Simitis / Hornung / Spiecker, Datenschutzrecht – DSGVO mit BDSG, 1. Auflage, Nomos 2019
Von RLG Dr. Reto Mantz, Frankfurt
Relativ spät – jedenfalls im Vergleich zu anderen Werken – ist nun auch der Nachfolger des Simitis, BDSG (zuletzt 8. Aufl. 2014), erschienen. Er tritt nunmehr ein in den von einer Vielzahl von Kommentaren und Handbüchern geprägten Markt, wobei andere Werke bereits in 2. oder sogar 3. Auflage vorliegen. Dadurch hat das Werk jedoch auch einen gewissen Aktualitätsvorteil, zumal sich im Bereich des Datenschutzrechts derzeit extrem viel tut.
Das Werk wird nunmehr herausgegeben von Prof. Spiros Simitis, Prof. Gerrit Hornung und Prof. Spiecker gen. Döhmann und tritt auch nach dem äußeren Erscheinungsbild offenkundig die Nachfolge des bisher mit Fug und Recht als Standardwerk zu bezeichnenden BDSG-Kommentars von Simitis an. Die Anzahl der Bearbeiter hat sich gegenüber dem Vorwerk verdoppelt, insgesamt werden die Artikel der DSGVO und die Regelungen des BDSG von nunmehr 20 Autoren kommentiert. Insoweit besteht zumindest teilweise personelle Kontinuität. Ebenso wie in der Vorauflage haben Alexander Dix, Eugen Ehemann, Thomas Petri, Philipp Scholz, Achim Seifert und Spiros Simitis an dem neuen Kommentar mitgewirkt. Auch die neuen Bearbeiter sind sämtlich aus dem Bereich des Datenschutzrechts bekannt, z.B. so gewichtige Stimmen wie Jan Philipp Albrecht, Johannes Caspar, Marit Hansen, Alexander Rossnagel und Peter Schantz.
Vom Aufbau her handelt es sich zunächst um einen klassischen DSGVO-Kommentar, der alle Artikel der DSGVO enthält, wobei die DSGVO im vorderen Bereich zunächst vollständig abgedruckt ist. Dem Untertitel „DSGVO mit BDSG“ folgend enthält der Kommentar zusätzlich den Volltext des BDSG nF und umfasst auch eine Bearbeitung der entsprechenden Vorschriften des BDSG nF, aber nicht in Form entsprechender Einzelkommentierungen der §§ des BDSG. Vielmehr werden die entsprechenden Paragraphen des BDSG nF jeweils dort bearbeitet, wo sie im Zusammenhang mit den Regelungen der DSGVO stehen. Um den Zugriff hierauf zu erleichtern enthält das Werk auf S. 1411 ff. ein „Fundstellenverzeichnis BDSG neu“, in dem für alle Paragraphen die entsprechenden – teils vielfachen – Fundstellen der Kommentierungen im Rahmen der Artikel der DSGVO verzeichnet sind.
Der Einzelkommentierung vorangestellt ist eine über 300 Randnummern umfassende Einleitung, die auch die Entwicklung hin zur DSGVO, das Gesetzgebungsverfahren und die Positionen von Kommission, Rat und Parlament darstellt. Hier werden auch andere einfachgesetzliche Datenschutzregeln im Verhältnis zur DSGVO dargestellt, z.B. die JI-Richtlinie mit einer sehr hilfreichen schlagwortartigen Darstellung der Unterschiede zur DSGVO (Einleitung Rn. 217 ff.).
Ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Kommentierungen ist – jedenfalls zum Teil – die konkrete Aufteilung. Zu verweisen ist hier zunächst auf die Kommentierung von Art. 4 DSGVO. Die einzelnen Definitionen haben jeweils nicht nur einen eigenen Abschnitt, sondern ein eigenes Kapitel mit eigener Randnummerierung erhalten (ähnlich auch im Kühling/Buchner, DSGVO). Die Kommentierungen sind dementsprechend umfangreicher als in den meisten anderen Werken.
In ähnlicher Art und Weise sind die Herausgeber mit Art. 6 DSGVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung) verfahren. Statt eine einheitliche Kommentierung des gesamten Art. 6 DSGVO vorzunehmen, haben sich die Herausgeber entschieden, die Bearbeitung auf insgesamt 9 Abschnitte aufzuteilen, eine kurze Einleitung zu Art. 6 DSGVO, dann die vier Absätze von Art. 6 DGVO sowie anschließend vier umfangreiche Anhänge zu den Themen Videoüberwachung (Anhang 1), Datenverarbeitung bei Verbraucherkrediten, Scoring und Bonitätsauskünften (Anhang 2), Datenverarbeitung für Zwecke der Werbung (Anhang 3) und Datenverarbeitung für Zwecke der Markt- und Meinungsforschung (Anhang 4). Auch hier hat dies den Vorteil, dass Spezialbereiche sehr umfangreich und praxisnah dargestellt werden können, so z.B. der von Scholz bearbeitete Anhang 1 zu Art. 6 DSGVO zur Videoüberwachung, der bereits im Simitis, BDSG aF, u.a. § 6b BDSG aF zur Videoüberwachung kommentiert hatte.
Gesondert hervorzuheben ist interessanterweise die Kommentierung einer Definition, nämlich der Pseudonymisierung gemäß Art. 4 Nr. 5 DSGVO (und nebenbei der Anonymisierung), die ganze 57 Randnummern umfasst, bearbeitet von Hansen. Hansen beschränkt sich dabei nicht nur auf die Definition und Analyse der entsprechenden Regelung, sondern gibt umfangreiche und hilfreiche Hinweise aus der Praxis wie z.B. zu Methoden der Pseudonymisierung (Rn. 38 ff.).
Generell geben die Autoren immer wieder teils detailreiche Einblicke in die Praxis. Den Kommentierungen merkt man dabei regelmäßig an, dass die Autoren sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Datenschutzrecht befassen. Mit Jan Philipp Albrecht und Peter Schantz konnten zwei Kommentatoren gewonnen werden konnten, die – aus unterschiedlicher Perspektive – an der Entwicklung der DSGVO beteiligt waren. So hat Jan Philipp Albrecht beispielsweise (u.a.) den einleitenden Abschnitt „Modernisierungsbedarf und Gesetzgebungsverfahren“ erarbeitet und stellt hierbei die unterschiedlichen Entwürfe sowie den Verhandlungsgang dar, was für die spätere Auslegung der Normen von Interesse ist. Schantz wiederum kommentiert u.a. die in der Praxis durchaus bedeutsame Übermittlung von Daten in Drittländer und an internationale Organisationen gemäß Art. 44 ff. DSGVO. Gelungen ist hierbei z.B., wie Schantz ausführlich die Veröffentlichung von Daten im Internet nach der EuGH-Entscheidung „Lindqvist“ sowie deren Folgen nach der DSGVO erarbeitet.
Ebenfalls von großer Relevanz für die Praxis ist die Frage der Datenverarbeitung für Zwecke der Werbung, der Ehmann einen Abschnitt als Anhang zu Art. 6 DSGVO gewidmet hat. Hier sind insbesondere die Ausführungen zur Durchführung der Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO spannend (Anhang 3 zu Art. 6, Rn. 21 ff.). In Übereinstimmung mit der hM und der DSK sieht Ehmann insbesondere die Regelung des § 15 Abs. 3 TMG als von der DSGVO verdrängt an. Später konkretisiert Ehmann in dem Kapitel die Elemente der Interessenabwägung, um anschließend die Anwendung des Abwägungsvorgangs bei praktischen Beispiele aufzuzeigen, nämlich Bestandskundenwerbung, Empfehlungswerbung, nutzungsbasierte Online-Werbung etc.
Insgesamt tritt der Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, erfolgreich in die (großen) Fußstapfen des Simitis, BDSG. Die Kommentierungen sind gelungen und fallen – wie oben dargestellt – insbesondere durch ihre Detailtiefe und die Praxisnähe auf. Obwohl das Werk später erschienen ist als andere, wird es unproblematisch seinen Platz auf dem Schreibtisch der Anwender der DSGVO finden.