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Rezension: Betriebliche Einigungsstelle

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Spengler / Hahn / Pfeiffer (Hrsg.), Betriebliche Einigungsstelle, 2. Auflage, Nomos 2019

Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen


Das von den Herausgebern Bernd Spengler, Dr. Frank Hahn und Gerhard Pfeiffer herausgegebene Handbuch zur betrieblichen Einigungsstelle, erstmals im Jahr 2010 erschienen, liegt nunmehr in der zweiten Auflage vor. Nach neun Jahren war es an der Zeit, das Werk umfassend zu aktualisieren, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der Rechtsprechung sowie neue und geänderte Problemlagen in der Praxis. Als Handbuch behandelt das Werk die „Betriebliche Einigungsstelle“ in einem umfassenden Sinne. So wird zwar das Recht der betrieblichen Einigungsstelle eingehend gewürdigt. Diese werden aber vereint mit Ausführungen zu Verhandlungsstrategien, Methoden und Abläufen, die nicht rein-rechtlich sind, für den Leser aber ungemein gewinnbringend.

Das in zwölf Kapitel gegliederte Werk beginnt mit einem „Allgemeinen Teil“ (§ 1), in dem Tischer und Hahn in die Materie einführen. Hier werden Funktion, gesetzliche Grundlagen und praktische Bedeutung der Einigungsstelle erläutert. Wer schon öfter an Einigungsstellen beteiligt war, wird diesen Teil auch überspringen können. Ist dies indes nicht der Fall, kann sich der Leser an dieser Stelle zunächst mit den Grundlagen vertraut machen. Es schließen sich Ausführungen zur „Anrufung der Einigungsstelle“ (§ 2), zur„Bildung der Einigungsstelle“ (§ 3) sowie zur „Bestellung durch das Arbeitsgericht“ (§ 4) an.

Den inhaltlichen Hauptteil des Werks stellt das Kapitel zum „Verfahren vor der Einigungsstelle“ (§ 5) dar. Hier werden die Grundsätze des Verfahrens erläutert, Fragen der Methodik und des Ablaufs geklärt sowie die Anforderungen im Rahmen der Entscheidungsfindung eingehend dargestellt. Besonders gut gefallen hat mir der Abschnitt über Konfliktlösungsstrategien (§ 5, Rn. 262 ff.). Hier finden sind nicht nur Anregungen für Einigungsstellenvorsitzende, sondern auch für Beteiligte auf allen Seiten. So werden etwa psychologische Wirkungen in Verhandlungen (Rn. 266 ff.) sowie die „neun Eskalationsstufen von Konflikten“(Rn. 269 ff.) aufgegriffen. Hervorzuheben ist die Darstellung von verschiedenen Verhandlungskonzepten, so des Harvard-Konzeptes (Rn. 274 ff.), des Salewski-Modells (Rn. 279 ff.) und des Rationalen Verhandlungsmodells (Rn. 282 f.). Das Harvard-Konzept, maßgeblich geprägt dadurch, „dass Sach- und Beziehungsebene getrennt, Interessen ausgeglichen und Entscheidungsalternativen unter Verwendung neutraler Beurteilungskriterien gesucht und bewertet werden“ (Rn. 274), sowie durch das Ziel der Herstellung einer „Win-Win-Situation“, ist leider in vielen Bereichen noch nicht vollends angekommen. Dabei dürfte in der Praxis eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Grundzügen dieses Konzepts durch die Beteiligten nicht nur viele Einigungsstellenverfahren beschleunigen und zu einer gesteigerten Zufriedenheit auf allen Seiten führen, sondern auch im Übrigen in der Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber einiges erleichtern.

In weiteren Kapiteln widmen sich die Autoren dem „Säumnisverfahren“(§ 6), der „Beendigung des Einigungsstellenverfahrens“ (§ 7) sowie in der gebotenen Kürze der „Haftung der Einigungsstellenmitglieder“(§ 8). Wichtig in der Praxis ist auch die mögliche Überprüfung des Einigungsstellenspruchs, die ebenfalls ausführlich behandelt wird (§ 9).

Nicht fehlen dürfen selbstverständlich auch Ausführungen zu den Kosten des Einigungsstellenverfahrens (§ 10). Spengler und Herbert stellen die einschlägigen Rechtsgrundlagen dar, die sich in § 76a BetrVG finden, und setzen sich sodann mit dem Honorar des Einigungsstellenvorsitzenden (§ 10, Rn. 8 ff.) sowie der Beisitzer (§ 10, Rn. 23 ff.) auseinander. Während betriebsangehörige Beisitzer richtigerwiese keinen Anspruch auf eine Vergütung für ihre Tätigkeit in der Einigungsstelle haben (§ 76a Abs. 2 S. 1 BetrVG), gilt etwas anderes für betriebsfremde Beisitzer (§ 11, Rn. 28 ff.). Auch der oftmals anzutreffende Fall, indem ein Rechtsanwalt die Funktion als Beisitzer ausübt, wird gebührend gewürdigt (§ 11, Rn. 38 ff.). Hinweise zu Ansprüchen auf Ersatz von Sachkosten (§ 11, Rn. 47 ff.) sowie zur ggf. erforderlichen gerichtlichen Geltendmachung von Kosten der Beteiligten (§ 11) vervollständigen die Ausführungen.

Äußerst anregend für die tägliche Praxis ist schließlich die Zusammenstellung von Mustervereinbarungen (§ 12), die mit 150 Seiten rund ein Drittel des Umfangs beansprucht. So finden sich etliche Mustertexte für Betriebsvereinbarungen sowie vielfach Erläuterungen hierzu. Neben den üblichen Mustern zu Sachverhalten, die die Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG betreffen (§ 12, Rn. 49 ff.), finden sich hier auch Anregungen betreffend Schulungs- und Bildungsveranstaltungen des Betriebsrates (§ 12, Rn. 1 ff.), Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern (§ 12, Rn. 17 ff.), Personalfragebögen (§ 12, Rn. 126 ff.) oder Auswahlrichtlinien (§ 12, Rn. 132 ff.). Dabei wird der besondere Fokus des Werks nie aus den Augen verloren. So werden Zuständigkeit und Regelungsbefugnis der Einigungsstelle stets prägnant und im Rahmen der jeweiligen Tatbestände behandelt.

Obgleich der Spengler/Hahn/Pfeiffer erst in zweiter Auflage vorliegt, handelt es sich bereits um ein absolutes Standardwerk. Wem ist das Buch nun zu empfehlen? Wie die Herausgeber bereits im Vorwort zur 1. Auflage erwähnt haben, ist das Werk „für Praktiker aus Anwaltschaft, Richterschaft, Gewerkschaften, Betriebsratsgremien, Personalabteilungen und Verbänden geschrieben“ (S. 6). Ist man als Praktiker an einer Einigungsstelle beteiligt, so kann man dem Buch immer wieder interessante Aspekte abgewinnen. Eine Lektüre „am Stück“ ist zwar möglich, auch die Nutzung als Nachschlagewerk erscheint sinnvoll. Richtig gewinnbringend wird das Werk jedoch erst dann, wenn man – wohl meist im Vorfeld von anstehenden Einigungsstellenverfahren – in dem Werk stöbert, mal hier und mal dort „querliest“. So stößt man immer wieder auf interessante Verhandlungs- und Regelungsansätze, die in der betrieblichen Praxis zielführend und erfolgsversprechend sein können, deren Lektüre man wohl aber nicht gezielt angesteuert hätte. Mit 69 Euro ist der Kaufpreis zudem äußerst moderat und kann sich – durch die gegebenen Ratschläge – in der Praxis schnell amortisieren. Ist man daher mit Einigungsstellenverfahren befasst, sollte der Spengler/Hahn/Pfeifferdringend zu Rate gezogen werden.



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