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Rezension: StichwortKommentar Nachbarrecht

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Jeromin / Klose / Ring / Schulte Beerbühl, StichwortKommentar Nachbarrecht, 1. Auflage, Nomos 2021

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Im Nomos-Verlag erscheinen seit einiger Zeit zu ausgewählten Rechtsgebieten Stichwort-Kommentare und bieten den Rechtsanwendern einen ganz eigenen Zugriff auf die jeweilige Materie. Schon von den roten Handkommentaren des Verlags ist der Blick über den Tellerrand bekannt und bewährt als assoziative Annäherung an das Rechtsgebiet. Die Stichwortkommentare erweitern diesen Horizont noch einmal, indem sie losgelöst von konkreten Gesetzen unter einem Überbegriff die praktisch relevanten Inhalte zusammentragen und auf knappem Raum erläutern.

Das vorliegende Werk thematisiert das Nachbarrecht und bietet folglich einen Blick in mehrere Rechtsbereiche: Zivilrecht, öffentliches Recht und Strafrecht müssen durchforstet werden, um dem Bereich gerecht zu werden. Aus Sicht der forensischen Praxis ist das nur logisch, da man, gerade am Amtsgericht, mit einer Vielzahl von Fallgestaltungen konfrontiert wird, die einen nachbarrechtlichen Bezug haben und sich eben nicht nur um Hecken und Zäune drehen, sondern auch um Mensch und Tier, um Hausrecht, Überbau oder Wegerechte.

Insgesamt 134 Stichworte harren der Lektüre, wobei natürlich der Vorteil eines solchen Kommentars ist, dass man gezielt zu einer Problematik direkt in ein Stichwort springen kann und nicht wie sonst eine Kommentierung nach fett gedruckten Schlagworten durchforsten muss. Die Stichworte sind dabei in ihrer Konkretheit von unterschiedlicher Beschaffenheit, sodass demgemäß auch der Umfang der Bearbeitungen variiert. Dennoch überraschen auf den ersten Blick einige Begriffe angesichts der Erläuterungsgröße wie z.B. die „Dunstabzugshaube“ mit 8 Seiten, der „Gartenzwerg“ mit 11 Seiten oder der „Samenflug“ mit 8 Seiten, wohingegen andere Stichworte kürzer ausgestaltet sind, bei denen man mehr Umfang vermutet hätte. Dennoch zeigt auch der Blick in die genannten Stichworte, dass die jeweiligen Autoren das Sujet umfassend betrachten und, bspw. bei der Dunstabzugshaube, die rechtliche Zulässigkeit der entstehenden Beeinträchtigungen, die Auswirkungen auf WEG- und Mietrecht und denkbare Schadensersatzansprüche sowie öffentlich-rechtliche Aspekte insbesondere bei gewerblicher Nutzung in den Blick nehmen. So hat man als Leser einen netten Aha-Effekt nach erster Verwunderung und auch das macht einen guten Kommentar aus.

Ein klarer Schwerpunkt wird bei Lärm-Immissionen gesetzt, da der „Lärm“ an sich in mehreren Stichworten erörtert wird, aber auch damit zusammenhängende Begriffe eine gesonderte Betrachtung erfahren haben und dann dort (meistens jedenfalls) auf die „Lärm“-Stichworte intern verwiesen wird: „Bauarbeiten“, „Kind“ (im Kontext auch zu lesen „Swimmingpool“), „Musik“, „Party“ oder „Volksfest“. Erfreulich ist aber auch, dass neuere Erscheinungsformen möglicher Beeinträchtigungen durch menschliches Tun ausführlich zur Sprache gebracht werden. Dies betrifft z.B. die Nutzung von Dashcam, Drohne oder auch die Elektromagnetische Strahlung, etwa durch Mobilfunksendeanlagen.

Ganz „klassisches“ Nachbarstreitrecht findet natürlich auch die gebotene Beachtung, sei es bei den „Anpflanzungen an der Grundstücksgrenze“, beim „Überbau“ oder beim „Zaun“. Nur wenige Rechtsanwälte und Richter können solchen Nachbarschaftsverfahren Positives abgewinnen, finden dann aber in diesem Kommentar rasch wichtige Informationen zu den Rechtsgrundlagen und zu möglichen prozessualen Besonderheiten. Schön zu sehen ist dies im Stichwort „Wurzeln“, wo das Selbsthilferecht nach § 910 BGB ausführlich erläutert und anschließend in den prozessualen, aber auch den öffentlich-rechtlichen Kontext gestellt wird (kein vorbeugender Rechtsschutz; Verjährungsfristen gegen Beseitigungsverlangen; Anspruchsmehrheit gegen den Störer etc.).

Die Stichworte selbst werden durch ein erfreulich umfangreiches Sachverzeichnis ergänzt, sodass man notfalls auch darüber gezielt für den eigenen Fall zu einem Suchergebnis gelangen wird.

Schon der Stichwortkommentar zum Familienrecht hat mir gut gefallen und auch andere Werke sind positiv aufgenommen worden (Besprechung der Werke zum Behindertenrecht oder auch zum Wohnungseigentumsrecht). Natürlich ist es sinnvoll, mit einem Grundlagenwissen zur Materie mit diesem Werk zu arbeiten, da dann das gezielte Suchen und Finden wesentlich effektiver vorangeht. Dennoch ist durch die vorausschauende Bearbeitung der Stichworte auch eine interessierte Erstlektüre möglich und erhellend. Insgesamt also ein sehr gutes Werk und ein erfreulicher Einstieg in die erste Auflage.

Was mir persönlich fehlt, sind Stichworte (sowohl insgesamt als auch im Sachverzeichnis) zum Gewaltschutz, bspw. zu Beleidigung, Stalking, Körperverletzung, den daraus resultierenden Ansprüchen und möglichen prozessualen Auswirkungen. Da darf die zweite Auflage gerne nachlegen.


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