Saenger, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, Vahlen 2018
Von Gregor Lienemann, München
Unlängst hat mit Karsten Schmidt ein Doyen des Handels- und Gesellschaftsrechts seine Überzeugung erneuert, die (Handels-) Gesellschaften seien gegenüber den Einzelkaufleuten der einfache Fall (JuS 2017, 809). Dass damit schwerlich der Materie Gesellschaftsrecht in complexu ihr Problemreichtum oder gar die Erklärungsbedürftigkeit abgesprochen wurde, verdeutlichen ausladende Lehrbücher wie das vorzustellende Œuvre aus der Feder des Münsteraner Professors Ingo Saenger, das es auf beachtliche 618 Textseiten bringt.
Der Umfang des nunmehr in 4. Auflage erschienenen Werks ist darauf zurückzuführen, dass eine Komprimierung auf die vom Pflichtstoff abgedeckten Rechtsformen nicht stattfindet, sondern vielmehr die nach dem Werktitel zu erwartenden Ausführungen in einen breiteren – wohl primär für Schwerpunktstudierende ertragreichen - wirtschaftsrechtlichen Kontext eingebettet sind.
Dementsprechend bereiten die Teile 1-5 (S. 1-486) detailliert die examenstauglichen Gesellschaftsformen mit europäischen und internationalen Bezügen auf, wobei Saenger die klassische Dichotomie Personengesellschaft – juristische Person (vgl. § 14 BGB) gelungen zu einer Art Trias aufspaltet und so auf die herausgehobene Stellung der Kapitalgesellschaften (insbesondere AG, GmbH, KGaA) im Wirtschaftsleben bereits äußerlich Rücksicht nimmt. Innerhalb der Einzeldarstellungen zu den jeweiligen Rechtsformen begegnen regelmäßig einige Grundkategorien: nach dem Gründungsakt werden die Rechtsverhältnisse nach innen (zB Vertretungssubjekte) und außen (zB Haftung) erläutert, woran sich Ausführungen zu Beendigungstatbeständen anschließen. Angereichert sind die dortigen Problemkreise stets mit kurzen Falllösungen, die eine Anspruchskonstellation punktuell im Gutachtenstil aufbereiten (zB die Nachhaftung aus § 160 HGB, Rn. 302). Hinzu kommen an zentralen Stellen Zusammenfassungen in Gestalt von optisch abgesetzten Prüfungsschemata (zB zur Kommanditistenhaftung, Rn. 360) und vergleichenden Tabellen (zB zu den Vorstufen einer GmbH, Rn. 747). Gerade die Schemata strukturieren das zuvor theoretisch Dargebotene für die Fallbearbeitung und generieren Verbindungslinien zum Bürgerlichen Recht; eine engere Anbindung dieser für den Leser überaus hilfreichen Darstellungsform an den Fließtext – etwa durch Rückverweise – würde etwaige Synergieeffekte noch verfestigen. Im Ganzen ist der Übersichtlichkeit des Werkes damit freilich kein Abbruch getan, wozu auch Passagen in reduzierter Schriftgröße beitragen, die beispielsweise frühere dogmatische Erscheinungen aufgreifen oder vertiefend aus der Rechtsprechung referieren.
Überhaupt kommt es Saenger auf die Einbeziehung wichtiger Judikate aus dem Gesellschaftsrecht an, dessen Fallrechtslastigkeit er eingangs (Vorwort, S.V) betont: ein Anhang (S. 619-642) enthält daher - nach Sachgebieten geordnet - 58 vom BGH entschiedene leading cases, darunter so bahnbrechende Urteile wie das zur Teilrechtsfähigkeit der Außen-GbR (BGHZ 146, 341 – „Weißes Ross“) oder zur Verortung der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB (BGHZ 173, 246 – „Trihotel“). Ergänzt werden die dort vorgestellten Kernaussagen durch eine erschöpfende Chronologie (S. 643-678), welche die Parallelfundstellen von Entscheidungen mit gesellschaftsrechtlichen Berührungspunkten ausweist und dabei verschiedene Spruchkörper vom RG bis zum EuGH verzeichnet.
Doch bedarf es noch einiger Bemerkungen zur den „Spezialthemen“ von Saengers Buch in den Teilen 6-10 (S. 487-618). Gegenstand sind hier zunächst die Transformationsmöglichkeiten nach dem UmwG, welche mit der Unternehmensverbindung im Konzernrecht des AktG korrespondieren. Hiernach werden die Pflichten ordnungsgemäßer Unternehmensführung (§§ 242 ff. HGB), im Besonderen die Erstellung der Jahresabschlussbilanz thematisiert und die steuerrechtlichen Unterschiede zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften vorgestellt. Im Anschluss an einen Ausflug in das kollektive Arbeitsrecht nach dem MitbestG behandelt Saenger abschließend das an Anglizismen reiche Recht des Unternehmenskaufs (asset und share deal als Ausprägungen von § 453 I BGB).
Fazit: Wer ein ansprechend geschriebenes Lehrbuch zum Gesellschaftsrecht sucht, das die vorherrschende Verknüpfung mit dem Handelsrecht gekonnt durch wirtschaftsrechtliche Versatzstücke zu ersetzen vermag, der greife zu Saengers Gesellschaftsrecht. Der Rezensent kann bestätigen, dass man aus der Arbeit mit dem Buch gerade in der Examensvorbereitung reichen Ertrag ziehen kann.