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Rezension: Die Staatsanwaltsklausur

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Dinter / Jakob, Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen, 2. Auflage, C.F. Müller 2016

Von Rechtsreferendar Dr. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Heidelberg



Das Strafrecht nimmt im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung mit zwei Klausuren und der mündlichen Prüfung eine bedeutende Rolle für die Notenverteilung ein. Daher ist es für das Ziel eines erfolgreichen Examensergebnisses grob fahrlässig, Lücken bezüglich der unterschiedlichen Prozesssituation aufzuweisen. Gerade in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung spielt im Strafrecht das Prozessrecht eine immense Rolle, ist doch die Anfertigung diverser Klausurtypen (insbesondere die der Staatsanwalts- und die der Revisionsklausur) ohne tiefergehende Kenntnisse des Prozessrechts kaum im ausreichenden Bereich möglich. Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, dass Dr. Lasse Dinter, LL.M., Richter am Landgericht in Stade und Dozent bei der DeutschenAnwaltAkademie in Berlin, und Dr. Christian Jakob, LL.M., RA in Oldenburg und Lehrbeauftragter an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, die beide zugleich als Repetitoren Kurse für Referendare insbesondere in Vorbereitung auf die Staatsanwaltsklausur anbieten (www.assrep.de), ihr Werk zur Staatsanwaltsklausur nunmehr mit einem Umfang von 112 Seiten in zweiter Auflage vorgelegt haben.

In formaler Hinsicht ist das Werk einerseits wegen der leserfreundlichen Visualisierungen der behandelten Materie und andererseits wegen der klausurorientierten Gliederung, folglich Aufbau des Inhalts hervorzuheben. Die Visualisierung der Materie erfolgt sowohl mittels Übersichten als auch grauen Kästchen. Dabei sind gerade die Übersichten besonders leserfreundlich, weil sie einerseits ausgewählte Prüfungs- und Denkschritte (vgl. für Prüfungsschritte bspw. Rn. 19: zur Prüfung des hinreichenden Tatverdachts und für Denkschritte etwa Rn. 106: zur [gesetzessystematisch vorgegebenen] gedanklichen Herangehensweise an Beweisverwertungsverbote) und andererseits System- und Aufbauhinweise im Gesamtzusammenhang (vgl. für Systemübersichten etwa Rn. 130: zu den Mitteilungen nach MiStra und zu Aufbauübersichten etwa Rn. 165: Aufbau von Anklageschriften in Norddeutschland, Bayern und Baden-Württemberg) besonders einprägsam illustrieren. Die klausurorientierte Gliederung des Werkes zeigt sich darin, dass die einzelnen klausurrelevantesten Rechtsfragen in der Reihenfolge der jeweiligen Prüfungspunkte des materiell-rechtlichen Gutachtens („A-Gutachten“), sodann die des prozessrechtlichen Gutachtens („B-Gutachten“) und anschließend die des praktischen Teils präsentiert werden. Zwar wird hierbei der nord- und mitteldeutsche Klausurentyp zugrunde gelegt, aber es werden zugleich die Besonderheiten des süddeutschen Klausurentyps berücksichtigt (hierzu Rn. 3 a.E.).

Inhaltlich besticht das Werk – neben der zu erwartenden prägnanten Darstellung der klausurrelevantesten Fragestellung der Staatsanwaltsklausur – gleich aus mehreren Gründen, die unter dem gemeinsamen kleinsten gemeinsamen Nenner einer klausurmethodischen Illustration des abstrakten Wissens zusammengefasst werden können und hier hervorgehoben werden: So ist zuvorderst festzuhalten, dass der Inhalt des Werkes mittels einer Analyse von Examensklausuren aus den unterschiedlichen Bundesländern generiert wurde (Vorwort; dies zeigt sich z.B. in Rn. 35, worin das Problem der Fristberechnung nach § 77b StGB ausdrücklich mittels eines Beispiels aus einem Examensfall illustriert wird; für ein anderes Beispiel vgl. Rn. 53) und dementsprechend einen verlässlichen Leitfaden für die Examensvorbereitung darzustellen vermag. Gleichzeitig erfolgen zahlreiche Ausführungen in Orientierung an die Rechtsprechung, wobei bisweilen sogar – aktuelle – Urteile mittels Präsentation des Sachverhalts und unter ausdrücklicher Wiedergabe der Urteilsgründe (vgl. etwa Rn. 90 ff. zu einem jüngeren Fall bezüglich der Verwertung einer Beschuldigtenaussage im Zusammenhang mit einer „Hörfalle“ oder Rn. 95 zur Begründung eines selbstständigen Beweisverwertungsverbots durch das BVerfG und den BGH im Falle eines Eingriffs in die Intimsphäre als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts [„Selbstgespräche“]; für ein anderes Beispiel vgl. Rn. 60 f.) dargestellt werden. Auf diese Weise erhält der Leser beim Durcharbeiten des Werkes nicht nur ein Gespür für die Anforderungen der Examensklausuren, sondern kann zugleich ausgewählte, einschlägige Rechtsprechung im jeweils examensrelevanten Zusammenhang erfassen. Daneben ist es besonders erfreulich, dass Dinter/Jakobstets darauf hinweisen, welche Arbeitsschritte mit wiederkehrenden Sachverhaltskonstellationen zu verknüpfen und dementsprechend etwaige Prüfungen vorzunehmen sind (vgl. etwa Rn. 111: zu zwei möglichen Konstellationen und den entsprechenden Prüfungsschritten im Falle einer Einstellung nach §§ 376 i.V.m. 170 Abs. 2 StPO bei Privatklagedelikten; für ein anderes Beispiel vgl. Rn. 6 f.). Flankiert wird diese Herangehensweise dadurch, dass Dinter/Jakobdarauf hinweisen, an welchem Prüfungs- bzw. Darstellungsort die jeweiligen Rechtsfragen bzw. Einzelelemente darzustellen sind, sofern sich dies nicht bereits aus dem Aufbau des Werkes ergibt. Hierbei berücksichtigen sie – soweit möglich – Unterschiede der Klausurpraxis der einzelnen Bundesländer (vgl. beispielsweise Rn. 16: zum Prüfungsort des Strafantrags als Strafverfolgungsvoraussetzung, Rn. 140: zum Darstellungsort des Antrags auf Eröffnung des Hauptverfahrens oder Rn. 196: zum Darstellungsort einer objektiven Bedingung der Straftat). Äußerst gewinnbringend für die Klausur sind darüber hinaus die bisweilen vorzufindenden arbeitstechnisch-methodologischen Tipps bezüglich der Rechtsanwendung: So wird etwa darauf hingewiesen, dass das „besondere öffentliche Interesse“ für die Verfolgung einer Körperverletzung anhand der in Nr. 234, 235 Abs. 2 S. 1 RiStBV aufgeführten Vorgaben bejaht werden kann, um eine entsprechende Straftat auch ohne einen Strafantrag verfolgen zu können (Rn. 16; für ein anderes Beispiels vgl. Rn. 110). Solche Hinweise sind enorm hilfreich, weil sie einerseits zur Beschleunigung der Subsumtion in der konkreten, vom Zeitmangel geprägten Klausursituation beitragen können und andererseits – bei entsprechender Umsetzung durch den Leser in der Klausursituation – dem Korrektor ein Zeugnis von Systemverständnis liefern, folglich für den Kandidaten zum Sammeln wertvoller Punkte führen können. Schließlich sind die zahlreichen Formulierungsbeispiele besonders zu begrüßen, weil sie dem Leser – gerade im vom Bestimmtheitsgrundsatz geprägten Strafrecht – ein Gespür für das präzise Formulieren vermitteln (vgl. beispielsweise Rn. 9 f.: Formulierung des Obersatzes unter ausdrücklichem Aufzeigen eines falschen und eines richtigen Obersatzes, sofern die Beweismittel für den hinreichenden Tatverdacht im Obersatz genannt werden [vgl. insoweit auch Rn. 42] oder Rn. 125: Formulierung einer Strafzumessung im Zusammenhang mit der Bestimmung der sachlichen Gerichtszuständigkeit). Abgerundet werden die Formulierungsbeispiele im Dritten Teil des Werkes zum „praktischen Teil“ der Klausur, weil dort zu jedem Punkt der Anklageschrift und der Abschlussverfügung Formulierungs- und Gliederungsbeispiele präsentiert werden. Hierdurch wird dem Leser, der die prozessuale Begutachtung und die praktische Umsetzung der strafrechtlichen Begutachtung im Zuge der Vorbereitung auf das „1. Staatsexamen“ wenig eingeübt haben dürfte, eine exzellente Möglichkeit eröffnet, ein Gespür für das eigenständige, korrekte Abfassen der Klausur zu entwickeln.

Insgesamt ist die Neuauflage des Werkes von Dinter/Jakobnicht nur deswegen besonders zu begrüßen, weil es einen äußerst verlässlichen Leitfaden im Hinblick auf das für die Staatsanwaltsklausur notwendige Prüfungswissen illustriert. Vielmehr kann es jedem Rechtsreferendar deswegen zur Lektüre empfohlen werden, weil es ihm einerseits die praktische Arbeits- und Denkweise und andererseits die praktische Umsetzung der strafrechtlichen Begutachtung(en) im Rahmen der Staatsanwaltsklausur ganz besonders instruktiv vermitteln.

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