Thomas / Putzo, ZPO, Kommentar, 36. Auflage, C.H. Beck 2015
Von Rechtsreferendar Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Heidelberg
Die von Herrn Prof. Dr. Thomas, ehem. Vorsitzender Richter am OLG München, und Herrn Prof. Dr. Hans Putzo, ehem. Vizepräsident des Bayer. Obersten Landesgerichts, begründete und von Herrn Dr. Klaus Reichold, Vorsitzender Richter am Bayer. Obersten Landesgericht a.D., Herrn Dr. Rainer Hüßtege, Vorsitzender Richter am OLG München und Herrn Dr. Christian Seiler, Richter am OLG München und Lehrbeauftragter der Universität Regensburg, fortgeführte Kommentierung zur Zivilprozessordnung und sonstigen zivilprozessualen Vorschriften im Hause C.H. Beck bedarf wohl kaum einer Vorstellung: Der Praktiker dürfte diese kompakte, zugleich jedoch dezidierte Kommentierung der wichtigsten Prozessvorschriften für die Zivilgerichtsbarkeit regelmäßig befragen, für Rechtsreferendare stellt dieses Werk ein in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zulässiges Hilfsmittel dar und auch Studierende kommen bei der sorgfältigen Erstellung einer Übungshausarbeit, die ausnahmsweise prozessuale Fragen aufwerfen kann, kaum um dieses Standardwerk herum.
Daher bedarf es im Folgenden keiner Darstellung der formalen Gestaltung und der kommentierten Gesetze dieses Werkes, die der einschlägigen Leserschaft unlängst bekannt sein dürften. Vielmehr können an dieser Stelle einige inhaltliche Besonderheiten herausgegriffen werden, die einerseits speziell die Anschaffung der Neuauflage erforderlich machen und andererseits generell die Anschaffung für angehende oder dienstjüngere Rechtsreferendare attraktiv erscheinen lassen.
Mit der, auf Wunsch der Leserschaft um einen Monat vorgezogenen, Veröffentlichung der Neuauflage wird insbesondere die Kommentierung der europäischen Vorschriften über die Gerichtszuständigkeiten für Sachverhalte mit internationalem Bezug aktualisiert. Denn seit Beginn des Jahres 2015 ist die Brüssel Ia-VO in Kraft getreten, sodass sich einige Fragen des internationalen Zivilverfahrensrechts verändert haben: So beispielsweise die Frage nach dem Verhältnis zu Drittstaaten bei doppelter Anhängigkeit oder die Verzahnung der staatlichen mit der Schiedsgerichtsbarkeit (näher zu den sonstigen Veränderungen Thomas/Putzo/Hüßtege, Vorbem EuGVVO Rn. 1). Hüßtege kommentiert die gesamte EuGVVO samt den durch die Novellierung bedingten Änderungen und sticht hierbei durch die ausführliche Befragung und Aufnahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor. Hierdurch wird der Leser mühelos in die Lage versetzt, die autonome Auslegung des europäischen Rechts in seine tägliche Praxis aufzunehmen und für seine beratende Tätigkeit zu berücksichtigen. Dabei wird jedoch keineswegs das Europarecht schlicht im eigenen Abschnitt, folglich isoliert behandelt, sondern auch im Rahmen der ZPO an den einschlägigen Stellen berücksichtigt (vgl. etwa Thomas/Putzo/Hüßtege, § 723 ZPO Rn. 5), sodass dem Leser sogar die Verzahnung des nationalen mit dem supranationalen Recht auf erfreuliche Weise präsentiert wird.
Neben dieser Aktualität (bspw. auch in der Kommentierung zur ZPO durch die Aufnahme neuerlichen Entwicklungen abzulesen) und der instruktiven Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben besticht das Werk gerade im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung aus der Sicht eines Rechtsreferendars aus zweierlei anderen Gründen: Zum einen beginnt die Kommentierung in den ersten 6 Unterabschnitten der Einleitung mit der Darstellung einiger Grundlagen und der Vorstellung diverser Grundbegriffe der Zivilprozessordnung. Die Kenntnisse dieser Grundlagen (e.g., was ist eine Prozesshandlung?) und Grundbegriffe (e.g., was versteht man unter vermögensrechtlichen Streitigkeiten im prozessualen Sinne?) sind für die Anwendung des gesamten Prozessrechts eine unabdingbare Bedingung. Doch – und hier ist das entscheidende Momentum der Besonderheit – stehen diese Darstellungen nicht isoliert zu Beginn, sondern werden im Laufe der Kommentierung wiederholt in Bezug genommen (vgl. etwa bei der Klagerücknahme den Hinweis auf ihre Natur als Prozesshandlung und den sich hieraus ergebenden Folgen für beispielsweise die Voraussetzungen für die Erklärung [keine ausdrückliche Erklärung zwingend] Thomas/Putzo/Reichold, § 269 ZPO Rn. 6). Damit wird dem Leser stets der Bezug zu den Grundlagen präsentiert und er kann sich somit ein systematisches Gesamtverständnis als unabdingbare Bedingung für die in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung erforderliche Transferleistung erarbeiten. Zum anderen ist aus der Sicht des Rechtsreferendars besonders erfreulich, dass bisweilen eine Zusammenstellung von Antworten auf Rechtsfragen aufgenommen wurden, die klausurrelevante Sachverhaltskonstellationen betreffen: So wird beispielsweise eine instruktive Übersicht zu den Problemfällen im Rahmen der Berechnung des Zuständigkeitsstreitwertes für die Frage der sachlichen Zuständigkeit (§§ 23 Nr. 1, 71 I GVG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO) für den Fall aufgeführt, in dem die erhobene Klage (e.g., Herausgabe einer Sache) die Bezifferung des Streitwertes erschwert: Hüßtege präsentiert eine alphabetische Auflistung solcher Fälle mit prägnanten Lösungshinweisen (§ 3 ZPO Rn. 5 ff.), die dem Rechtsreferendar das Auswendiglernen solcher „Rechtsfragen“ ersparen. Bereits aus diesen zwei vorstehend genannten Gründen lässt sich folgern, die Kommentierung von Thomas/Putzo sollte bereits zum Beginn des Vorbereitungsdienstes lernbegleitend eingesetzt werden, um sowohl die Arbeit mit der Kommentierung einzuüben als auch das Lernen auf das Erfassen der systematischen Zusammenhänge, denn auf das Auswendiglernen isolierter Einzelfragen zu konzentrieren.
Insgesamt muss die Neuauflage gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen auf europäischer Ebene mit weitreichenden Folgen auch für die Anwendung des nationalen Rechts jedem Juristen dringend angeraten werden. Rechtsreferendaren ist dieses Werk insofern als lernbegleitendes Medium dringend zu empfehlen, als dies einerseits einen erhöhten Lerneffekt verspricht und andererseits der Umgang mit diesem in der Zweiten Juristischen Staatsprüfung zugelassenen Hilfsmittel eingeübt, folglich im Ernstfall wesentlich erleichtert wird.