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Rezension: Methodik des Zivilrechts

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Rückert / Seinecke (Hrsg.), Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis Teubner, 3. Auflage, Nomos 2017

Von Dr. Sebastian Felz, Köln


Dieser Sammelband biete, so Mitherausgeber Joachim Rückert in seiner Einführung, dreierlei: „historische Treue, d.h. zuerst die möglichst schlichte, historische treue Darstellung zu anerkannt wesentlichen, originalen Methodenkonzepten, die aktuelle Würdigungen erst fair fundiert; dogmatische Tests, d.h. konkrete dogmatische Tests an Beispielen, da Methodik sonst unverbindlich abstrakt und schwer verständlich bliebe; verfassungshistorische Reflexion, d.h. normativ angelegte Analysen der Methodenkonzepte auf ihren Bezug zu den Anforderungen im Verfassungsstaat der Neuzeit. Denn juristische Methodik würde sonst nur als letztlich irrelevantes Verfahrensbeiwerk bei der Normgewinnung betrachtet werden. Davon wollen wir nicht ausgehen“ (Rn. 1) Es gehe, so Rückert weiter, um „Methodenfragen als Verfassungsfragen“. Wie definiert der Verfassungsstaat der Moderne mit Grundrechten, Gewaltenteilung, Demokratie, Rechts- und Sozialstaat und einer starken Judikative das Recht und die Methoden der Rechtsfindung? (Rn. 4).

Diesen biographischen Erkundigungen und methodischen Lackmustests werden aus dem 19. Jahrhundert Savigny, Puchta, Windscheid und Jhering unterworfen. Für die Methodendiskussion der Bundesrepublik stehen insbesondere Wiethölter, Rüthers, Canaris, Müller und Teubner. Im Querschnitt werden die ökonomische Analyse des Rechts, die Institutionenökonomik und die Case-Law-Methodik vorgestellt.

Vor kurzem (NJW 15/2016, S. 1068) hat Bernd Rüthers erneut auf die Versäumnisse der bundesrepublikanischen Methodenlehre, insbesondere von Karl Larenz, wegen der fehlenden Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Rechts(methodik)katastrophe, so Thomas Pierson (Rn. 941), hingewiesen. Mit Philipp Heck, Hans Carl Nipperdey, Heinrich Lange, Karl Larenz und Franz Wieacker sowie Josef Esser und Helmut Coing werden in diesem Sammelband sieben zivilrechtliche Methodentheoretiker analysiert, deren Denken im (mit oder gegen) Nationalsozialismus entscheidende Prägungen erhalten hatte.

Rückert und seinen Co-Autoren geht es darum, das Schweigen über die „Methodenrichtungen seit 1945“ zu brechen (Rn. 7). Die „werthaltigen Erzählungen“ mit ihrem „Kampf“ gegen „individuelle Autonomie, gegen juristischen Liberalismus, gegen repräsentative Demokratie und gleiches-freies Privatrecht, gegen ‚formalen‘ und parlamentarischen Rechtsstaat, gegen altmodisch gesetzesgebundene Auslegung, gegen ‚Positivismus‘, gegen professionellen ‚Formalismus‘, gegen ‚bürgerlichen‘ Egalitarismus und römischrechtliche angebliche Volksfremdheit, kurz: gegen eine vor allem gesetzestreue, insoweit neutrale und professionelle Justiz und gegen eine unparteiisch, analytische Rechtswissenschaft“ (Rn. 10) sollen demaskiert werden. Rückert entdeckt auch in der post-nationalsozialistischen Methodenlehre einen das „Dritte Reich“ überdauerten „antiliberalen Konsens“ (Rn. 13).

Die Ausarbeitungen sind größtenteils sehr aktuell. Das gerade erschienene Buch von Jan Schröder über die Methodentheorien und Methodenpraxis der NS- und SED-Rechtswissenschaft (Rn. 1510) wird genauso aufgenommen wie die Diskussion um „die Rechtsphilosophie in den Trümmern der Nachkriegszeit“ von Monika Frommel, Johann Braun, Alexander Hollerbach und Bernd Rüthers in der Juristenzeitung 19/2016 und 9/2017 (Rn. 1431). Manche Arbeiten sollten Erwähnung finden, z.B. fehlen die Dissertationen von Bernd Hüpers (Karl Larenz - Methodenlehre und Philosophie des Rechts in Geschichte und Gegenwart (= Berliner Juristische Universitätsschriften - Grundlagen des Rechts 49). BWV Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2010) und von Christina Wiener (Kieler Fakultät und „Kieler Schule“. Die Rechtslehrer an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu Kiel in der Zeit des Nationalsozialismus und ihre Entnazifizierung (= Kieler Rechtswissenschaftliche Abhandlungen (NF), Band 67), Baden-Banden 2013) in der Analyse von Karl Larenz durch Ralf Frassek.

Das Buch ist ein Solitär unter den „Methodenlehren“ in der bundesrepublikanischen Ausbildungsliteratur. Obwohl es sich um einen Sammelband handelt, ist das Niveau aller Beiträge einheitlich – nämlich auf dem höchsten Niveau.

Schließlich geben Joachim Rückert und Ralf Seinecke der Leserin und dem Leser „Bibliographisches und Lektüreempfehlungen“ mit auf den Weg sowie „12 Methodenregeln an die Hand:
„I. Mach Dir klar, was Du tun willst
II. Behandle Methodenfragen als Verfassungsfragen
III. Methodengeschichten muss man kennen und nutzen
IV. Nimm die canones als Anleitung
V. Hör auf den Wortlaut
VI. Schau ins System
VII. Schlag nach beim Gesetzgeber
VIII. Obacht mit dem Telos
IX. Trenne Auslegung und Rechtsfortbildung und Abwägung
X. Bilde Recht nur rechtsstaatlich fort
XI. Manchmal muss man abwägen“ und schließlich die zwölfte, letzte und wichtigste Regel:
„XII. Vergiss nicht die Gerechtigkeit“

Der Band, der nun in dritter Auflage vorliegt, ist ein unverzichtbarer Kompass durch zwei Jahrhunderte deutsche Rechtsmethodengeschichte sowie ihre Klassiker und könnte bald selbst ein Klassiker werden.

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