Prütting / Wegen / Weinreich [Hrsg.], BGB Kommentar, 13. Auflage, Luchterhand 2018und
Prütting / Gehrlein [Hrsg.], ZPO Kommentar, 10. Auflage, Luchterhand 2018
Von Rechtsanwalt Marc Becker, Leipzig
1. Einleitung
Kommentare zu BGB und ZPO gehören – unabhängig von den Autoren und Herausgebern – zum Standardrepertoire einer jeden juristischen Bibliothek. Dementsprechend groß ist auch das Angebot an einschlägigen Kommentierungen. Dabei reicht die Bandbreite von kleinen Handkommentaren über die Kompaktkommentare bis hin zu den großen mehrbändigen Werken.
Die beiden vorliegenden Werke sind in die Kategorie der einbändigen Kompaktkommentare einzuordnen. Sie gehen also im Umfang über die kleinen Handkommentare hinaus, erreichen aber nicht den Umfang der mehrbändigen Werke. Für das BGB gilt der „Palandt“ als Standardkommentar in diesem Segment, für die ZPO sind der „Musielak/Voit“ und der „Zöller“ als die Standardwerke anzusehen. Dies soll vorausgeschickt werden, da aus Sicht des Rezensenten gerade in diesem Segment stets eine vergleichende Betrachtung notwendig ist und sich die Kommentare mit den „Platzhirschen“ messen müssen.
Die beiden hier besprochenen Kommentare können jeweils einzeln für 130,00 € (BGB) bzw. 139,00 € (ZPO) oder zusammen als Set für 219,00 € erworben werden.
2. BGB-Kommentar
Der BGB Kommentar wird von Hanns Prütting, Gerhard Wegen und Gerd Weinreich herausgegeben. Das Werk ist in der mittlerweile 13. Auflage erschienen, wobei es jährlich erscheint. Rechtsstand ist aktuell der 1. März 2018. Insgesamt 53 Bearbeiter haben sich der Kommentierung der Normen gewidmet, wobei alle juristischen Professionen vertreten sind.
Wie eingangs bereits dargestellt, muss sich der Kommentar inhaltlich dem Vergleich zum Palandt stellen. Ebenso wie der Palandt umfasst der vorliegende Kommentar nicht nur die Kommentierung des BGB, sondern daneben auch noch Ausführungen zum EGBGB, AGG, GewSchG, LPartG, ProdHaftG, VersAusglG und WEG. Als zusätzlichen „Bonus“ gibt es einen sog. Online-Ergänzungsband. Dieser ist unter www.pww-oe.de (auch ohne Besitz des Werkes) zu erreichen und enthält u.a. die Kommentierungen zum Reisevertrag und Werkvertrag in den jeweils alten Gesetzesfassungen. Zudem sind umfangreiche Vorbemerkungen zu § 241 BGB zu finden. Aus meiner Sicht ein netter Zusatz, insbesondere für diejenigen, die Zugriff auf die ältere Kommentierung der genannten Normen benötigen.
In formaler Hinsicht ist natürlich – aus meiner Sicht – ein erheblicher Mehrwert, dass auf die vom Palandt bekannte Kurzschrift verzichtet wird. Zwar wird sich die Mehrheit der Juristen über Studium, Referendariat und Berufspraxis hinweg ein gewisses Auge für diese Schreibweise geschult haben, dem Lesefluss ist die klassische Schrift dennoch dienlicher. Hinzu kommt, dass nach meinem subjektiven Eindruck die Zitierung von Rechtsprechung in Klammern deutlich zurückhaltender gehandhabt wird und so Sätze nicht durch mehrzeilige Zitate unterbrochen werden. Dies geht – soweit ersichtlich – auch nicht zu Lasten des ordnungsgemäßen Nachweises relevanter Quellen.
Etwas eigentümlich ist, dass – soweit hier nichts übersehen wurde – nur einer Norm ein eigenes Kurzinhaltsverzeichnis vorangestellt wurde (hier: § 823 BGB). Generell sind insbesondere bei sehr ausführlich kommentierten Normen solche Inhaltsverzeichnisse sinnvoll, um auch einen schnellen Zugriff auf die Kommentierung nur einzelner Tatbestandsmerkmale zu ermöglichen. Die unterschiedliche Handhabung könnte vorliegend aus der Vielzahl der Autoren resultieren. Wünschenswert wäre es, zumindest umfangreiche Normen mit einem Inhaltsverzeichnis zu versehen; sollte dies aus Platzgründen nicht möglich sein, sollte jedenfalls eine einheitliche Handhabung erfolgen und ganz auf Kurzinhaltsverzeichnisse verzichtet werden.
Inhaltlich fällt aus Sicht des Arbeitsrechtlers auf, dass nach wie vor wesentliche Teile der Kommentierung zum Dienst-/Arbeitsvertrag in § 611 BGB verortet sind, obwohl nunmehr für den Arbeitsvertrag die Spezialregelung des § 611a BGB gilt. Sicher ist dies auch eine Frage danach, in welcher Norm man Abgrenzungsfragen verortet, jedoch scheint mir eine umfangreiche Kommentierung unter § 611a BGB aufgrund der überragenden Bedeutung von Arbeitsverträgen eher angezeigt. Dies gilt umso mehr, da die einschlägigen Tatbestandsmerkmale des § 611a BGB (zB Weisungsgebundenheit) weiterhin unter § 611 zu finden sind und auch dort auch die einschlägige Rechtsprechung aufgeführt wird.
3. ZPO-Kommentar
Das zweite Werk im Set wird ebenfalls von Hans Prütting, hier gemeinsam mit Markus Gehrlein, herausgegeben. Es erscheint in 10. Auflage und bildet den Rechtsstand vom 1. März 2018 ab. Die Normen werden hier von insgesamt 59 Autoren aus Justiz, Anwaltschaft und Wissenschaft kommentiert.
Inhaltlich umfasst die Kommentierung neben der ZPO das EGZPO, GVG, EGGVG, KapMUG, MediationsG, UKlaG, VSBG, Brüssel Ia-VO, Brüssel IIa-VO und AVAG. Der Inhalt verteilt sich auf insgesamt 3323 Seiten inklusive eines ausführlichen Stichwortverzeichnisses.
Äußerst hilfreich und hier hervorzuheben ist der unter § 3 ZPO abgedruckte Streitwertkatalog. Dieser umfasst nicht weniger als 222 Randziffern (was der Anzahl der Stichworte entspricht) und differenziert – soweit einschlägig – zwischen Zuständigkeits-, Gebühren- und Rechtsmittelstreitwert. Dazu werden zahlreiche Rechtsprechungsnachweise angeführt und auch auf den im Arbeitsrecht wichtigen Streitwertkatalog der Streitwerkkommission verwiesen.
Eine aus Sicht des Anwaltes wichtige Neuerung ist sicher die Regelung in § 130a ZPO aufgrund der mit Einführung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs („beA“) einhergegangenen Änderungen. Die Kommentierung beschränkt sich hier auf die Wiedergabe des Umstandes, dass das beA ein „gesicherter Übertragungsweg“ i.S.v. § 130a Abs. 4 ZPO ist. Im Übrigen verweist Prüttingan dieser Stelle auf die zum Zeitpunkt der Drucklegung bestehenden erheblichen technischen Probleme des beA. Konsequenterweise wird auch bei der Kommentierung des § 130d ZPO (Nutzungspflicht elektronischer Dokumente) lediglich eine pessimistische Sicht zur Umsetzung vertreten („…ist beim Übergang mit einem Chaos zu rechnen…“). Da § 130d ZPO aber ohnehin erst zum 1. Januar 2022 in Kraft treten wird, ist dies zu verschmerzen.
Etwas ungewöhnlich ist allerdings, dass in § 130a ZPO Rn. 5 darauf verwiesen wird, dass die Rechtsverordnung für den elektronischen Rechtsverkehr noch nicht verkündet sei. Allerdings wurde die „Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERRV)“ bereits am 27. November 2017 im Bundesgesetzblatt – und damit weit vor dem im Vorwort genannten Rechtsstand 1. März 2018 - veröffentlicht. Dementsprechend fehlen auch Ausführungen dazu, welche Merkmale ein Dokument aufweisen muss, das sich gem. § 130a Abs. 2 S. 1 ZPO für die gerichtliche Bearbeitung eignet. Der Verordnungsgeber hat dies nunmehr in § 2 Abs. 1 ERRV geregelt. Danach müssen Dokumente in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF übermittelt werden. Die mit dieser Definition verbundenen Rechtsunsicherheiten behandelt die Kommentierung leider noch nicht (vgl. hierzu: Müller, NZS 2018, 207). Dies wird aber sicher mit einer der Folgeauflagen behoben werden.
Ein weiterer Punkt betrifft die Unwirksamkeitsregelung in § 130a Abs. 6 ZPO. Danach ist der Versender auf ein nicht zur Bearbeitung geeignetes elektronisches Dokument durch das Gericht hinzuweisen. Das Dokument gilt dann zum Zeitpunkt der früheren Einreichung als eingegangen, wenn der Mangel nach Maßgabe des Gesetzes unverzüglich behoben wird. Prütting geht davon aus, dass „…nur die nach Abs.3 eingereichten Dokumente mit qualifizierter elektronischer Signatur…“ (§ 130a Rn. 9) von der Regelung betroffen sind. Dies ist nach meiner Auffassung falsch bzw. missverständlich formuliert. Denn entsprechend des Wortlautes umfasst die Regelung in Abs. 6 alle in § 130a Abs. 3 ZPO genannten Dokumente, also insbesondere auch solche, die über einen sicheren Übermittlungsweg (z.B. beA) eingereicht wurden (vgl. hierzu: Viefhues, NJW-Beil. 2016, 86 (87)). Da solche Dokumente eben gerade keine mit qualifizierter elektronischer Signatur sind, ist die Kommentierung zumindest irreführend.
Insgesamt schmälern diese Aspekte aber nicht den positiven Gesamteindruck des Werkes. Gerade die Kommentierung zum elektronischen Rechtsverkehr hat erst mit der Einführung des beA an Fahrt aufgenommen und entwickelt sich derzeit dynamisch. Daher sind in diesem Bereich auch noch ein paar Lücken zu verschmerzen.
4. Fazit
Mit Blick auf die eingangs aufgeworfene Frage müssen sich beide Kommentare nicht hinter den (noch) herrschenden Standardwerken verstecken. Sie bieten allein in formaler Hinsicht viel frischen Wind (sofern man bei einer 10. bzw. 13. Auflage noch von „frisch“ sprechen kann) und genügen anspruchsvollen Maßstäben an Übersichtlichkeit und Lesbarkeit. Inhaltlich konnten – bis auf die dargestellten kleineren (z.T. subjektiven) Mängel – keinerlei Defizite festgestellt werden, sodass man nur eine klare Kaufempfehlung aussprechen kann.