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Rezension: MüKo BGB - WEG nF

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Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 8a, WEG nF, 8. Auflage, C.H. Beck 2021

Von Rechtsanwalt / Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Wilfried J. Köhler, Köln

Im Mai 2021 erschien im Rahmen des Großkommentars „Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch“ der Band 8a zum neuen Wohnungseigentumsgesetz. Das durch das WEMoG geänderte Wohnungseigentumsgesetz ist in 2020 in Kraft getreten.

Dieser Band des Großkommentars kann allein bezogen werden, was für die auf Wohnungseigentumsrecht fokussierte rechtsanwaltliche Interessengruppe wichtig und interessant ist; mitunter werden aus dem Gesamtwerk Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch nicht alle Bände benötigen.

Kommentatoren des Bandes 8a sind Alice Burgmair, Johannes Hogenschurz, Alexander Krafka, Burkhard Rüscher, Johannes Scheller, Dominik Skauradszun und Frank Zschieschack. Das Sachverzeichnis bearbeitete Reiner Lemke. Das Werk umfasst ca. 570 Seiten und ist auf dem Stand vom Dezember 2020.

Krafka beschreibt in der sehr gestrafften Einleitung die Entwicklung des Wohnungseigentumsrechts bis zum WEMoG. Krafka greift bei den vorgenommenen Änderungen offensichtlich auf die Begründungen im parlamentarischen Verfahren zurück und hebt als „Schwerpunkt“ der Änderungen die „Erweiterung der Rechte der Wohnungseigentümer, vor allem durch Aufnahme eines Rechts auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen“ hervor und„die Verminderung des Streitpotentials“ (WEG Einl. Rn. 11a). Beides ist nach meiner Auffassung eine etwas vorschnelle Kennzeichnung.

Das Recht auf Einsichtnahme ist keine neue Erfindung des WEMoG-Gesetzgebers, denn dieses Recht war von der bisherigen Rechtsprechung schon festgeschrieben worden (vgl. nur BGH, Urt. v. 11.2.2011 – V ZR 66/10, NJW 2011, 1137, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Auf dieses schon früher bestehende Recht weist auch Rüscher in seiner Kommentierung hin (§ 18 Rn. 139). Neu ist lediglich, dass der Anspruch sich nicht mehr gegen den WEG-Verwalter richtet, sondern gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das aber erweitert gerade nicht die Rechte der einzelnen Wohnungseigentümer, sondern schwächt deren Rechte erheblich, weil sie nämlich einen deutlich umständlicheren, langwierigeren und kostenträchtigeren Weg beschreiten müssen, um Einsicht zu gelangen (nur ansatzweise der Durchsetzungsweg: Einsichts-Antrag an den Verwalter als Vertreter des Verbandes, möglicherweise Antrag an die Eigentümerversammlung, wenn der Verwalter „für die Gemeinschaft“ die Einsicht verweigert, möglicherweise Klage gegen die Gemeinschaft bei deren Weigerung usw. – weitere Einzelheiten bei Köhler, GE 2021, 95 ff).

Auch die „Verminderung des Streitpotentials“ ist m.E. ein frommer Wunsch des Gesetzgebers, der sich aber wohl kaum erfüllen wird. Es wird sich schon bald zeigen, dass das neue Gesetz so viele Ungereimtheiten, Unstimmigkeiten, Regelungslücken und Regelungswidersprüche enthält, dass die Gerichte diese erst einmal klären müssen – wodurch die Gerichte erheblich belastet sein werden. Man mag sich als Beispiel nur die Entscheidung des BGH vom 7.5.2021 – V ZR 299/19, ansehen, in der der Senat über die fortbestehende Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers befunden hat und von einer „planwidrigen Regelungslücke“ im neuen Wohnungseigentumsgesetz spricht. Nicht gerade eine positive Bewertung für den Gesetzgeber.

In seiner Einleitung geht Krafka sehr instruktiv auf die Dogmatik des Wohnungseigentums ein und erläutert kurz – aber unter Nennung weiterführender Literatur – die dem WEG ähnlichen Eigentumskonstruktionen in Europa.

 

Burgmairbeschäftigt sich im Rahmen der Kommentierung des § 9b WEG mit der Vertretungsmacht des Verwalters für die Gemeinschaft der Eigentümer und weist darauf hin, dass der Rechtsverkehr sich auf eine umfassende Vertretungsmacht des von der Gemeinschaft bestellten Verwalters verlassen könne (§ 9b Rn. 17). Ausreichend sei, dass die Verwalterstellung nachgewiesen werde. M.E. ist aber der Nachweis der Verwalterstellung auch unbedingt erforderlich. Dieser Nachweis bekommt gerade bei der Zurückweisungsbefugnis nach § 174 BGB erhebliche Bedeutung. Burgmairerwähnt zwar zu Recht, dass ein öffentliches Verwalterregister nicht eingeführt wurde (§ 9b Rn. 17), zieht aber in der Rn. 19 keinen konsequenten Schluss. Sie meint nämlich, Vertragspartner einer Eigentümergemeinschaft hätten keine Zurückweisungsbefugnis bei einseitigen Rechtsgeschäften, weil der Verwalter „gesetzliches Organ“ der Gemeinschaft sei und eine „Ungewissheit über den Umfang der Vertretungsmacht des Verwalters ausgeschlossen“ sei (Rn. 19). Eine Ungewissheit über den Vertretungsumfangbesteht zwar nicht, es kann aber immer noch eine Ungewissheit darüber bestehen, ob der auftretende und eine Erklärung abgebende Verwalter auch der tatsächlich bestellte Verwalter der Gemeinschaft ist. Deshalb kann also weiterhin eine einseitige Willenserklärung zurückgewiesen werden, wenn der Verwalter mit seiner Willenserklärung nicht gleichzeitig seine Verwalterstellung ordnungsgemäß nachweist (vgl. zu diesem Problem auch BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 147/19, BAGE 169, 38 - 58; sowie Köhler, MietRB 2021, 93 ff).

 

Burgmairkommentiert auch den § 10 WEG – Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander – und beschreibt dort schlagwortartig „einzelne Regelungsmaterien“ (Rn. 16). Das ist eine sinn- und wertvolle Zusammenstellung von Gegenständen, die, so Burgmair, typischerweise in Gemeinschaftsordnungengeregelt werden. Zu mehreren Stichpunkten muss ich jedoch kritische Anmerkungen machen.

Burgmairspricht „Geldstrafen“ an, die in einer Gemeinschaftsordnung vereinbart werden können und nimmt auf die Entscheidung des BayObLG vom 10.10.1985 (2 Z 2/85, BayObLGZ 1985, 345) und auf Staudinger/Kreuzer(2018), § 10 Rn. 157, Bezug. M.E. reichen diese Hinweise für die weitere Recherche zu diesem Thema nicht aus. Es hätten Hinweise auf weitere Quellen zu „Vereinsstrafen“ erfolgen müssen, um eine solche handelt es sich nämlich. So z.B. auf: Schmid, Vertragsstrafen im Wohnungseigentumsrecht, ZWE 2011, 347; BayObLG, Beschl. v. 24.11.1959 – 2 Z 164/59, BayObLGZ 1959, 457; BGH, Urt. v. 22.3.2019 – V ZR 105/18, MDR 2019, 659 = ZWE 2019, 282; Anm. Hogenschurz, IMR 2019, 244. Erst solche Quellen erschließen die Tiefe des Problems.

Beim „Konkurrenzverbot“ verweist Burgmairauf die Entscheidung des BayObLG vom 11.1.1982 (2 Z 96/80, BayObLGZ 1982, 1); dort ging es um eine Zweckbestimmung in einer Gemeinschaftsordnung und den verwendeten Begriff „Geschäftsräume“. In der zitierten Entscheidung wird aber nur am Rande von einer möglichen Aufnahme in die Gemeinschaftsordnung gesprochen (BayObLGZ 1982, 7): „Warum das andere Teilerbbaurecht von vornherein als „Gaststätte” bezeichnet wurde, ist aus den Grundbucherklärungen nicht zu ersehen, ebenso auch nicht, dass in dem Teilerbbaurecht „Geschäftsräume” etwa aus Konkurrenzschutzgründenoder zum Schutz der Wohnungsinhaber unter keinen Umständen eine Gaststätte betrieben werden dürfe. Eine Konkurrenzklauselhätte ihren Platz in der Gemeinschaftsordnung gehabt, wurde aber in diese nicht aufgenommen.“ Erst in der Entscheidung vom 27.9.1989 (2 Z 45/89, BeckRS 1989, 05885) spricht sich das BayObLG explizit für die Zulässigkeit einer Konkurrenzklausel in der Gemeinschaftsordnung aus.

Bei „Versicherungen“ vertritt Burgmair– leider ohne weiteren Nachweis – die Auffassung, dass ein Sondereigentümer durch die Gemeinschaftsordnung dazu verpflichtet werden kann, sein Sondereigentum gegen bestimmte Risiken zu versichern. Zwar hatte das OLG Braunschweig vor langer Zeit entschieden (3.5.1966 – 2 W 10/66, OLGZ 1966, 571), dass ein Eigentümer durch Beschluss dazu angehalten werden kann, eine Gewässerschadenhaftpflichtversicherung für seinen Öltank abzuschließen – dazu hat aber die Eigentümergemeinschaft (entgegen früher vereinzelt vertretener Literaturauffassung) keinerlei Beschlusskompetenz. Es sind aber auch Zweifel angebracht, dass durch die Gemeinschaftsordnung in die ausschließlichen Rechte der Sondereigentümer eingegriffen werden kann. Die Eigentümergemeinschaft kann zwar im gemeinschaftlichen Interesse selbst Risiken (Gebäude- und Haftpflichtrisiken) absichern, die vom Sondereigentum ausgehen oder mit diesem zusammenhängen, und bei nichtversicherten und vom Sondereigentum ausgelösten Schäden u.U. Regress bei dem Sondereigentümer nehmen. Aber die Gemeinschaft kann einen Eigentümer auch über die Gemeinschaftsordnung nicht zwingen, seine aus dem Sondereigentum herrührenden Risiken gesondert zu versichern.

Burgmairspricht in ihrer Zusammenstellung (Rn. 16 a.E.) auch den durchaus wichtigen, aber umstrittenen Punkt „Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen Wohngeldes“ an. Eine Verpflichtung in der Gemeinschaftsordnung zur Erklärung eines Schuldanerkenntnisses mit Unterwerfung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO sei zulässig, wenn sie betragsmäßig beziffert ist. Eine solche Klausel in einer Gemeinschaftsordnung ist aber wohl nur ganz beschränkt wirksam, worauf auch Staudinger/Kreuzer (2018), § 10 Rn. 155, hinweist. Die von Burgmairzitierte Entscheidung des Kammergerichts vom 20.6.1997 (24 W 661/97, ZMR 1997, 664 = NJW-RR 1997, 1304) scheint mir (schon aufgrund der Reform des WEG in 2007 und der damit zusammenhängenden Umgestaltung des § 10 ZVG) nicht mehr ohne Einschränkungen aktuell zu sein (vgl. zur Problematik im Zusammenhang mit § 10 ZVG: Schneider, NotBZ 2013, 249, und Becker,MietRB 2014, 282).

 

Krafkakommentiert die Veräußerungsbeschränkung(§ 12 WEG) sehr prägnant und bietet einen schnellen Überblick über die Problematik. An einer Stelle hat die aktuelle Rechtsprechung des BGH die Kommentierung allerdings überholt. In Rn. 25 beschäftigt sich Krafka mit der Pflicht zur Vorlage des Erwerbsvertrages und meint im Ergebnis, dass „keine Gründe [gegen die Vertragsvorlage] ersichtlich“ seien, weil es um den „Schutz der Gemeinschaft“ gehe. Das war bis zur Entscheidung des BGH vom 25.9.2020 eine durchaus vertretbare Auffassung. Der BGH hat aber nunmehr in seiner Entscheidung vom 25.9.2020 (V ZR 300/18, veröffentlicht auf der Web-Seite des BGH am 9.12.2020) eine klare Position zu dieser Frage bezogen und die Vorlage eines Miet- oder Erwerbsvertrages nicht als notwendig angesehen. M.E. ist dies auch richtig (siehe dazu meineAnmerkung in ZWE 2021, 123 ff).

 

§ 18 Abs. 1 WEG weist die „Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ allein dem Verband – Gemeinschaft der Wohnungseigentümer – zu. Sehr eingängig werden von Rüscher die damit zusammenhängenden Fragen geschildert und dem Leser tiefgehende Erkenntnisse vermittelt. Ein wichtiges von Rüscher in diesem Zusammenhang erörtertes Thema ist die Frage, wer Ansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verfolgen kann und – für anhängige Verfahren sehr bedeutend – welche Auswirkungen die neuen gesetzlichen Regelungen auf „Altverfahren“ haben (§ 18 Rn. 125). Es gibt nämlich unzählige anhängige Verfahren, die einzelne Wohnungseigentümer wegen gemeinschaftsbezogener Ansprüche lange vor dem Inkrafttreten des WEMoG eingeleitet haben. Nach der alten Rechtslage waren diese Verfahren zulässig, jetzt aber stellt sich die Frage, wie mit solchen Verfahren umgegangen werden muss – insbesondere, ob der klagende Wohnungseigentümer das Verfahren weiter betreiben darf. Zu Recht weist Rüscher darauf hin, dass es für solche Fälle im Gesetz keine Übergangsvorschriften gibt. Rüscher hat zwei Alternativen für die Verfahrensführung angeboten: Erledigungserklärung durch den klagenden Eigentümer oder Übernahme des Verfahrens durch den Verband. Hierzu hat nunmehr der BGH rechtzeitig entschieden, bevor gravierende anwaltliche Fehler durch vorschnelle Erledigungserklärungen eintreten konnten. In seiner Entscheidung vom 7.5.2021 – V ZR 299/19 – hat der BGH deutlich gemacht, „dass für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs (z.B. Verwalter) über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird“. Die erste Alternative von Rüscher– Erledigungserklärung, verbunden mit den bekannten prozessualen Folgen – ist deshalb obsolet. Die zweite Alternative, die Rüscher anbietet – Übernahme durch den Verband – verknüpft er mit der Aussage, dass der klagende Eigentümer hierauf keinen Anspruch hat. Grundsätzlich ist dies richtig, allerdings stellt sich die Frage, ob die Nichtübernahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht und ob das der Gemeinschaft zuzubilligende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wird. Rüschers sehr erhellende Ausführungen (Rn. 127 ff) zum grundsätzlichen Ermessen bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums können auch bei der soeben angesprochenen Frage eine wertvolle Hilfestellung sein.

 

Hogenschurzkommentiert die §§ 23 – 25 WEG. Besonders interessant ist bei seiner Kommentierung – selbstverständlich – die Behandlung der neuen Möglichkeiten, eine Eigentümerversammlung unter Einbeziehung elektronischer Kommunikation durchzuführen (§ 23 Rn. 30 ff). Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf (BT-DrS 19/18791 vom 27.04.2020) beklagt, dass „die Chancen der Digitalisierung“ bislang bei der Verwaltung von Wohnungseigentum kaum genutzt würden (BT-DrS 19/18791, Seite 1); auf Seite 28 der Begründung wird dann auch noch ausgeführt: „Der Entwurf öffnet das Wohnungseigentumsrecht für die Möglichkeiten der Digitalisierung. Das gilt zum einen für die Wohnungseigentümerversammlung. Denn das geltende Recht sieht nur eine Teilnahme an der Versammlung durch persönliche Anwesenheit vor.“

Von wohltönenden politischen Äußerungen in der Gesetzesbegründung darf man sich nicht blenden lassen. Betrachtet man nämlich das gesetzgeberische Endergebnis, kann man sich nur Quintus Horatius Flaccus (gen. Horaz) anschließen: "Es kreißen die Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen." Der Gesetzgeber hat tatsächlich nur ein Mäuschen zur Welt gebracht – und für die Digitalisierung nur ein kleines Türchen geöffnet.

Hogenschurzbeschäftigt sich intensiv mit dem auf die Welt gekommenen Mäuschen – selbstverständlich, ohne Horaz zu zitieren – und begrüßt zwar die Möglichkeit, dass Wohnungseigentümer nunmehr ohne körperliche Anwesenheit im Wege der Bild- und/oder Tonübertragung an einer Eigentümerversammlung teilnehmen könnten (§ 23, Rn. 30). Er weist aber auch – zu Recht – auf zwei Gefahren hin: Ein für die übrigen Eigentümer nicht zu sehender Berater könnte den Fernteilnehmer bei der Sitzung unterstützen oder die Sitzung könnte unzulässiger Weise aufgezeichnet werden – beides verstieße gegen den „Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung“.

Nicht nur nebenbei bemerkt – eine unerlaubte Tonaufnahme könnte auch den Tatbestand des § 201 StGB erfüllen.

Hogenschurzspricht (unter Verweis auf Greger, MDR 2020, 957 ff, der sich wiederum auf die 2012 veröffentlichte Dissertation von Glunz, Psychologische Effekte beim gerichtlichen Einsatz von Videotechnik, stützt) das interessante Thema „Asymmetrie der Wahrnehmung“ bei einer Videokommunikation an. Es beschreibt, wie die Wahrnehmungsunterschiede zwischen der Präsenz-Kommunikation und der „virtuellen“ Kommunikation entstehen und – vor allem – dass der virtuell Teilnehmende wohl nur einen Ausschnitt des realen Vorgangs wahrnimmt (Greger, MDR 2020, S. 958, Rn. 6).

Das ist ein bisher wenig bekanntes, aber auch für beratende Juristen durchaus wichtiges Thema. Bei der Lektüre der Ausführungen von Hogenschurzwird nämlich bewusst, dass die „Asymmetrie der Wahrnehmung“ zu einer Gefährdung des Meinungsaustauschs bei der virtuellen Kommunikation führen kann – und damit auch zu Auseinandersetzungen innerhalb der Eigentümergemeinschaft. Ob solche Auseinandersetzungen zu erfolgreichen gerichtlichen Angriffen von Wohnungseigentümern führen, ist eigentlich unerheblich – schon die möglichen Diskussionen zwischen den Eigentümern und/oder zwischen Eigentümern und Verwaltern können zu unerwünschten Reibungspunkten führen, die beratende Juristen in ihrer Beratungspraxis berücksichtigen sollten.

Eine reine Online-Versammlung, darauf weist Hogenschurzebenfalls hin (§ 23, Rn. 31), ist auch nach der gesetzlichen Neuregelung durch Beschluss nicht einführbar, denn die Mehrheit kann und darf nicht über das auf eine Präsenzveranstaltung gerichtete Teilnahme-Recht des einzelnen Wohnungseigentümers befinden. Beschlüsse, die ein Teilnahme-Verbot für Präsenzveranstaltungen beinhalten, sind nichtig.

Betrachtet man die Neuregelungen, wird erkennbar, dass der Gesetzgeber sich gescheut hat, moderne Kommunikations- und Übertragungsmöglichkeiten in vollem Umfang für Wohnungseigentümergemeinschaften zu schaffen und zu gestalten. Die Möglichkeit, durch Beschluss festzulegen, ob sämtliche oder einzelne Rechte der Wohnungseigentümer im Wege der elektronischen Kommunikation ausgeübt werden können, ist nur das bereits erwähnte gesetzgeberische „Mäuschen“.

 

Meine Gesamtbewertung:

Der Band 8a des Münchener Kommentars zum Bürgerlichen Gesetzbuch konnte hier selbstverständlich nicht in allen Einzelheiten besprochen werden, er steht aber – das kann ich ohne Vorbehalt und trotz vernachlässigbarer kleinerer Kritikpunkte feststellen – in der guten Tradition des Gesamtwerks, einen umfassenden, präzisen und schnellen Eindruck von den gesetzlichen Regelungen zu verschaffen. Die von mir hier nicht gesondert behandelten Kommentierungen der neuen gesetzlichen Regelungen bestätigten bei meiner Lektüre den sehr positiven Eindruck, den ich von dem Werk gewonnen habe. Für die wohnungseigentumsrechtliche Praxis ist der Kommentar auf jeden Fall zu empfehlen. In Kanzleien, die auf Wohnungseigentumsrecht ausgerichtet sind, sollte er keinesfalls fehlen.


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