Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozessordnung, 71. Auflage, C.H. Beck 2013
Von RA Florian Decker, Saarbrücken
Zu „dem Baumbach“ dürfte in den letzen Jahrzehnten im Grunde schon fast alles gesagt worden sein, was einem Rezensenten einfallen kann. Gleichwohl hat sich dieses Werk sicherlich auch in neuester Auflage eine ausführliche Besprechung verdient. Schließlich handelt es sich um eines DER Standardkommentarwerke zur deutschen Zivilprozessordnung. Wie der Titelzeile zu entnehmen, liegt es nunmehr schon in der sage und schreibe 71. Auflage vor und hat in dieser Zeit einen „Ruf wie Donnerhall“ in der deutschen Justizlandschaft gewonnen. Nach Gründung durch Dr. Adolf Baumbach wurde das Werk zunächst fortgeführt von Prof. Dr. Wolfgang Lauterbach und sodann übernommen von den Dr. Jan Albers und Dr. Dr. Peter Hartmann. Zwischenzeitlich liegt es nun allein in den fähigen Händen von Dr. Dr. Peter Hartmann. Das Werk wurde nicht zuletzt berühmt - und unter Praktikern, Referendaren und Jurastudenten auch „berüchtigt“ - durch die darin nachzulesende „Baumbach’sche Kostenformel“, die zur Berechnung der Gerichtskosten bei Streitgenossen dient.
Das Standardwerk aus der Reihe der „Beck’schen Kurz-Kommentare“ ist aber auch in 71. Auflage keineswegs nur bei Fragen der Kostenverteilung im Zivilprozess nützlich sondern kann auch für sämtliche anderen Fragen der ZPO mit Gewinn herangezogen werden. In der aktualisierten Fassung enthält der Baumbacheine Vertiefung der Gesamtkommentierung der ZPO mit Stand von Mitte bis Ende September 2012, teilweise auch bis 01.01.13. Dabei beschränkt sich die Kommentierung keineswegs auf „lediglich“ die Kommentierung sämtlicher 1109 Paragraphen der Zivilprozessordnung auf 2690 Seiten, sondern enthält auch eine Kommentierung der §§ 1 bis 39 EGZPO, der §§ 1 bis 491 FamFG sowie auch Kommentierungen zum GVG und zum internationalen Prozessrecht nach EuGVVO, LugÜ, AVAG etc. pp. Es verfügt über ein umfangreiches Stichwortverzeichnis und eine ebenso umfangreiche und klare Inhaltswiedergabe.
Insoweit unterscheidet sich das inhaltliche Angebot nachvollziehbarer Weise auf den ersten Blick nicht von anderen Standardkommentarwerken wie jenen von Musielak, Zöller, usw. Das wesentliche Unterscheidungskriterium des Baumbach liegt insoweit in Aufbau und Darstellung der Kommentierung und unterscheidet sich insoweit sehr wohl von „der Konkurrenz“. Im Gegensatz zu anderen Vertretern der ZPO-Kommentar-Riege ist die Darstellung im Baumbach klarer auf eine Praxistauglichkeit zugeschnitten. Sie ist anhand der Darstellungsart für das „schnelle Nachschlagen“ besser geeignet als die der meisten anderen Kommentarwerke. Es finden sich weniger allgemeine Abhandlungen zu Streitständen zwischen Rechtsprechungen bzw. gar Literatur und Rechtsprechung. Auch finden keine allzu ausufernden Diskussionen/Argumentationen hinsichtlich des Für und Wider einzelner Auslegungsfragen Raum. Die Darstellung ist in aller Regel beschränkt auf die Wiedergabe der herrschenden Meinung zu einem bestimmten Punkt. Dies erfolgte in klar strukturierter und „knackig kurzer“ Art und Weise und jeweils mit weiteren Nachweisen. So ist es vor allem dem Praktiker ermöglicht, in der täglichen Bearbeitung das nachzuschlagen, was akut von Nöten ist, um sicher und mit Erfolg einen Prozess zu führen. Bei aller Liebe zur dogmatischen Diskussion ist es schließlich in aller Regel so, dass sich die Untergerichte in schon lange diskutieren Streitfragen nach den etablierten Meinungen der Obergerichte ausrichten werden. Diese findet der Praktiker zielgerecht im Baumbach, ohne durch „a.A.“ abgelenkt zu werden. Wollte man ein Manko an dem Werk hervorheben, so könnte man darauf verweisen, dass der Studierende der Rechtswissenschaften oder derjenige, der sich eher dogmatisch mit der ZPO und ihren Regularien auseinandersetzen möchte, mit der baumbach’schenDarstellungsweise eher weniger wird anfangen können. Als Startpunkt für eine dogmatische Auseinandersetzung mit dem Für und Wider und für eine Beschäftigung mit den verschiedenen Theorien Streitigkeiten um einzelne Vorschriften, werden andere Werke wohl eine bessere Ausgangsbasis bilden. Den Praktiker wird dies aber eher anziehen denn abstoßen.
Um ein konkretes Beispiel der Darstellungsart zu geben, sei der § 233 ZPO herausgegriffen, der im Aufbau den Darstellungen der anderen Normen absolut gleicht. Zunächst finden sich dort einige allgemeine Erläuterungen zu Systematik, Regelungszweck und sachlichem Geltungsbereich. Die Kommentierung zeichnet sich dann aber dadurch aus, dass nach kurzem Anriss der jeweiligen Tatbestandsmerkmale, sich in der Regel eine Aufzählung von Beispielen in alphabetischer Reihenfolge anschließt, der die Anwendbarkeit bzw. Einordnung des Merkmals in bestimmten Kontexten zu entnehmen ist. Im Rahmen des § 233 findet sich unter Rn. 7 ff. eine lange Reihe von Beispielen zur Frage des Vorliegens einer Notfrist. Will man z.B. wissen, ob die Klageerwiderungsfrist eine Notfrist ist, in welche Wiedereinsetzung beantragt werden könnte, so wird man unter Rn. 8 im Rahmen der Aufzählung zum Tatbestandsmerkmal der Notfrist im Rahmen des § 233 ZPO unter dem Stichwort „Klageerwiderungsfrist“ die kurze aber hilfreiche Aussage finden „diejenige nach § 275 Abs. 1 Satz 1 ist keine Notfrist“. Dabei wird auf eine Entscheidung aus Koblenz verwiesen. Durch den klaren Verweis auf die passende Parallelvorschrift und eine gerichtliche Entscheidung wird der Bearbeiter zusammen mit den klaren und prägnanten Worten selbst in die Lage versetzt, sein Problem unmittelbar zu lösen und bei der Weiterarbeit einfließen zu lassen.
Auch in der neusten Auflage setzt der Baumbachalso seine beeindruckende Karriere erfolgreich fort. Das Werk ist jedenfalls allen Praktikern wärmstens zu empfehlen.