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Rezension: SGB I

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Krahmer / Trenk – Hinterberger (Hrsg.), Sozialgesetzbuch I, 4 Auflage, Nomos 2020

Von RAin, Fachanwältin für Sozialrecht Marianne Schörnig, Düsseldorf



Die Kommentierung zum Sozialgesetzbuch I – Allgemeiner Teil, erscheint in der mittlerweile 4. Auflage. Seit der letzten Auflage – die hierebenfalls besprochen wurde – sind vier Jahre vergangen. An den bibliographischen Daten hat sich nichts geändert: Herausgeber sind nach wie vor Krahmer / Trenk-Hinterberger; der Lehr- und Praxiskommentar erscheint im Nomos-Verlag. Stand der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur ist Juli 2019. Das Werk umfasst 774 Seiten. Der Aufbau gliedert sich in Vorwort, Bearbeiter-, Inhalts-, Abkürzungs- und Literaturverzeichnis, Einführung und Kommentierung.

An verschiedenen Stellen wird aufgrund der ständig wachsenden Verbundenheit mit europäischem Recht auf die europäischen sozialen Grundrechte eingegangen. Dem Leser muss allerdings der Aufbau des SGB I schon vor der Lektüre des Kommentars bekannt sein, denn aus sich heraus erschließt sich nicht, warum diese Grundrechte gleichsam mitten in der Kommentierung und nicht im Anhang besprochen werden.

Gleiches gilt für „Europäisches Wettbewerbs- Beihilfe- und Vergaberecht“, das im Anhang zu § 17 abgedruckt ist. Gut, § 17 SGB I behandelt die Ausführung der Sozialleistungen, wobei ursprünglich nur an deutsche Sozialleistungen und Wettbewerber gedacht wurde. Dass im Zuge der Europäisierung auch eine europaweit übergreifende Ausschreibung erfolgen könnte, konnte sich damals niemand vorstellen. Das ändert allerdings nichts daran, dass es hier um die Kommentierung eines innerstaatlichen Gesetzes geht. Eine Kommentierung dreht sich zu allererst um den Text, der im Buch steht und der kommentiert wird. Erst später (eben im Anhang) folgt der Verweis auf andere Quellen oder Fundstellen. Das muss ganz besonders hier gelten, wo es in beiden Fällen um die Querverbindungen von Deutschem Sozialrecht und europäischem Sozialrecht geht. Einheitlich „aus einem Guss“ kommentiert wäre es besser aufgehoben gewesen. Und überspitzt formuliert könnte man kontern: Wenn es mit Europa so weitergeht, dann ist der Anhang überflüssig.

Genauso ist es bzgl. § 30: Hier wird koordiniertes Sozialrecht der EU: Entterritorialisierung von Sozialleistungen behandelt. Zusätzlich wird die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dargestellt. Nochmal: Das hätte alles zusammengefasst in einen einheitlichen Anhang gepasst.

Seit Jahren nimmt die elektronische Kommunikation in der Gerichtsbarkeit zu. In der Kommentierung zu § 36a wird erst richtig deutlich, wie sehr die Verwaltung hinterherhinkt, in dem sie schlichtweg formell wirksame Rechtsbehelfe auf elektronischem Weg ablehnt.

M. E. ein wenig "dünn" kommentiert sind die §§ 42. ff. (Vorschüsse, vorläufige Leistungen etc.).Diese Paragraphen gelten für alle Sozialrechtsgebiete, doch gerade im Bereich des Rechts der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende setzen sich die Sozialleistungsträger häufig darüber hinweg. Fast hat es den Anschein, als wären diese Vorschriften unbekannt.

Den Schluss bilden Vorschriften zur Mitwirkungspflicht und zu den Grenzen der Mitwirkung. Wenn auch das SGB I die "Basis" allen Sozialrechts bildet, so haben diese Paragraphen doch die meisten praktischen Auswirkungen. Hier hätte ich mir mehr Rechtsprechung und weniger Literatur in den Fundstellen gewünscht. Andererseits hätte eine umfassende Kommentierung dieser Stellen den Umgang des Buches gesprengt. So bleibt dem Praktiker, sich immer wieder die Grundsätze dieser Vorschriften und die Kommentierung hierzu durchzulesen. Das ist der größte Verdienst dieses soliden Kommentars.


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