Gade / Stoppa (Hrsg.), Waffenrecht im Wandel – Sorgfalts- und Erlaubnispflichten – Verbote – Straf- und Verwaltungsprozess, 1. Auflage, Kohlhammer 2015
Von Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) und Fachanwalt für Arbeitsrecht Stephan Lemmen, Bad Berleburg
Das vorliegende Werk stellt überarbeitete Fassungen von Vorträgen zu verschiedenen Fragestellungen des Waffenrechts zusammen, die im Rahmen des 1. Lübecker Fachkongresses zum Waffenrecht gehalten wurden. Dieser wurde im April 2014 in Kooperation der Bundespolizeiakademie mit der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Bundespolizei, ausgerichtet. Der ca. 140 Personen umfassende Teilnehmerkreis setzte sich aus Vertretern der Landeskriminalämter, der Polizeien der Länder, der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes, des Bundesministeriums des Innern, des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, der Zollverwaltung sowie der Justizbehörden, der allgemeinen Verwaltung und einigen Repräsentanten der freien Wirtschaft und verschiedener Verbände zusammen.
Hinsichtlich waffenrechtlicher Sorgfaltspflichten beleuchtet Prof. Dr. Britta Bannenberg – Inhaberin der Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Justus-Liebig-Universität Gießen – Amoktaten mit Handlungsempfehlungen für die Polizei, Christian Papsthart – ehemaliger Mitarbeiter im Waffenrechts-Referat des Bundesministeriums des Innern – die Vorgaben an die Aufbewahrung und Sicherung, Niels Heinrich – Stellv. Leiter der Fachlichen Leitstelle Nationales Waffenregister - das Nationale Waffenregister, Holger Soschinka – Rechtsanwalt und leitender Justiziar – thematisiert die Abgrenzung des Führens von Waffen beim Transport zur Aufbewahrung und Sigrun Ullrich – Dozentin am Bildungs- und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung - genehmigungspflichtige Waffenausfuhren.
Im Bereich der Umgangs- und Führungsverbote erläutert Martin Robert Mittelstädt – Referat SO 11 BKA - die Feststellungsbescheide des Bundeskriminalamtes zur Einstufung von Waffen, Prof. Dr. Bernd Heinrich – Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht und Urheberrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin - strafrechtliche Probleme im Zusammenhang mit dem Verbot des Führens von Anscheinswaffen und bestimmten tragbaren Gegenständen, § 42a WaffG und Dr. Hans Scholzen – Rechtsanwalt in Düsseldorf und Vorsitzender des Verbands für Waffentechnik und –geschichte e.V. - waffenrechtliche Fallgestaltungen in verwaltungs- und strafgerichtlichen Prozessen.
Die selbstverständlich auch politischen Dimensionen des Waffenrechts greifen die Beiträge „Waffenrecht als politisches Rechtsgebiet – Versuch einer systemtheoretisch-verfassungsrechtlichen Begründung legislativer Beobachtungspflichten im Waffenrecht“ von Prof. Dr. Ralf Röger – Fachbereich Bundespolizei der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung – und „Das Waffenrecht – Rechtsinstrument oder politisches Kampfmittel?“ von Wolfgang Dicke – Bundesgeschäftsführer a.D. der Gewerkschaft der Polizei – auf.
Fazit: Alle Beiträge und somit das Gesamtwerk sind lesenswert, machen Lust auf mehr und sind – in den meisten Fällen – leider – noch tagesaktuell. Dies betrifft insbesondere die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen von Prof. Dr. Bannenberg, die für die Früherkennung der Täter sowie der Vorbereitung der eingesetzten Kräfte und deren Traumabewältigung hilfreich sind.
Für die Praxis des Rezensenten besonders hilfreich sind die Abgrenzungskriterien zwischen Führen von Waffen beim Transport und Aufbewahrung, die Soschinka aufzeigt und mit denen sich regelmäßig auftauchende Rechtsfragen in diesem Bereich sehr gut beantworten lassen. Ebenso die umfangreiche Darstellung zu genehmigungspflichtigen Waffenausfuhren von Ullrich, die nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Beispiele sehr gut verständlich ist. Gleiches gilt auch für die Darstellungen von Prof. Heinrich und Dr. Scholzen im Bereich straf- und verwaltungsrechtlicher Fallgestaltungen, wobei die kritische Auseinandersetzung Prof. Heinrichs mit § 42a WaffG zwar interessant und stichhaltig ist, im straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Alltag aber nicht immer zwingend erfolgreich als Argument helfen wird. Der Beitrag von Dr. Scholzen gibt einen kurzen historischen Überblick zur allgemeinen Entwicklung des Waffenrechts im straf- und verwaltungsrechtlichem Bereich, insbesondere zu § 5 WaffG, zur Zuverlässigkeit nach dem WaffG und dem Bundesjagdgesetz und zum Sofortvollzug. Hierbei kritisiert er zutreffend, dass hinsichtlich der praktischen Handhabungsschwierigkeiten und Auswirkungen im Bereich der Wechselwirkung zwischen strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Aspekten des Waffengesetzes noch lange keine Klarheit in allen Punkten geschaffen ist. Vielmehr droht nach seiner Ansicht, welcher sich der Rezensent nur anschließen kann, eine ausufernde restriktive Verwaltungspraxis, die unangemessene Rechtsverluste der Bürger herbeiführt.
Ein 2. Lübecker Fachkongress zum Waffenrecht hat leider noch nicht stattgefunden. Sollte dieser stattfinden, kann man nur hoffen, dass dem teilnehmenden Fachpublikum, weiteren Fachleuten und interessierter Öffentlichkeit wieder mit einem solchen Werk Gelegenheit gegeben wird, an den Diskussionen und Ergebnissen teilzuhaben.