Marschner / Brosey, Rechtliche Grundlagen psychiatrischer Arbeit, 1. Auflage, utb 2022
Von RA'in, FA'in für Sozialrecht Marianne Schörnig
„Rechtliche Grundlagen psychiatrischer Arbeit – ein Studienbuch“ sollte das Buch korrekterweise heißen, denn damit wäre auch die Zielgruppe sofort umrissen: Es richtet sich an Studenten Sozialer Arbeit und bereitet diese schon einmal auf alle rechtlichen Gesichtspunkte vor, mit denen sie in ihrem späteren Berufsleben konfrontiert werden.
Der utb Verlag veröffentlicht in erster Linie Studienliteratur zu sozialer Arbeit. Auch die beiden Autoren haben jeweils Bezug zum Hochschulstudium der Sozialen Arbeit: Rechtsanwalt Dr. Marschner ist Dozent für Recht im Masterstudiengang Mental Health an der Hochschule München, Prof. Dr. Brosey lehrt Zivilrecht an der TH Köln, ist dort Prodekanin und ist Vorstandsmitglied des Betreuungsgerichtstags. Daher wissen die Autoren aus erster Hand, welche Gesetze relevant sind, in welchem Kontext sich die Fragen stellen und vor allem: Wie gefragt wird. Am Ende jedes Kapitels stehen nämlich Wiederholungsfragen; z. B. „Was bedeutet Wunsch- und Wahlrecht?“, „Unter welchen Voraussetzungen darf ein Betreuer oder Bevollmächtigter über Zwang gegenüber der betreuten Person entscheiden?“.
Das Buch ist in 17 Kapitel gegliedert, die teilweise von einer Definition ausgehen, Kapitel 3: „Teilhabe und Selbstbestimmung. 3.1 Inklusion und Teilhabe 3.1.1 Grund- und Menschenrecht 3.1.2 Benachteiligungsverbot 3.2 Das Recht auf Selbstbestimmung und seine Grenzen 3.2.1 Das Recht auf Selbstbestimmung 3.2.2 Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht 3.2.3 Freier Wille.“ Teilweise auch aus Sicht der Betroffenen (Kapitel 15 „Straftaten psychisch kranker Menschen“ und Kapitel 16 „Haftung psychiatrisch Tätiger“). Einige Male nehmen die Autoren ein Schlagwort (Kapitel 10 „Grundzüge des Rehabilitationsrechts“ und handeln die einzelnen Leistungen ab für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, Leistungen zur sozialen Teilhabe, Eingliederungshilfe für seelische behinderte Kinder und Jugendliche, Persönliches Budget.
Zu Beginn jeden Kapitels ist in einem farblich gekennzeichneten Kasten zusammengefast, um was es in diesem Kapitel geht und was auf den nächsten Seiten alles erläutert wird. Bspw. Kapitel 7 „Grundbegriffe und Grundsätze des Sozialrechts. In diesem Kapitel geht es um die Klärung sozial-rechtlicher Grundbegriffe als Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen“. Dieses geschieht immer aus dem Blickfeld der psychiatrischen Versorgung. Nicht nur aus Sicht der Betroffenen, die einen Betreuer benötigen, auch aus Sicht der Studenten (potentielle Betreuer im späteren Berufsleben), nicht zuletzt auch aus Sicht der Leistungserbringer (Ergotherapeuten, Pflegefachkräfte, Ärzte, Krankenhäuser, etc.).
Naturgemäß spielt das gesamte Sozialgesetzbuch dabei die größte Rolle. Krankheit und Behinderung sind nun einmal Dreh- und Angelpunkt der gesamten Sozialgesetzgebung. Interessant ist das Kapitel über die Haftung psychiatrisch Tätiger. Hier wird Studierenden vor Augen geführt, dass die Tätigkeit als Betreuer mehr erfordert als zu trösten und sich ggfs. mit Behörden anzulegen. Der Betreuer kann zudem aus mehreren Richtungen haftbar gemacht werden: von Vertragspartnern des Betreuten, von etwaigen Standesorganisationen (Ärztekammern u. a.), vom Staat (Betreuer haben Sorgfalts- und Aufsichtspflichten inne) und nicht zuletzt vom Betreuten selber (Schadensersatzpflichten).
Jedes Kapitel endet mit Vertiefungsmöglichkeiten: Quellenangaben aus dem Internet und weiterführende Literatur.
Für Erstsemester ist das Buch nicht gedacht. Die Leser müssen schon über einen Grundstock an Rechtskenntnissen verfügen, um es nutzen zu können. Überhaupt ist es sehr theorielastig. Durch Fallbeispiele hätten die Autoren den doch recht trockenen Stoff anschaulicher machen können. Andererseits wäre das Buch sehr umfangreich geworden, wenn ein Beispiel für jede Zielgruppe gebracht worden wäre. Dazu sind die Handlungsfelder der psychiatrischen Arbeit zu vielfältig. Anhand einfacher Vertiefungsfragen wie „welche Leistungen kommen nach dem SGB II in Frage?“ könnte der Leser jeweils den Inhalt eines Kapitels „durchackern“ und so überprüfen, ob er das Kapitel verstanden hat. Allerdings werden die Antworten nirgends gegeben, nicht einmal am Ende des Buches. So bleibt dann ein schaler Nachgeschmack.