Weber, BtMG, 5. Auflage, C.H. Beck 2017
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Dortmund
Der BtMG-Kommentar von Weber, den dieser seit nunmehr 18 Jahren in Einzelregie verfasst und aktualisiert, hat sich von einem eher schmalen Grundsatzwerk, das gar nicht in Anspruch hatte, dem großen Bruder „Körner“ aus dem selben Verlag Konkurrenz zu machen, mittlerweile zu einem stattlichen eigenständigen Werk entwickelt.
Über 2300 Seiten stark ist der Kommentar in dieser Auflage. Er umfasst neben einer vollständigen etwa 1300-seitigen Kommentierung des eigentlichen Betäubungsmittelgesetzes natürlich auch noch hierzu ergangene Verordnungen, wie etwa die Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung oder auch die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung. Ebenso wie im Körner (eigentlich natürlich: Körner/Patzak/Volkmer) findet sich sodann eine Kommentierung des Arzneimittelgesetzes. Der aktuellen Entwicklung geschuldet und konsequent hat Weber auch eine ausführliche Kommentierung zum Anti-Dopinggesetz in den Kommentar aufgenommen. Auch wenn dieses Gesetz in der forensischen Praxis noch ohne große Anwendung geblieben ist, ist eine solche Kommentierung für ein Buch dieses Anspruchs natürlich nicht nur sinnvoll, sondern sogar eine Pflicht. Ebenso aufgenommen wurde das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz, was angesichts der steigenden Bedeutung dieses „Nebenkriegsschauplatzes“ des Betäubungsmittelstrafrechts ebenso erfreulich ist. Den Erläuterungen zu diesem Gesetz schließen sich dann in einem Anhang zahlreiche weitere Normen und internationalen Vereinbarungen an, die für die Bearbeitung von Betäubungsmittelverfahren von Bedeutung sind oder werden können. Diese Vorschriften sind dann jedoch unkommentiert. Zu nennen sind etwa das Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe, der Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates der Europäischen Union oder auch das auszugsweise eingefügte Straßenverkehrsgesetz.
Wie immer ist es schwierig, im Rahmen einer Rezension die Qualität eines Kommentars darzustellen und zu beurteilen. Wenn man die Äußerlichkeiten der Kommentierung betrachtet, so ist zunächst festzustellen, dass dieser durchweg gut lesbar und leicht verständlich ist. Die Kommentierung leidet – ähnlich wie beim Körner– darunter, dass die wesentlichen Paragrafen des Betäubungsmittelgesetzes in der Praxis der Gerichte die §§ 29 ff. BtMG sind. Die Kommentierung dieses zahlenmäßig sehr schmalen Paragrafenteils ist dementsprechend richtigerweise überaus ausführlich und neigt dadurch stets zu einer Unübersichtlichkeit. Allein die Erläuterungen zu § 29 BtMG finden sich auf 2202 Randnummern (!). Weber hat diese Darstellungen durch eine gut und stringent abgefasste Binnengliederung sehr gut im Griff gehalten. Zudem hat er große Teile der notwendigen Kommentierungen der §§ 29 ff. BtMG bereits vorweg im Rahmen von Vorbemerkungen dieser Vorschriften auf fast 300 Seiten abgehandelt.
Auch sonst sind alle Vorschriften, die mehr als zwei oder drei Seiten Buchtext Kommentierung umfassen, mit einer vorweg gestellten Gliederung und Inhaltsübersicht versehen, so dass recht schnell die die nötigen Informationen gefunden werden können. Durch vorsichtige Fettungen wichtiger Schlagwörter in den Texten lassen sich letztere auch jeweils relativ schnell überfliegen. Insgesamt macht das Äußere des Kommentars dementsprechend einen guten Eindruck. Er ist zudem recht schmalgehalten für die große Seitenzahl und damit gut für die Handbibliothek und zum Mitnahmen geeignet. Das genutzte Dünndruck-Papier lässt zwar den Text der jeweiligen Rückseite leicht durchscheinen, doch ist die Lesequalität hierdurch noch nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bei näherer Überprüfung fällt positiv auf, dass auch aktuellste Rechtsprechung gut und umfassend eingearbeitet wurde. Weber nutzt zudem Kommentare und Praxis Literatur, um den Leser weiterzuführen. Fundstellennachweise finden sich sämtlich im Text - auf einen platzraubenden Fußnotenapparat hat der Autor verzichtet.
Inhaltlich habe ich mich dem Buch genähert, in dem ich einzelne typische Problemfelder aus der Praxis durchgeschaut habe. Einen Blick habe ich in das Stichwort Bewertungseinheit geworfen. Diese ist ausführlich dargestellt in der Einleitung vor §§ 29 ff. BtMG. Weber stellt hier umfassend und ausgehend von der geschichtlichen Entwicklung des Betäubungsmittelstrafrechts die Problematik der Beurteilung der Bewertungseinheit dar, die in der Praxis immer wieder zu Problemen und Fehlern führt. Fragen rund um den Kauf von Gesamtmengen, Teilmengenprobelieferungen und Verkaufsvorräten werden in diesem Zusammenhang ebenso ausführlich dargestellt und mit Rechtsprechungsnachweisen versehen. Das mühsame Arbeiten im Betäubungsmittelstrafrecht in diesen Bereich kann der Autor so dem Leser nicht nehmen, er liefert jedoch das nötige Handwerkszeug für die Bearbeitung von derartigen Fällen. Weiterhin befasst habe ich mich mit dem Problemkreis der Abgrenzung zwischen täterschaftlichem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und einer Beihilfe hierzu. Auch hierzu finden sich ganz hervorragende Darstellungen in Rn. 630 ff zu § 29 BtMG, die sich hinter den langen Ausführungen im Körnernicht verstecken müssen.
Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass der Kommentar in den Vorbemerkungen zu § 29 ff. BtMG auch noch Darstellungen zu Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB enthält, die die ohnehin schon sehr ausführlichen Ausführungen zur § 35 BtMG, also zur Zurückstellung der Strafvollstreckung, sinnvoll ergänzen. Sogar straßenverkehrsrechtliche Fragen werden in diesen Vorbemerkungen mit abgehandelt (Rn. 1493 ff). Dargestellt werden hier die typischen straßenverkehrsrechtlichen Delikte, also §§315c und 316 StGB. Die Frage der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen wird ebenso erörtert wie auch die Problematik des ordnungswidrigen Verhaltens durch eine Drogenfahrt und deren Rechtsfolgen (Rn. 1622 ff. vor §§ 29 ff. BtMG). Hier stellt sich natürlich die Frage, warum die eigentlichen Vorschriften, die hierbei erläutert werden, in dem Buchanhang dargestellt werden. Ein Vorziehen dieser Vorschriften und ein Einfügen der Erläuterungen in eine „echte“ Kommentierung wären hier sicher zielführender und logischer gewesen. Entsprechendes hätte sich unter Umständen für die rein strafrechtlichen Vorschriften empfohlen.
Insgesamt kann das Buch nur jedem Strafrechtler in der Praxis ans Herz gelegt werden. Es hat durchaus die Klasse, ein Standardwerk für das BtM-Recht zu sein.