Mann, Vertriebsrecht in Handel und Industrie, 1. Auflage, C.H. Beck 2017
Von Carina Wollenweber-Starke, Wirtschaftsjuristin, LL.M., Bad Berleburg
Das vorliegende Werk „Vertriebsrecht in Handel und Industrie“ von Marius Mann aus der Reihe „PraxisWissen“ des Verlags C.H. Beck umfasst insgesamt 295 Seiten inkl. Sachverzeichnis und ist in 13 Teile gegliedert, welche als Kapitel fungieren.
Der 1. Teil „Einleitung“ führt in die Thematik ein. Diese umfasst lediglich eine Seite und listet Beispiele aus der Praxis auf (VW Belieferungsstopp im Sommer 2016, Kartelle), um die Wichtigkeit des Themenkomplexes zu verdeutlichen. Im 2. Teil, welcher als „Vertragsverhandlungen und Vertragsabschluss“ bezeichnet ist, erläutert der Autor, wie ein Vertrag zustande kommt. Wichtig dafür sind u.a. auch die Stellvertretung sowie die Formbedürftigkeit von Verträgen. Der 3. Teil „Allgemeine Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern“ klärt z.B. auf, was unter AGB zu verstehen ist, wie diese wirksam in den Vertrag einbezogen werden und wie eine Inhaltskontrolle wirkt. Während sich der 4. Teil mit der Schlechtleistung und dem Verzug befasst, geht der 5. Teil auf die Mängelgewährleistung und Garantie für Produkte ein. Der Autor erläutert u.a., wann ein Mangel vorliegt, welche Rechte der Käufer bei einem Mangel hat und was unter der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit zu verstehen ist. Im 6. Teil geht der Autor auf die „Beendigung von Verträgen“ ein. Mitunter werden der Widerruf, der Rücktritt sowie die Kündigung behandelt. Der insbesondere für die Automobilindustrie sehr relevante 7. Teil beschäftigt sich mit der „Qualitätssicherung und Produkthaftung“, wobei der Qualitätssicherung nur sehr wenige Seiten gewidmet sind. Im Bereich Produkthaftung ist insbesondere die Darstellung des praxisrelevanten und zumeist sehr kostenintensiven Produktrückrufs positiv zu nennen. Bestandteil des 7. Teils ist auch die Anknüpfungsleiter der Rom-II-VO (S. 124 ff., Rn. 466 ff.), um vorhersagen zu können, welches Recht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten anwendbar ist. Auch Teil 8 „Lieferverträge in Krise und Insolvenz“ ist für die Praxis von wesentlicher Bedeutung. U.a. wird der Ablauf eines Insolvenzverfahrens geschildert und welche Schutzmaßnahmen aus Sicht des Lieferanten ergriffen werden können. Insbesondere sind auch die Praxishinweise in Bezug auf die Insolvenzanfechtung (S. 134, Rn. 503) und die Weiterbelieferung im vorläufigen Insolvenzverfahren (S. 135, Rn. 508) hilfreich.
Informationen über den internationalen Bezug erhält der Leser nicht nur im Kapitel 9 mit der Überschrift „Internationale Lieferbeziehungen“, sondern mitunter auch bei der grenzüberschreitenden Produkthaftung (7. Teil, S. 124 ff., Rn. 463 ff.). Zentrale Themen sind die unterschiedlichen Rechtsquellen sowie das anwendbare Recht. In Teil 10 „Streitbeilegung und Rechtsdurchsetzung“ wird der Leser über unterschiedliche Streitbeilegungsmechanismen wie z.B. Gerichts- und Schiedsgerichtsverfahren, aber auch Mediation und Schlichtung aufgeklärt. Gute Praxishinweise finden sich zum Thema „vorläufiger Rechtsschutz“ (z.B. S. 175, Rn. 642 zur eidesstattlichen Versicherung; S. 177, Rn. 649 zu Schutzschriften), bei welchem eine schnelle Reaktionszeit gefragt ist und demnach Fehler schnell passieren können. Bei länger andauernden Geschäftsbeziehungen sind Rahmenverträge von besonderer Bedeutung. Der Autor widmet sich diesen im 11. Teil. Der 12. Teil beschäftigt sich mit dem Handelsvertretervertrag. Hier fällt auf, dass häufig auf die Modebranche Bezug genommen wird (z.B. S. 210, Rn. 778; S. 212, Rn. 785). Besonders gelungen ist z.B. der typische Vertragsinhalt (S. 255, Rn. 911) sowie von Gerichten angenommene wichtige Kündigungsgründe (S. 218 ff., Rn. 801) mit Angabe, ob der Grund für den Handelsvertreter und/oder für das Unternehmen einen solchen darstellt. Allerdings ist anzumerken, dass diese Gerichtsurteile nicht mit der Fundstelle angegeben sind.
Insbesondere im Recht der Handelsvertreter findet der Leser viele nützliche Informationen: z.B. Billigkeitsaspekte, die auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs Auswirkungen haben könnten (S. 243 f., Rn. 876), Berechnung nach den prognostizierten Provisionsverlusten gem. § 89 b I HGB in 6 Schritten sowie die Prognosedauer, welche bestimmt, wie lange das Unternehmen voraussichtlich einen Nutzen hat (S. 242 f., Rn. 873). Wichtig sind aber ebenfalls die Abgrenzung von anderen Vertriebsformen (S. 195 f., Rn. 713 ff.) sowie die Konsequenzen, wenn sich herausstellt, dass kein Handelsvertretervertrag vorliegt, und die Darstellung von unterschiedlichen Provisionszusammensetzungen. Seitenmäßig ist dieses Kapitel auch das umfangreichste des ganzen Werkes. Im 13. und somit letzten Teil stellt der Autor den Vertragshändlervertrag mitsamt seines typischen Regelungsinhaltes (S. 260, Rn. 925) vor. Gelegentlich werden Unterschiede zum Handelsvertreter aufgezeigt (z.B. 274, Rn. 982). Auch hier findet der Leser mitunter wichtige Kündigungsgründe für Hersteller und Vertragshändler (S. 281 f., Rn. 1003).
Bei dem Werk „Vertriebsrecht in Handel und Industrie“ handelt sich um ein handliches Nachschlagewerk im Taschenbuchformat, welches sich auch an Personen ohne juristische Ausbildung richtet. Allerdings ist ein juristischer Hintergrund des Lesers beim Verständnis stets von Vorteil. In erster Linie stellt das Werk einen praxisorientierten Leitfaden dar. Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass der Autor bereits Wissen voraussetzt (z.B. S. 3, Rn. 7: OEM, dessen Erklärung im Fließtext fehlt und nur im Abkürzungsverzeichnis mit der englischen Erklärung aufgeführt wird) oder keine weiteren Erklärungen folgen, wenn eine Thematik einen „zu juristischen“ Tiefgang besitzt (z.B. S. 16, Rn. 56: Unwirksamkeit einer Schriftformklausel in AGB).
Der Autor wirft relevante Fragen für die Praxis auf (z.B. S. 2, Rn. 5) und beantwortet diese im Laufe seines Werkes. Die Erläuterungen erfolgen in der gebotenen Kürze. Schließlich wird der Praktiker neben seinem Tagesgeschäft nicht viel Zeit haben, um sich mit den Themen in aller Tiefe beschäftigen zu können.
Wichtige juristische Begriffe werden verständlich erläutert (z.B. S. 9, Rn. 26; S. 15, Rn. 52: gutgläubig; S. 20, Rn. 68: Rechtsbindungswille). So wird bspw. auch erklärt, was unter einem „Versendungskauf“ (S. 67, Rn. 241) oder „unverzüglich“ (S. 71, Rn. 256) zu verstehen ist. Jedoch fällt auf, dass der letzte Begriff legaldefiniert ist, aber die entsprechende Norm nicht genannt wird.
Besonders gelungen sind die vielen Praxishinweise, welche durch den sie umgebenden Kasten auf den ersten Blick erkennbar sind. Ab und an werden praxisrelevante Hinweise nicht hervorgerufen (z.B. S. 180, Rn. 664: mangelnde Vollstreckbarkeit von deutschen Gerichtsurteilen in China und den USA). Dies ist für den Leser nachteilig, da er schnell etwas übersehen kann.
Die zahlreichen Verhaltensanweisungen und Ratschläge zeichnen dieses Werk aus (z.B. 108, Rn. 404; S. 111, Rn. 414) und sind für den Leser von unschätzbarem Wert. Mitunter wird auch bereits auf bestehende Risiken hingewiesen (z.B. S. 94, Rn. 351: Vertrags- oder Kalenderjahr). Gesetzlich nicht festgelegte Themen wie der Rückruf werden ebenfalls behandelt. Dies zeigt, wie nah das Werk an der Praxis ist. Insbesondere auf die Automobilindustrie wird oft verwiesen (z.B. S. 3, Rn. 7; S. 119, Rn. 446; S. 121, Rn. 452). Mitunter werden auch konkrete Strategien empfohlen (z.B. S. 121 f., Rn. 455 f. zum Rückrufmanagementsystem). Der Autor gibt dem Leser ab und an Vorschläge für Klauselformulierungen mit an die Hand (z.B. S. 17, Rn. 57 zur Schriftformklausel; S. 47, Rn. 163; S. 150, Rn. 562). Darüber hinaus klärt er über häufig auftretende Irrtümer auf (z.B. S. 17, Rn. 57 zur Schrift- und Textform).
Beispiele und typische Praxisfälle verdeutlichen das Gesagte (z.B. S. 4, Rn. 10: Angebot ohne Bindungswirkung; S. 15, Rn. 49 ff.; S. 32, Rn. 107: Gestaltungsrechte; S. 33, Rn. 108: Gegenstände für ein Bauwerk; S. 33, Rn. 109 in Bezug auf die Verjährung). Dies erleichtert es dem Leser, sich eine konkrete Situation auch vorstellen zu können. Die Informationen werden gelegentlich mit Hilfe von Zahlen untermauert (z.B. S. 142, Rn. 534: Quote der Befriedigung von Insolvenzgläubigern).
Die Möglichkeiten der Technik werden ebenfalls angesprochen (z.B. S. 10, Rn. 30: neue Medien in Form eines kaufmännisches Bestätigungsschreiben per WhatsApp; S. 20, Rn. 70: Änderungsmodus in Microsoft Word).
Informativ sind ebenfalls die kurzen Vergleiche zu anderen Rechtsordnungen (z.B. S. 109, Rn. 410: Produkthaftung in den USA). Zusätzlich wird weiteres Hintergrundwissen vermittelt (z.B. 171, Rn. 628: welche Staaten die New Yorker Convention und das Haager Übereinkommen unterzeichnet und ratifiziert haben). Auf S. 151 f. (Rn. 565) verdeutlicht eine Tabelle wesentliche Unterschiede zwischen dem BGB und dem UN-Kaufrecht. Zusätzlich werden auch die Unterschiede in Bezug auf den Verzug aufgezeigt (S. 62, Rn. 224).
Im internationalen Handel wird der Leser nicht um die INCOTERMS herumkommen. Der Autor widmet sich dieser Thematik jedoch nur relativ kurz und verweist stattdessen auf die offizielle deutsche Homepage der ICC (S. 156, Fn. 206).
Hilfreich wären Verweise, wenn eine Thematik bereits an anderer Stelle behandelt wurde (z.B. S. 44, Rn. 149 in Bezug auf das kaufmännische Bestätigungsschreiben; S. 49, Rn. 174: Schriftformklausel), damit der Leser nicht erst noch das Sachverzeichnis bemühen muss. Dies ist zwar mitunter bereits vorhanden, z. T. fehlen diese Verweise noch. Dies könnte ein Ziel für die 2. Auflage sein.
Mit Hilfe des Inhalts- und Sachverzeichnis findet der Leser schnell das Gesuchte. Dies gilt ebenfalls für die vorhandenen Randnummern (insgesamt 1029), wenn denn auf diese verwiesen wird, (z.B. Fn. 221) was nicht immer der Fall ist (z.B. S. 4, Rn. 9: „Näheres zur Annahmefrist eines Angebots unten.“; S. 166, Rn. 611: „Hierzu finden Sie am Ende dieses Teils weitere Ausführungen.“). Das Abkürzungsverzeichnis klärt über die verwendeten Abkürzungen auf. Darüber hinaus befindet sich eine Inhaltsübersicht als Klapptext auf der Innenseite des Umschlags.
Insgesamt existieren relativ wenige Fußnoten, insbesondere auf den ersten Seiten. Somit fehlen regelmäßig Quellenangaben. Während teilweise gar keine Quellen für eine bestimmte Aussage angegeben werden (z.B. S. 218 ff., Rn. 801), nennen andere Passagen diese mustergültig (z.B. S. 242, Rn. 873). Ein Literaturverzeichnis sucht der Leser vergebens. An diesen Merkmalen erkennt der Leser, dass das Werk für die Praxis und nicht für die Wissenschaft gedacht ist. Demnach kann der Leser so mansche Aussage nur mit weiterem Aufwand nachprüfen.
Die Überschriften sind geschickt gewählt und lassen schnell erkennen, worum es geht (z.B. S. 118: „Wann ist ein Rückruf durchzuführen?“), sodass sich der Leser schnell zurechtfinden kann. Auch die Praxisrelevanz wird unmittelbar deutlich (z.B. S. 49: „Praxisrelevante Klauseln und Einzelfragen“; S. 80: „Praxisrelevante Einzelfälle“).
Mitunter spricht der Autor den Leser gezielt an (z.B. S. 9, Rn. 27: „Reagieren Sie...“). Dadurch fühlt sich der Leser einbezogen. Besonders wichtige Wörter werden durch Fettdruck hervorgehoben. Z. T. wird eine bildhafte Sprache verwendet (z.B. S. 103, Rn. 381: Damoklesschwert).
Leider haben sich hier und da Fehler insbesondere bei Rechtschreibung und Zeichensetzung eingeschlichen, welche dann in der 2. Auflage behoben werden sollten, damit der Lesefluss nicht gestört wird (Beispiele zur Rechtschreibung: S. 33, Rn. 108; S. 131, Rn. 489: „wirtschaftsverkehr“; S. 141, Rn. 529: „Unterlässt er dies, geht seine Forderungen verloren.“; zur Zeichensetzung: S. 66, Rn. 235: „Das Gesetz regelt in § 434 BGB wann eine Sache konkret mangelhaft ist.“; S. 66, Rn. 239: „Liefert der Verkäufer eine zu geringe Menge (Minderlieferung) liegt ebenfalls ein Mangel vor.“; S. 67, Rn. 240: „Verkauft der Zulieferer dem OEM ein nicht-lizenziertes Produkt so kann der OEM (…).“; S. 134, Rn. 501; S. 145, Rn. 543; zur Trennung: S. 97, Rn. 365: „Sch-reiben“; S. 139, Rn. 520: „Insolven-zforderung“).
Darüber hinaus fällt gelegentlich auf, dass Zahlen manchmal ausgeschrieben werden und unmittelbar danach wiederum nicht oder vice versa (z.B. S. 214, Rn. 791; S. 222, Rn. 809). Eine diesbezügliche Vereinheitlichung wäre für die 2. Auflage wünschenswert. Ebenfalls verbesserungswürdig ist die Nummerierung der Unterkapitel in Teil 7. Unter II. „Produkthaftung“ folgen auf 4. gleich 6. und 7.
Fazit: Das vorliegende Werk eignet sich hervorragend als schnelles Nachschlagewerk für die Praxis. Häufig auftretende Probleme können so bereits im Vorfeld geschickt umgangen oder zielführend gelöst werden. Adressaten sind in erster Linie „Nicht-Juristen“, die sich rasch in die Materie einarbeiten oder ihre Kenntnisse vertiefen wollen. Der Umfang des Werkes ist angemessen.
Für die 2. Auflage ist eine Korrektur der vorhandenen Fehler (s.o.: u.a. Rechtschreibung, Zeichensetzung) zu empfehlen. Darüber hinaus könnte an der einen oder anderen Stelle eine Quellenangabe oder ein Verweis auf bereits behandelte Themen hinzugefügt werden, damit der Leser bei Bedarf auch weiter recherchieren kann.
Insgesamt ist das Werk insbesondere aufgrund der vielen Beispiele und Tipps dennoch sehr zu empfehlen. Es gibt gute Einblicke in die Praxis und vermittelt die kritischen Bereiche in einer leicht zugänglichen Sprache.