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Rezension Öffentliches Recht: Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen

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Roth, Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen – Praxis der Steuerfahndung, 1. Auflage, Erich Schmidt 2014

Von RA Thorsten Franke-Roericht, LL.M. (Wirtschaftsstrafrecht), Frankfurt am Main


„Sammelauskunftsersuchen und internationale Gruppenanfragen haben Hochkonjunktur“ – das ist nicht nur ein Werbeslogan des Verlages, es ist auch ein Fakt, jedenfalls bezogen auf die in der Fahndungspraxis bewährten Sammelauskunftsersuchen. Internationale Gruppenanfragen, die wie nationale Sammelauskunftsersuchen steuerrelevante Informationen über eine Vielzahl von Steuerpflichtigen liefern sollen, sind hingegen ein noch recht neues Steuerfahndungsinstrument. Gleichwohl zählen sie bei der zwischenstaatlichen Steuer-Amtshilfe inzwischen zum Standard. Eine Monographie zu diesen Themen existierte bislang nicht. David Roth, LL.M. oec., stellvertretender Leiter des Staatlichen Rechnungsprüfungsamtes für Steuern in Münster und Autor im Steuerstrafrechtskommentar von Rolletschke / Kemper (Steuerstrafrecht, Loseblatt, Carl Heymanns), legt nun als Erster ein solches Werk vor. Es richtet sich vorrangig an Praktiker. Der Blick auf die diskutierten Themen orientiert sich daher an der Rechtsprechung. Dennoch kommen Ansichten aus Wissenschaft bzw. Steuerpraxis nicht zu kurz.

Das Werk ist in zwei große Teile gegliedert: Der erste Teil behandelt „Grundlagen“ (Gliederungspunkte 1. bis 15.), der zweite „Sonderfragen“ (16. bis 28.). Bei genauer Hinsicht lassen sich innerhalb dieser Zweiteilung drei Hauptblöcke erkennen: Inländische Sammelauskunftsersuchen, Gruppenanfragen und Internationale Steuer-Amtshilfe sowie inländische Ersuchen mit mittelbarem Auslandsbezug. Das Werk schließt mit einem Literaturverzeichnis und einem Sachverzeichnis. Beide sind hilfreich: Das Literaturverzeichnis ist stark an einschlägiger Spezialliteratur orientiert, das Sachverzeichnis überaus detailliert und praxisbezogen (vgl. beispielsweise „Imageschaden für Kunden“ bzw. „Selbstanzeige“).

Im „Grundlagen“-Teil liefert Roth zunächst eine kurze Einführung in die Themen Steuerfahndung („Doppelfunktionalität“), Sammelauskunftsersuchen und Gruppenanfragen („stehen im Fokus der praxisorientierten Beratung sowie der gerichtlichen und außergerichtlichen Auseinandersetzung“). Hier hätte es sich m. E. noch angeboten, die Gruppenanfragen kurz in den Kontext übriger zwischenstaatlicher Auskunftsersuchen in Steuersachen zu stellen (z. B. auf Grundlage der EU-Amtshilferichtlinie / des EU-Amtshilfegesetz, der EU-Zinsrichtlinie / Zinsinformationsverordnung, der Mehrwertsteuer- und Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung bzw. auf Grundlage von Informationsaustauschabkommen). In den anschließenden Kapiteln setzt sich Roth dann näher mit den Grundlagen der Auskunftspflicht, der Steuerfahndung sowie der Sammelauskunftsersuchen und ihrer Folgefragen auseinander (2. bis 15.). Hervorzuheben sind hier die Themen „Auskunftsverweigerung“ (12./13.), „Kostenerstattung“ (14.) und „Rechtsschutz“ (15.), da sie gerade auf Beraterseite von besonderer Relevanz sind. Gleiches gilt für die im „Sonderfragen“-Teil spezifisch angesprochenen Branchen bzw. Themen „Kreditinstitute“ (18.), „Telekommunikation“ (19.), „Presseorgane“ (20.), „Selbstanzeigen“ (21.) und „Datenschutz“ (22.).

Ebenfalls hervorzuheben sind die im „Sonderfragen“-Teil des Werks behandelten „internationalen Gruppenanfragen“ (27.): Hier ist beispielsweise noch nicht geklärt, welche konkreten Anforderungen an Gruppenanfragen zu stellen sind. Zwar kann auf die zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens existierenden Leitlinien der Muster-Kommentierung zurückgegriffen werden, da inzwischen der wohl überwiegende Teil multilateraler völkerrechtlicher Verträge – vor allem Doppelbesteuerungsabkommen – die „große Auskunftsklausel“ des Musterabkommens übernommen hat. Art. 26 OECD des Musterabkommens bzw. die hierzu formulierten Leitlinien sind jedoch sehr allgemein gehalten (27.1). Daher ist eine Konkretisierung erforderlich. Zumindest in negativer Hinsicht steht fest: Sog. „Fishing Expeditions“, also Anfragen ohne konkrete Anhaltspunkte bzw. Verdachtsmomente, sind unzulässig (27.2.4.1). Zwar kann auf die zu Art. 26 des OECD-Musterabkommens existierenden Leitlinien der Muster-Kommentierung zurückgegriffen werden, da inzwischen der wohl überwiegende Teil bilateraler und multilateraler völkerrechtlicher Verträge – vor allem Doppelbesteuerungsabkommen – die „große Auskunftsklausel“ des Musterabkommens übernommen hat.

Es ist nun die besondere Leistung von Roth, die in der bisherigen Literatur vorgestellten Konkretisierungsansätze aufzuzeigen und zu bewerten (27.2.4.3), und sodann um einen eigenen Ansatz zu erweitern: So will Roth insbesondere die Kasuistik zum „hinreichenden Anlass“, der für inländische Sammelauskunftsersuchen verlangt wird, als weiteres Konturierungselement für Gruppenanfragen fruchtbar machen; dabei hebt er die in diesem Kontext vom Bundesfinanzhof zuletzt geforderte „erhöhte Entdeckungswahrscheinlichkeit“ besonders hervor (27.2.4.4). Ein m. E. schlüssiger Ansatz.

Man darf mit Spannung erwarten, ob und – falls ja – wie sich das neue Instrument „Gruppenanfragen“ in der Steuerfahndungspraxis bewähren wird. Eine „Hochkonjunktur“ solcher Anfragen wird aktuell jedoch nicht erwartet. Das mag auch daran liegen, dass die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur in Fällen zwischenstaatlicher Steuer-Amtshilfe verlangen, zunächst alle zumutbaren inländischen Ermittlungsmaßnahmen auszuschöpfen („Grundsatz der Subsidiarität“).

Fazit: Das Werk von Roth ist eine Spezialliteratur für Praktiker. Es liefert Antworten auf praxisrelevante Fragestellungen, ohne aktuelle Problembereiche auszuklammern. Insbesondere Berater und Unternehmensjuristen werden das Werk zu schätzen wissen. Als Einstieg in die (internationale) Steuerfahndungspraxis ist es – wegen der speziellen Thematik – nur bedingt geeignet. Hier wäre es hilfreich, zuvor ein allgemeines Werk zum Steuerstrafrecht heranzuziehen. Danach ist es ohne größere Mühen verständlich.

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