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Rezension: Regulierung von Auslandsunfällen

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Bachmeier, Regulierung von Auslandsunfällen, 3. Auflage, Nomos 2022

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Fast 10 Jahre seit Erscheinen der Erstauflage hat dieses ungemein wichtige Werk für das (verkehrs-)zivilrechtliche Dezernat die dritte Auflage zu verzeichnen. Schon die Rezeption der Vorauflagen war sehr positiv (hier die Besprechungen: erste Auflage, zweite Auflage) und an diesem Eindruck hat sich auch weiterhin nichts geändert. Im handlichen Format mit fast 800 Seiten inklusive der Verzeichnisse kommen die verschiedenen Konstellationen des Verkehrsunfalls mit Auslandsbezug zur Sprache, dazu kommen zahlreiche Länderberichte zu klassischen deutschen Urlaubsländern. Im Vorwort verweist Bachmeier darauf, dass noch zahlreiche Rechtsfragen ungelöst sind und auch die europäische Zusammenarbeit im Zivilrecht ausbaufähig ist. Zum Glück für die Rechtsanwender gibt es dann Spezialwerke wie dieses, das zumindest die Probleme aufzeigt und Lösungsansätze bereithält.

Die Gestaltung des Werks ist typisch für die NomosAnwalt-Reihe. Die Texte sind zwar gut und mit vielen Randnummern untergliedert, die Schriftgröße ist aber recht klein, sodass die Lektüre nach einer Weile doch anstrengend wird. Echte Fußnoten erleichtern die Rezeption der Materie im Fließtext und bieten viele Verweise auch auf Internet-Quellen. Nachdem die zahlreichen Autoren der Länderberichte auch als Experten engagiert wurden, ist es ein toller Service, dass auch deren (berufliche) Kontaktdaten im Autorenverzeichnis stehen. Nachdem es sich ausnahmslos um Anwälte bzw. Professoren handelt, besteht auch nicht die Gefahr unbotmäßiger Rechtsberatung.

Im ersten, allgemeinen Teil, wird die Unfallschadensregulierung bei Auslandsbeteiligung dargestellt. Dies umfasst zum einen die gerichtlichen Rahmenbedingungen, sodann den Inlandsunfall mit ausländischen Fahrzeugen, den Inlandsunfall mit ausländischen Militärfahrzeugen, den Auslandsunfall mit inländischen Fahrzeugen sowie Auslandsunfälle in Drittländern, sprich außerhalb der EU. Ein Anhang komplettiert diesen ersten Teil, in dem Internetadressen zum Zugang zum ausländischen Recht aufgelistet werden, aber auch Webseiten mit generellen Informationen zur Rechtslage. Hinzu kommt ein Glossar mit typischen IPR-Ausdrücken, was die Scheu vor der Lektüre entsprechender Texte nehmen kann. Schließlich sind einige Muster enthalten, um Rechtsauskünfte u.ä. einzuholen.

In den Kapiteln werden, wenn auch zum Teil nur kurz, prozessual heikle Themen benannt, etwa die fehlerhafte Bezeichnung des Beklagten, wenn ein Korrespondent zur Regulierung des Schadens eingesetzt wird, der aber eben nicht passivlegitimiert ist (S. 50). Deutlich umfangreicher ist das Kapitel zum Unfall eines Deutschen im Ausland, da insbesondere die Frage des anzuwendenden Rechts immer noch nicht eindeutig entschieden ist, wenn der Grenzbereich zwischen Prozessrecht und materiellem Recht betroffen ist (S. 105 zum Anscheinsbeweis). Sehr interessant ist auch das Unterkapitel zum an den Amtsgerichten nicht besonders häufig genutzten Europäischen Beweisaufnahmeverfahrens, das man über Zentralstellen des jeweiligen Bundeslandes initiieren kann. Nachdem inzwischen über § 128a ZPO auch die Online-Verhandlung mit ausländischen Zeugen möglich ist, hätte ich mir, gerade wenn Videokonferenzen nach der EuBewVO angesprochen werden (S. 150), noch eine praktische Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile gewünscht: immerhin wird die Videoverhandlung inzwischen mit großer Begeisterung auch bei Inlandssachverhalten durchgeführt. Zu Recht wird der Tele-Inaugenscheinnahme eine Absage erteilt (S. 153). Interessant ist auch die Erwähnung der Dash-Cam-Rechtsprechung des BGH, die ja als Teil des Prozessrechts auch auf Fälle mit Auslandsbeteiligung angewendet werden kann (S. 154).

Länderberichte liegen anschließend vor zu den Staaten Belgien, Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Island, Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Spanien und Türkei. Diese sind stets gleich aufgebaut: zunächst gibt es einen Abschnitt zur Anspruchsprüfung zur Haftung dem Grunde nach, später zur Haftung der Höhe nach. Dann geht es um die Durchsetzung der Ansprüche und am Ende werden wichtige Arbeitsmittel an die Hand gegeben. Aufgrund einiger aktueller Fälle im Dezernat habe ich mir den Länderbericht zu Belgien näher angesehen. Aus bereits eingeholten Rechtsgutachten ist die Haftungsgrundlage zwar rasch klar, aber dass auch einmal konkrete Verkehrsregeln – wie hier – für die Haftung dem Grunde nach benannt und erläutert werden, findet man selten. In Ergänzung mit den Ausführungen zur Beweislastverteilung und zu den zuzusprechenden Schadenspositionen möchte ich meinen, dass ich fortan gestützt auf die sehr detaillierten Ausführungen bei technisch halbwegs klarem Fahrverhalten einen Fall auch ohne Rechtsgutachten entscheiden könnte. Insofern: großes Lob für diesen Länderbericht, den ich aus eigener Anschauung prüfen konnte.

Bislang hatte ich jedes Auflage dieses Werks in meiner Handbibliothek im Gericht stehen und habe es immer wieder zu Rate ziehen können. Angesichts noch denkbarer weiterer Länderberichte dürfte auch die nächste Auflage wieder zahlreiche Rechtsanwender bei Auslandsunfällen bei der Falllösung unterstützen. Aus meiner Sicht ist das Handbuch ein Muss für den Verkehrszivilrechtler.

 


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