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Rezension: Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht

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David / Dinter, Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht, 1. Auflage, C.F. Müller 2021

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Obwohl die Masse der veröffentlichten Entscheidungen in Bußgeldsachen im Straßenverkehr verortet ist, darf nicht unterschätzt werden, wie vielschichtig der OWi-Bereich in der Praxis tatsächlich ist. Dies betrifft dann nicht nur das Kartellrecht, das weitere öffentliche Recht wie z.B. Baurecht oder Abfallrecht, sondern eben auch das Kapitalmarktrecht, das vorwerfbares Fehlverhalten der Marktteilnehmer entsprechend sanktionieren muss. Bedenkt man zudem, dass die Höhe des Bußgeldes sich am Umsatz des falsch handelnden Unternehmens orientieren kann, wirkt der 2021 neu erlassene Bußgeldkatalog im wahrsten Sinne wie „Peanuts“. Die beiden Herausgeber sind selbst seit Jahren durch Veröffentlichungen zum Thema präsent und haben weitere Rechtsanwender für das Handbuch gewinnen können, um die Thematik mit einem Gesamtüberblick vorzustellen. Dies betrifft dann eben nicht nur das klassische Sanktionenrecht, sondern auch Verteidigungsmöglichkeiten sowie das unvermeidbare Thema Compliance.

Insgesamt acht Kapitel harren der Lektüre. Die Autoren halten sich dabei nie mit Allgemeinplätzen auf, sondern fokussieren stets das Bußgeldrecht auf die hier behandelte Spezialmaterie. Eingangs wird das Bußgeldverfahren der Wertpapieraufsicht vorgestellt. Schon bei scheinbar banalen Aspekten merken die Leser, dass man in diesen Bußgeldverfahren ein bisschen anders denken muss als bei herkömmlichen Verstößen, die vor dem Amtsgericht abgeurteilt werden. So sind die Fragen der Beteiligung am Verfahren sowie der Verwertung von Erkenntnissen zu beantworten, die Rolle der BaFin zu klären und die ihr zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten vorzustellen. Weitere Unterkapitel thematisieren die Verfahrensrechte, mögliche Einstellungsgründe und den Erlass des Bußgeldbescheids durch die BaFin. Das zweite Kapitel ist dann das materiell-rechtliche Pendant und erläutert die Ahndungspraxis der BaFin, wobei zwischen direkten Verstößen gegen kapitalmarktrechtliche Bußgeldvorschriften und Pflichtverletzungen nach § 130 OWiG abgegrenzt wird. Die Zurechnung nach § 9 OWiG kommt ebenso zur Sprache wie die Sanktionierung juristischer Personen nach § 30 OWiG. Bei der Zumessung wird auf die Parallelität zwischen § 17 WpHG und § 17 OWiG hingewiesen, aber auch die denkbaren Zumessungskriterien werden angesprochen, darunter die Auswirkung eines vorhandenen Compliance-Systems. Noch konkreter wird es dann im dritten Kapitel, das verschiedene Delikte nach dem WpHG vorstellt. Dazu gehören Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten, die Pflicht zur Meldung von Eigengeschäften oder die Marktmanipulation. Mit ca. 150 Seiten ist dieses Kapitel zu Recht sehr ausführlich gehalten. Die folgenden Kapitel widmen sich den Verwaltungssanktionen und den öffentlichen Bekanntmachungen sowie dem Rechtsschutz hiergegen.

Im sechsten Kapitel wird die Verteidigung in kapitalmarktrechtlichen Bußgeldverfahren vorgestellt, passender und sinnvoller Weise geschrieben von einem Rechtsanwalt. Gleich zu Beginn wird schön auf das Verteidigungssubjekt eingegangen und klargestellt, dass man juristische Personen nicht verteidigen kann, sondern diesen eine Stellung nur als Nebenbeteiligter zukommt, ohne dass das deren Rechte wesentlich schmälern würde. Wichtig ist dabei jedenfalls, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, ab welchem das Unternehmen eine Stellung als Quasi-Betroffener für sich reklamieren kann (S. 366). Erfreulich umfangreich wird auch auf die Stellung des Verteidigers abgestellt, der sich zum einen mit einem Interessenskonflikt konfrontiert sehen kann, wenn er das betroffene Unternehmen auch anderweitig berät, der zum anderen aber auch Beratungs- und Hinweispflichten hat, um das Unternehmen vor Folgekosten zu bewahren. Gut gefällt auch die nicht abschließende, abwägende Überlegung, wie mit der BaFin Kontakt aufgenommen werden sollte. Die hier vertretene Vorgehensweise (S. 377) ist mir jedenfalls auch aus der eigenen (nicht kapitalmarktrechtlichen) Praxis sympathisch. Wenn die Waffengleichheit zur Behörde angesprochen und auch das Gebot der Aktenvollständigkeit benannt wird, dann aber für den Fall der Unvollständigkeit die Dienstaufsichtsbeschwerde als Option vorgeschlagen wird, ist mir das ein bisschen zu heftig, insbesondere da das meiner Ansicht nach vorrangige Verfahren nach § 62 OWiG nicht erwähnt wird (S. 380). Es wäre zudem interessant gewesen, wie der Autor die Rechtsprechung des BVerfG zur Akteneinsicht (NZV 2021, 41 ff.) für das Kapitalmarktecht anwendbar erachtet. Dass am Ende noch nach den verschiedenen Verteidigungszielen differenziert wird, ist sehr umsichtig, gerade weil die (unechte) Verständigung in solchen Bußgeldverfahren durchaus relevant werden kann (S. 392).

Das siebte Kapitel befasst die Leser mit dem Bußgeldregress gegen Führungskräfte und Versicherungsmöglichkeiten. Die Abgrenzung zu den Beraterfällen des BGH ist gut nachvollziehbar, ebenso der Ansatz, einen Regress für unvereinbar mit den Zwecken des Ordnungswidrigkeitenrechts zu (S. 400) postulieren. Ob die Rechtsprechung dies auch weiterhin so halten wird, bleibt offen. Den Schlusspunkt setzt das achte Kapitel mit dem europäischen Recht.

Das Buch ist - natürlich - von Spezialisten für Spezialisten geschrieben und hat dementsprechend auch nur einen eingegrenzten Interessentenkreis. Dennoch sind die Ausführungen der Autoren auch allgemein interessant, wenn man die Bandbreite und den Variantenreichtum kennen lernen möchte, die das Bußgeldrecht innehat. Die Ausführungen lesen sich flüssig und schlüssig, sodass auch Einsteiger in die Spezialmaterie, die lediglich Grundkenntnisse im allgemeinen Bußgeldrecht haben, die Materie gut und effektiv rezipieren können.

 


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