Göhler, OWiG, 18. Auflage, C.H. Beck 2021
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Nach wenigen Jahren ist der Göhler nun wieder in einer Neuauflage erschienen und wartet mit einem weiteren Bearbeiterwechsel auf: anstelle von Gürtler bearbeitet nun Thoma dessen bisherigen Bereich, sodass der Göhler weiterhin seinem Ruf als Ministeriumskommentar gerecht wird. Über 1600 Seiten inklusive Verzeichnissen (allerdings auch mit zahlreichen unkommentierten weiteren Gesetzen, deren Abdrucks man in Zeiten der Internetrecherche eigentlich nicht mehr bedürfte) harren der Lektüre durch die Rechtsanwender. Im Vergleich zur Vorauflage mussten v.a. die Kommentierungen zum Einziehungsverfahren nach § 29a und zur elektronischen Aktenführung angepasst werden, aber auch die heterogene Rechtsprechung zu Details des standardisierten Messverfahrens musste rezipiert werden. Der Gesamtblick auf das Bußgeldrecht, der schon immer ein Markenzeichen dieses Werks war, ermöglicht es aber auch, eher unbeachtete Änderungen studieren zu können, wenn bspw. in §§ 49a-c die Auswirkungen des neu gestalteten (europäischen und deutschen) Datenschutzrechts verarbeitet werden.
Gerade die Kommentierung des § 29a darf als sehr gelungen bezeichnet werden. Die dargestellten Parallelen zum StGB und vor allem die sinnvollen Beispiele erleichtern das Verständnis für die Norm erheblich, vor allem wenn es um die Frage des Abzugs von Aufwendungen (Rn. 10 ff.) oder die Anwendung des Opportunitätsprinzips mangels einer Härtefallregelung (Rn. 24) geht.
Die Gestaltung des Kommentars hat weiterhin Verbesserungspotential, gerade was die Mischung aus Nachweisen sowohl im Fließtext als auch in echten Fußnoten angeht, was das dichte Schriftbild betrifft und wenn man die Binnenordnung von teilweise über die Jahre gewachsenen, aber dennoch (oder gerade deswegen) einer Neuordnung durchaus zugänglichen Kommentierungen einzelner Paragraphen betrachtet. Gerade Letzteres ist aber eine echte Mammutaufgabe und die neuen Bearbeiter brauchen da auch erst einmal eine gewisse Einarbeitungszeit.
Inhaltlich fällt manchmal auf, dass viele Diskussionen aufgegriffen werden, aber vereinzelt in ihrer Aktualiät etwas hinterherhinken, immerhin mit einer recht klaren und betroffenenfreundlichen Positionierung (z.B. § 60 Rn. 49a: erweitertes Akteneinsichtsrecht). Generell würde man sich an mancher Stelle eine Auffrischung von Fundstellen wünschen. Auch erfolgt mitunter eine Positionierung der Autoren, die nicht weiter dogmatisch begründet wird (gesehen z.B. bei § 33 oder § 47). Das ist nicht weiter schlimm, denn ein Kommentar darf auch einmal nur Stellung nehmen. Aber man sollte es in einer Fachdiskussion oder bei Zitierung in einer Gerichtsentscheidung dann eben nicht als gegen andere Entscheidungen belastbare Fundstelle werten, sondern eben als das, was es ist: eine Meinung.
Durch zahlreiche Einleitungen vor großen Abschnitten gelingt es den Autoren, nicht nur das Normengefüge zu erläutern, sondern auch ein großes Gesamtbild des Bußgeldrechts zu zeichnen, was auch rechtspolitische und internationale Aspekte mit einfließen lässt. Zudem wird so der Blick auf die Verknüpfungen zur StPO, zum Verwaltungs- und auch zum Verfassungsrecht geschärft, was wiederum dem kundigen Rechtsanwender einen wichtigen Rückbezug zu § 47 OWiG ermöglicht.
Eine weitere Stärke des Kommentars ist zudem, dass das gesamte Verfahrensrecht, also auch abseits der Hauptverhandlung, ebenbürtig ausgearbeitet wird. Die Erläuterungen zur Vollstreckung des Bußgeldbescheides (§ 90) erfassen so z.B. auch mittelbare und unmittelbare Nebenfolgen, aber auch das selten bekannte gerichtliche Verfahren nach § 103 zur Geltendmachung von Vollstreckungshindernissen wird ausführlich dargestellt.
Auch in der Neuauflage bleibt das Fazit, das schon zur Vorauflagegetroffen wurde, gleich: der Göhler ist im Bußgeldrecht unverzichtbar, sowohl für den Erstzugriff, für die Absicherung gefundener Erkenntnisse oder auch zur Vertiefung vorhandenen Wissens. Es ist kein reiner Praktikerkommentar, was sich aber bei der Recherche eher positiv auswirkt: Denn auf diese Weise bleibt die ganzheitliche Sicht auf die Materie bei der Lektüre gewahrt.