Fromlowitz, Das Urheberpersönlichkeitsrecht und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Diss. Marburg, 1. Auflage, Peter Lang 2014
Von Ref. iur. Arian Nazari-Khanachayi, LL.M. Eur., Frankfurt a.M.
Das Verhältnis zwischen dem Urheberpersönlichkeitsrecht und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist seit jeher umstritten. Dabei ist die Diskussion um dieses Spannungsverhältnis in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht keineswegs rein akademischer Natur: Denn gerade der Monismus des deutschen Urheberrechts bedeutet für das Urheberpersönlichkeitsrecht nicht nur ein Werk-, sondern zugleich ein Persönlichkeitsschutz mit unmittelbarem Bezug zur wirtschaftlichen Verwertungsmöglichkeit des Werkes (näher hierzu Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 17. Auflage 2015, Rn. 52, 131 u. 536). Dem Titel nach ist die Dissertation von Patrick Fromlowitz, die im Mai 2013 an der Philipps-Universität Marburg angenommen und nunmehr in der Schriftenreihe zum Handels- und Wirtschaftsrecht im Hause Peter Lang erschienen ist, in diese Schnittstelle mit einer hohen theoretischen und praktischen Relevanz einzuordnen.
So zeichnet der Verfasser im ersten Teil seiner Untersuchung die Entwicklungslinien innerhalb der Literatur, der Gesetzgebung und Rechtsprechung nach. Hierbei ist insbesondere – auch für die heutige Diskussion höchst relevant – hervorzuheben, dass Fromlowitz mit der Darstellung der Literaturansichten, insbesondere durch die Rekonstruktion der Argumentation von Kant und Bluntschli den naturrechtlichen Kern des Rechts herausarbeitet und sodann mit der Darstellung der Entwicklung in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts im Lichte verfassungsrechtlicher Vorschriften den Wandel zu einem „positivierten“, wenngleich noch nicht vollumfänglich kodifiziertem Recht festhält. Denn nicht zuletzt der historische Gesetzgerber des UrhG-1965 hat das naturrechtlich (hierzu eindeutig BT-Drs. IV/270 v. 23.03.1962, S. 44 linke Spalte) aufgestellte Urheberpersönlichkeitsrecht bewusst nicht vollumfänglich im seinerzeitigen Gesetzentwurf geregelt und sogar die §§ 22 f. KUG in Kraft gelassen, weil der Gesetzgeber zu dem Zeitpunkt davon ausging, ein „Gesetz zur Neuregelung des zivilrechtlichen Persönlichkeits- und Ehrenschutzes“ würde in Kraft treten (RegE, BT-Drs. IV/270 v. 23.03.1962, S. 35 linke Spalte, mit Verweis auf RegE, BT-Drs. III/1237).
Sodann fährt Fromlowitz mit seiner Untersuchung fort und stellt einerseits den Inhalt des allgemeinen und andererseits den Inhalt des Urheberpersönlichkeitsrechts vor, um auf Seite 105 die interessante Frage aufzuwerfen, ob das Urheberpersönlichkeitsrecht tatsächlich ein besonderes Persönlichkeitsrecht darstellt. Nicht zuletzt betont auch der Verfasser die Bedeutung der Antwort auf diese Frage für die Anwendbarkeit der Regelungsregime nebeneinander, die im Falle einer Selbstständigkeit des Urheberpersönlichkeitsrechts wegen des Spezialitätsverhältnisses zu verneinen, andernfalls zu bejahen wäre (S. 105 f.). Fromlowitznimmt nach einer ausführlichen Bestandsaufnahme der zu dieser Frage vorgetragenen Ansicht eine Stellungnahme vor, entscheidet sich für eine Anwendbarkeit der Regime nebeneinander und bringt hierfür das Hauptargument vor, zwischen den beiden Regimen bestünden „strukturelle Unterschiede“, insbesondere vor dem Hintergrund der Werkakzessorietät des Urheberpersönlichkeitsrechts, wohingegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht „jedem Menschen von Natur aus in gleicher Weise zu[käme]“ (S. 109). Dieser Ansicht kann auch vor dem Hintergrund der vom historischen Gesetzgeber des Urheberrechtsgesetzes vorgebrachten Unterscheidung zugestimmt werden, weil der Gesetzgeber in Anlehnung an die vom BGH entwickelten Grundsätze den Unterschied zwischen allgemeinen und urheberrechtsspezifischen Persönlichkeitsrechtsrechten betont, folglich die allgemeinen Persönlichkeitsrechte einerseits den §§ 22 f. KuG und andererseits den aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG folgenden Ausprägungen überlassen hat (vgl. RegE, BT-Drs. IV/270, S. 35 linke Spalte).
Im nächsten Teil beschäftigt sich der Verfasser mit dem postmortalen (Urheber-)Persönlichkeitsrechtsschutz, wobei er ausgehend vom Urheberpersönlichkeits- hin zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vorgeht. Hierdurch versetzt sich Fromlowitz in die Lage, aus den Erkenntnissen im Hinblick auf das mit dem monistischen urheberrechtlichen Denken verbundenen Verfügungsfreiheit der Erben im Hinblick auf das Urheberpersönlichkeitsrecht eine eigene These bezogen auf die Verfügungsfreiheit der Erben von allgemeinen Persönlichkeitsrechten zu entwickeln: So schlägt der Verfasser entgegen der Literartur- und Rechtsprechungsmeinung vor, die Erben eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts aufgrund der auch hier festzustellenden Untrennbarkeit der ideellen von den materiellen Interessen eine vollumfängliche Verfügungsfreiheit einzuräumen. Eingeschränkt wird diese Freiheit der Erben lediglich durch die letztwillige Verfügung des Erblassers. Auch wenn diese These einen gewissen Charme in sich trägt, wäre gerade bezüglich des Urheberpersönlichkeitsrechts eine etwas kritischere Haltung wünschenswert gewesen (dazu sogleich mehr).
Im Schlussteil seiner Untersuchung befasst sich Fromlowitzmit der Übertragbarkeit des Urheberpersönlichkeits- und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und gelangt nach einer Bestandsaufnahme des geltenden Rechts in beiden Bereichen zum Schluss, Persönlichkeitsrechte seien nach den gesetzlichen Vorgaben unübertragbar, obgleich vertragsrechtliche Lösungen denkbar seien, die zu einer Erleichterung der Verkehrsfähigkeit des jeweiligen Gutes (sofern eine akzessorische Situation angesprochen wird) beitragen können. An dieser Stelle und auch gerade vor dem Hintergrund der von Fromlowitzvorgeschlagenen Verstärkung des postmortalen (Urheber-)Persönlichkeitsrechtsschutzes wäre jedoch eine kritischere Haltung wünschenswert gewesen. Denn gerade die starke Europäisierung des Urheberrechts mit nunmehr 10 – zum Teil vollharmonisierenden – Richtlinien (im Überblick hierzu Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 17. Auflage 2015, Rn. 13 et passim) lässt das Urheberrecht nunmehr als Instrument der Ermöglichung der marktmäßigen Organisation von Literatur, Wissenschaft und Kunst (so prägnant Peukert, GRUR-Beil. 1/2014, 77 [80 m.w.N.]; näher hierzu Rehbinder/Peukert, Urheberrecht, 17. Auflage 2015, Rn. 8) erscheinen. Auch wenn hierbei das Urheberpersönlichkeitsrecht vom europäischen Gesetzgeber stets „unberührt“ gelassen wurde (siehe etwa Art. 9 RL 93/98/EWG, ErwG 28 RL 93/83/EWG oder ErwG 19 RL 2001/29/EU) und man daher durchaus auch heute noch vom naturrechtlichen Gehalt der jeweiligen Vorschriften – obgleich sie nunmehr bisweilen auf völkerrechtliche Verträge zurückgehen mögen (siehe etwa Art. 5 WPPT und RegE, BT-Drs. 15/38 v. 06.11.2002, S. 15 linke Spalte) – ausgehen darf, wäre eine kritische Durchleuchtung im Gesamtkontext des Europäischen Urheberrechts weiterführend gewesen, obgleich der Mangel nicht auf Kosten der Qualität der Untersuchung von Fromlowitz geht. Eine kritische Hinterfragung der auch gerade mit dem postmortalen Schutz verbundenen 70 jährigen Schutz vor dem Hintergrund der damit abgebremsten Verkehrsfähigkeit hätte freilich einige interessante Einsichten generieren können.
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass sich Fromlowitzmit seiner Ansicht und der Stärkung von Persönlichkeitsrechten in guter Gesellschaft befindet (siehe etwa Schack, Urheberrecht, 6. Auflage 2013, § 1 Rn. 22, der sich für eine stärkere Betonung von Urheberpersönlichkeitsrechten einsetzt). Insgesamt ist die Dissertation von Patrick Fromlowitz eine Lektüre wert und bringt interessante Einblicke in die dogmatischen Einzelheiten des geltenden Rechts mit sich und kann daher dem interessierten Leser empfohlen werden.