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Rezension: Internationales Strafrecht

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Ambos, Internationales Strafrecht, 5. Auflage, C.H. Beck 2018

Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Dortmund


Wer – wie Unterzeichner – seine Ausbildung bereits Jahrzehnte hinter sich gelassen hat, der kann auf gefestigtes Wissen im Internationalen Strafrecht nicht zurückgreifen. Derartige Themen waren Anfang der 90er Jahre zwar existent, aber eher exotisch. Das Heranrobben an das Thema ist daher schwierig.

So sind für mich beim Schmökern zunächst naturgemäß die allgemeinen einführenden Kapitel §§ 1-4 sehr interessant gewesen. Es geht dabei um allgemeine Zuständigkeitsfragen, völkerrechtliche Grundlagen nationaler Strafgewalt und auch Jurisdiktionskonflikte. Vieles, was hier zu lesen ist, ist auch für Praktiker interessant, so etwa der Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege, vgl. § 3 Rn. 116 ff. Dabei wird nicht nur im „luftleeren Raum“ geschrieben, sondern stets ausgehend von Fällen, wie man sie kennt oder jedenfalls schon einmal in der Tagespresse gelesen hat. Diese sind in der Regel aus der BGH-Rechtsprechung entnommen und können so auch im Original aufgrund der Fundstellennachweise nachgelesen werden. Der Falldarstellung folgt dann stets eine Darstellung des maßgeblichen Rechts, die schließlich in einer knappen Darstellung der Falllösung mündet. Das Buch schafft dadurch eine für die häufig sehr fremde Materie sehr gute Lesbar- und Nachvollziehbarkeit.

Dem eher allgemeinen Anfangsteil schließt sich eine Darstellung des Völkerstrafrechts an. Zunächst werden Begriff, Gegenstand und Quellen des Völkerstrafrechts in kurzer Form dargestellt. In diesem Bereich ist der Fußnotenapparat derart umfangreich, dass er teils mehr als zwei Drittel der Buchseiten ausfüllt. Für einen Leser, der erstmals sich mit dieser Materie befasst, erscheint dies übertrieben. Für ein vertiefendes Lehrbuch dagegen ist dieser Fußnotenapparat durchaus weiterführend und somit auch nicht zu beanstanden.

Neben derart abstrakten Themen ergibt es auch ganz Handfestes im Buch, so etwa einen historischen Abriss des Weges zu einem ständigen Internationalen Strafgerichtshof (§ 6).

Dem folgt das mit 160 Seiten dickste Buchkapitel, nämlich das zum materiellen Völkerstrafrecht. Wer sich nicht auf eine Prüfung konkret vorbereitet, der wird dieses Kapitel bei einer Buchdurchsicht eher stichpunktartig lesen, wie auch ich dies getan habe. Einen großen Teil dieser Erörterungen machen nämlich Fragen aus, die schon sehr nahe ans Politische oder auch Philosophische gehen, wenn es etwa um die individuelle Verantwortlichkeit geht. Bekanntlich hatte es in Deutschland in den Nachkriegsjahrzehnten bis vor wenigen Jahren auch Schwierigkeiten um derartige Fragen gegeben. Hier versucht das Buch Licht ins Dunkel zu bringen, wenn es um Aufstachelung geht, um die Verantwortlichkeit von Vorgesetzten oder auch die Verantwortung des einzelnen in einem gesamten System („Konzentrationslagerfälle“, § 7 Rn. 30).

Systematisch passend schließt sich § 8 des Buches mit einer Darstellung zu Völkerstrafprozessrecht und internationaler strafrechtlicher Zusammenarbeit an.

Der dritte Buchteil ist wohl derjenige, der aus derzeitiger Sicht am greifbarsten und am praxisrelevantesten in Deutschland ist. Es geht dabei um das europäische Strafrecht. Dargestellt werden Begriff und Gegenstand dieses strafrechtlichen Bereiches. Auch hier ist wieder ein immens großer Fußnotenapparat vorhanden. Das Buch befasst sich dann mit dem Grundrechtsschutz in Europa als Voraussetzung der weiteren Erörterungen. Das europäische materielle Strafrecht im weiteren Sinne wird sodann dargestellt und ebenso die justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit. Wenn das Buch in anderen Bereichen teils recht abstrakt wirkt, so ist es in diesem Bereich doch sehr handfest und praxisnah. Einen eigenen Abschnitt hat Ambos der Institutionalisierung gewidmet, also etwa den Themenkreisen Europol, Eurojust und UCLAF/OLAF.

Am Ende des Buches findet sich noch ein ausführliches Rechtsprechungsverzeichnis, das auch Entscheidungen deutscher Gerichte erfasst. Ferner ist ein Sachverzeichnis vorhanden, welches mit knapp zehn Seiten eher schmal ausfällt, aber wohl ausreichen dürfte. Das Buch enthält an geeigneten Stellen Tabellen oder Ablaufschemata, was die Lektüre des Buches erleichtert. Fettungen wichtiger Stichworte im Buchtext selbst helfen, den Text für sich strukturiert überfliegen zu können. Hervorzuheben sind nochmals die ausführlichen Fußnoten des Buches. Diese Detailversessenheit korrespondiert mit einem ausführlichen Literatur-und Quellenverzeichnis am Beginn des Buches. Insgesamt gefällt mir das Buch so auch außerordentlich gut: Wer in dem Bereich des internationalen Strafrechtes einen fundierten Einblick nehmen will, der kommt um „den Ambos“ kaum herum.



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