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Rezension: Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe

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Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, 6. Auflage, Gieseking 2021

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

 


Nach knapp fünf Jahren ist das opulente Werk von Zimmermann zum Kostenhilferecht in sechster Auflage erschienen. Es hat den bisherigen Umfang eingehalten und bietet auf knapp 450 Seiten inklusive Verzeichnissen eine gute Mischung aus notwendiger Detailtiefe und überschaubarem zeitlichem Lektüreaufwand. Letzteres vor allem deshalb, weil die Gestaltung des Buches sehr lesefreundlich ist und einen echten und umfangreichen Fußnotenapparat, fett gedruckte Leitwörter, zahlreiche Beispiele und Berechnungen und ein belastbares internes Verweisungssystem zur Verfügung stellt. Fünf Anhänge komplettieren die Ausführungen. Einzelne Verfeinerungen bei den genannten Verweisungen oder manche Ergänzung im Stichwortverzeichnis wären dabei wünschenswert, aber sind unbedeutend für den höchst positiven Gesamteindruck.

Der erste große Schwerpunkt besteht in der Berechnung der erforderlichen Bedürftigkeit des Antragstellers, also der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse, der Abzüge und der Werthaltigkeit des Vermögens. Hiernach werden Erfolgsaussichten und Mutwilligkeit geprüft, stets mit lehrreichen alphabetisch geordneten Einzelbeispielen. Ein weiterer Schwerpunkt findet sich dann im Verfahren vom Antrag bis hin zur gerichtlichen Entscheidung, wiederum differenziert nach den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten bis hin zur Zwangsvollstreckung. Ein großer Abschnitt thematisiert Änderung, Ermäßigung oder Aufhebung der Entscheidung, womit auch für Rechtspfleger eine hohe Nutzbarkeit des Werks gesichert ist. Es folgt die bereits erwähnte Zusammenstellung der verschiedenen Ansprüche, bevor dann am Ende Beschwerde und die Anwendung der Kostenhilfe im Rechtsmittelverfahren behandelt werden.

In insgesamt 25 Kapiteln wird die Materie damit aus ganz verschiedenen Blickwinkeln abgebildet. So werden den Lesern nicht nur die rechtlichen Grundlagen für die Prüfung von Ansprüchen und die anschließende Anwendung im Verfahren dargeboten, sondern darüber hinaus erhält man Stück für Stück auch eine hinreichende Übersicht über die verschiedenen denkbaren Ansprüche der Verfahrensbeteiligten, also Staatskasse, Antragsteller, Gegner und Anwalt. So kann auch die enorme wirtschaftliche Bedeutung des Kostenhilferechts zum Tragen kommen. Familienrechtliche Belange, das heißt das Kostenhilferecht nach dem FamFG in Form von VKH, werden nach wie vor gleichberechtigt positioniert und innerhalb des Buches und der einzelnen Kapitel an geeigneter Stelle herausgehoben.

Praktisch bedeutsame Fragen, etwa ob man im PKH-Verfahren Vergleiche schließen kann und ob hierfür bereits PKH bewilligt werden kann (S. 287 ff.) oder ob Kindergeld als Einkommen zählt (S. 42 f.), werden unter der Benennung verschiedener Meinungen aufgezeigt und mit Lösungsvorschlägen präsentiert, wobei der BGH graphisch stets besonders hervorgehoben wird. Zudem, und das ist eine der großen Stärken des Buches, beantwortet Zimmermann aufkommende Fragen konsequent bis zum Ende, was in diesem Fall eben auch heißt, dass zwar der Vergleichsschluss kostenhilfefähig ist (nach BGH), nicht aber die Verfahrens- und Terminsgebühr, die der Mandant dann dem Anwalt schuldet. Hierüber muss also aufgeklärt werden. Dabei kann es durchaus passieren, immerhin ist Zimmermann seit Jahrzehnten Autor und kann dementsprechend seine eigenen Ansichten profund vermitteln, dass in einzelnen Kapiteln auch gegen den BGH argumentiert wird (z.B. S. 27: Antrag in Prozessstandschaft für das Kind). Dies wird dann aber deutlich hervorgehoben und der Rechtsanwender muss für seinen jeweiligen Einzelfall eine eigene Abwägung treffen.

Diesmal habe ich mir u.a. das Unterkapitel zur Erweiterung der PKH angesehen (Rn. 377 ff.). Dabei wird gerade beim wichtigen Unterthema „Vergleich“ für verschiedene Fallgestaltungen aufgezeigt, wie die Parteien agieren können. Die Stichworte „Mehrvergleich“ oder auch „außergerichtlicher Vergleich“ werden in Bezug zu den anfallenden Gebühren gesetzt und entsprechender Handlungsbedarf aufgezeigt.

Das Lehrbuch bietet mehr als Einzelfragen für konkret zu entscheidende Fälle, nämlich zusätzlich die Darstellung struktureller und systematischer Zusammenhänge und Abgrenzungen, kombiniert mit konkreter rechnerischer Anwendung. Es ist ideal auch für Berufseinsteiger und in der Praxis eine belastbare Alternative zu Kommentaren.


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