine Auslegung je nach Art des Versicherungsnehmers aufdrängt: wer hat welchen Kenntnisstand und Verständnishorizont für die versicherten Risiken? Aber auch im „besonderen Teil“ führen die Autoren schön und mit praktischen Beispielen vor Augen, dass auch vermeintlich klare Begriffe nicht einfach zu handhaben sind. So erklärt Spielmannanhand des Leitungswasserschadens (S. 336 ff.) erst einmal genau, was unter „Wasser“, einer „Leitung“ oder sonstigen Einrichtungen zu verstehen ist und wie schwierig sich die Ursachenfindung für einen Schaden darstellen kann und erst recht, ob es sich um einen Primär- oder Folgeschaden handelt. Selbst Details wie die nicht als Rohrbruch erfasste Verschiebung von Rohrverbindungen werden bei der Frage des Eintritts eines solchen „Bruchs“ zur Abgrenzung aufgeführt (S. 349 Fn. 46).

Ebenfalls positiv hervorzuheben ist in vielen Kapiteln, dass die Autoren Probleme konkret aufwerfen und dann Lösungsansätze nicht nur präsentieren, sondern benennen, entwickeln und begründen. Selbst wenn man mit der Meinung des jeweiligen Autors nicht übereinstimmen sollte, kann man die eigene Argumentation anhand der diskutierten Ansätze schärfen und präzisieren. Als pars pro toto mag hier die Frage des Gefahrübergangs vor dem Eigentumsübergang fungieren, die Fortmann ausführlich aufbereitet und dann einer Lösung zuführt (S. 1390 ff.).

Mir gefällt an diesem Kommentar neben der gut lesbaren Darstellung die hohe Nutzbarkeit für den nicht spezialisierten Rechtsanwender, sei es auf Anwalts- oder auf Richterseite, sei es in der Wissensbreite oder im Hinblick auf Details und ausgefallene Rechtsprechung. Die Lektüre führt nämlich nicht nur zu punktuellem Wissen, sondern darüber hinaus zu Verständnis. Was kann ein Kommentar Besseres leisten?


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