Tamm / Tonner [Hrsg.], Verbraucherrecht, 2. Auflage, Nomos 2016
Von Wirtschaftsjurist Christian Paul Starke, LL.M., Kreuztal
Das Beratungshandbuch zum Verbraucherrecht erscheint nach 2012 bereits in der 2. Auflage und befindet sich auf dem Stand vom Februar 2016. Es berücksichtigt damit insbesondere die Neufassungen des UWG und des Verbraucherdarlehensrechts im BGB.
Das Buch hat ein Hardcover und ist sehr langlebig. Die Seiten sind griffig und lassen sich schnell durchblättern. Das Werk umfasst insgesamt über 1.300 Seiten. Es enthält ein sechzigseitiges, extrem ausführliches und sehr übersichtlich gegliedertes Sachverzeichnis, das die Suche nach Lösungen für bestimmte Problemen deutlich erleichtert. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass im laufenden Text prägnante Suchbegriffe durch Fettdruck hervorgehoben wurden.
Das Werk ist in sieben große Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des Verbraucherschutzes erläutert. Dazu zählen insbesondere die Entwicklungsgeschichte des Verbraucherschutzrechtes, seine Zielsetzungen, verfassungs- und europarechtlichen Rahmenbedingungen, die ihm zugrundeliegenden Verbraucherleitbilder und die gesetzlichen Definitionen der sich gegenüberstehenden Vertragsparteien „Verbraucher“ und „Unternehmer“. Zu Letzterem werden ausführlich die Grenzfälle dargestellt und Merkmale zur Abgrenzung aus Rechtsprechung und Literatur geliefert. Dem Europarecht als maßgeblichem Rechtsrahmen auch des deutschen Verbraucherschutzes ist ein längerer Abschnitt gewidmet, in dem sowohl die primär- als auch sekundärrechtlichen Bestimmungen vorgestellt werden, die für den Bereich des Verbraucherschutzes bedeutsam sind, als auch ein Ausblick in die weitere Entwicklung bis zum Jahr 2020 geliefert wird.
Das zweite Kapitel widmet sich dann dem verbraucherrelevanten IT-Recht, namentlich dem Datenschutz- und Urheberrecht. Den Schwerpunkt der datenschutzrechtlichen Ausführungen stellen die im Rahmen eines Vertragsverhältnisses relevanten Normen des BDSG, insbesondere die Rechte der Unternehmen einerseits und der Verbraucher andererseits, dar. Es werden auch die internationalen Abkommen zum Datenaustausch kurz vorgestellt. Dabei findet eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem im letzten Jahr vom EuGH verworfenen Safe-Harbor-Abkommen mit den USA statt. Leider ist durch die bis zu ihrer Verabschiedung im Frühjahr unklare endgültige Ausgestaltung der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung diese noch überhaupt nicht berücksichtigt worden. Im Abschnitt des Urheberrechts findet sich eine sehr ausführliche Darstellung der geschützten Werke, deren Relevanz für die verbraucherschützende Intention des Werkes nicht ganz klar ist, da es in Abmahnungsfällen doch regelmäßig um eindeutig urheberrechtlich geschützte Werke geht. Hier wären tiefergehende Ausführungen zur Abwehr der teils immer noch deutlich überhöhten Abmahnkosten und Modifizierung der abzugebenden Unterlassungserklärungen für die Praxis der ratsuchenden Leser hilfreicher gewesen.
Das dritte Kapitel behandelt den Verbraucherschutz im vorvertraglichen Bereich. Hier werden ausführlich die Regelungen des UWG vorgestellt. Dies gilt sowohl für das materielle Recht als auch für die prozessuale Geltendmachung entsprechender Unterlassungsansprüche gegenüber Verletzern. Das UWG billigt zwar den Verbrauchern selbst keine Rechte zu, es bildet aber als Rechtsrahmen für das Wettbewerbsverhalten der am Markt tätigen Unternehmen, die dann den Verbrauchern als potentielle Vertragspartner gegenübertreten, eine in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzende Rechtsmaterie. So sollen zum einen die Verbraucher vor unlauterem Geschäftsgebaren der Unternehmen geschützt werden, zum anderen aber auch den Unternehmen selbst ein Level Playing Field für ihren Wettbewerb geschaffen werden, im Rahmen dessen sie dann um die Kunden konkurrieren können. Die Geltendmachung der Ansprüche obliegt dabei Verbraucherschutzverbänden als Interessenvertretern der Verbraucher sowie den Unternehmen bzw. Unternehmensverbänden als Mitwettbewerber der unfair agierenden Marktteilnehmer. Daneben werden in dem Kapitel auch die Rechte der Verbraucher für den Fall des Erhalts unbestellter Waren oder von Gewinnmitteilungen vorgestellt. Insbesondere der Versand unbestellter Waren ist zuletzt angesichts der klaren gesetzlichen Bestimmungen zurückgegangen, weil er für die Unternehmen schlicht nicht mehr lukrativ ist. Das Problem der Gewinnmitteilungen tritt aber bis heute in der Praxis der Verbraucherzentralen noch häufig zutage.
Im vierten Kapitel werden die besonderen Vertriebstypen „Außergeschäftsraumvertrag“, „Fernabsatz“ und „E-Commerce“ behandelt. Diese haben mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 eine nicht unerhebliche Neugestaltung erfahren. So werden zunächst die allgemeinen Vorschriften über Verbraucherverträge vorgestellt und davon ausgehend dann die Besonderheiten der einzelnen Vertragsschlusswege, ihre Tatbestandsvoraussetzungen, Ausnahmen und die dem Unternehmen in Folge dessen jeweils obliegenden Verpflichtungen erläutert.
Das nächste, fünfte Kapitel stellt dann die drei großen Instrumente des Verbraucherschutzes vor: Schutz der Verbraucher vor einer unangemessenen Benachteiligung durch die Unwirksamkeit bestimmter Regelungen in den AGB von Unternehmen, Aufklärungspflichten des Unternehmers gegenüber seinem Vertragspartner mittels umfassender Information über die beiderseitigen Rechte und Pflichten im Rahmen des Vertrags und die Möglichkeit zur nachträglichen Lösung von einem bereits abgeschlossenen Vertrag durch die Erklärung des Widerrufs.
Im sechsten Kapitel werden dann die besonders verbraucherschutzrelevanten Vertragstypen und ihre gesetzlichen Bestimmungen sowie die zu ihnen ergangene Rechtsprechung auf über 500 Seiten im Detail besprochen. Diese sind in die Oberpunkte Kaufvertrag, Versorgungs-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Tourismus und Freizeit sowie Gesundheitsdienstleistungen gegliedert und reichen von A wie „Arztbehandlungsvertrag“ bis Z wie „Zahlungsdienstrahmenvertrag“. Die Tiefe der Darstellungen richtet sich dabei allerdings nicht immer nach der Relevanz in Praxis und Wissenschaft.
Das siebte und letzte Kapitel befasst sich dann mit dem Schutz des Verbrauchers im Falle von Leistungsstörungen. Hier werden die Herstellergarantien, Produkt- und Produzentenhaftung aus Deliktsrecht sowie dem ProdHG und Schlichtungsstellen als Anlaufstellen des Verbrauchers bei Problemen in der Rechtsdurchsetzung behandelt. Darüber hinaus wird auch die Möglichkeit des kollektiven Rechtsschutzes durch Musterverfahren (insb. nach dem KapMuG) und Verbandsklagen erläutert. Zuletzt, und gegenüber den anderen behandelten Themen etwas fehl am Platze wirkend, werden noch die gesetzlichen Bestimmungen zum Verbraucherinsolvenzverfahren dargestellt.
Für den interessierten Leser bietet das Werk zu Beginn eines jeden Paragraphen eine teils sehr ausführliche Liste mit weiterführender Literatur. Die dort aufgeführten Werke sind aber leider nicht immer gut ausgewählt und aktuell (siehe z.B. die Liste des Schrifttums zu elektrischer Energie und Gas). Für die wissenschaftliche Arbeit ist das Werk deshalb auch nicht unbedingt geeignet, obwohl es sich zum Einstieg in ein Thema aufgrund seiner Kompaktheit gut eignet. Das ist aber auch nicht der Anspruch, da das Werk vor allem dem Praktiker eine Hilfestellung geben will.
Dieser Aufgabe wird es insgesamt gerecht. Mit seiner umfassenden Zusammenstellung der verbraucherschutzrechtlichen Materie stellt es ein hilfreiches Nachschlagewerk für jeden mit diesen Problemen befassten Juristen dar. Mit seiner starken Einbindung der aktuellen Rechtsprechung versinkt es nicht in teils rein theoretische Diskussionen der Literatur, sondern hilft bei der Beantwortung der für den hilfesuchenden Verbraucher relevanten Frage, ob sein Anliegen auch vor Gericht Aussicht auf Erfolg hat. Vermissen wird der Nutzer bei der Arbeit aber insbesondere Ausführungen zu der sehr praxisrelevanten Materie des Mietrechts, die aus Platzgründen in der zweiten Auflage nicht mehr behandelt wird. Alles in allem kann das Werk aber jedem regelmäßig mit Verbraucherschutzfragen betrauten Anwalt empfohlen werden und sollte auch in der Handbibliothek keiner Verbraucherzentrale fehlen.