Johannsen / Henrich, Familienrecht, 6. Auflage, C.H. Beck 2015
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Nachdem ich bereits mit zahlreichen Kommentaren zum (neuen) Familienverfahrensrecht und daneben mit Werken speziell zum materiellen Recht gearbeitet habe, war ich sehr gespannt auf den Eindruck, den dieser Querschnittskommentar von Johannsen / Henrich machen würde. Der Trend zu einer „ganzheitlichen“ Kommentierung ganzer Rechtsgebiete besteht schon seit einiger Zeit, und auch dieses Werk - immerhin nun schon in der sechsten Auflage - unterstützt den Rechtsanwender mit diesem Ansatz. Im Rahmen der Neuauflage gab es einige Wechsel bei den Autoren, wobei die schon zuvor bestehende hohe Qualität der Bearbeiter aufrechterhalten werden konnte. Auf den Leser warten, inklusive der Verzeichnisse, mehr als 2430 Seiten.
Die Kommentierung ist auf zwei große Abschnitte verteilt, den Teil „A“ für das materielle Recht und den Teil „B“ für das Verfahrensrecht. Das materielle Recht beinhaltet die Kommentierung des BGB ab § 1313, wobei nicht jede einzelne Norm enthalten ist. Dies korreliert aber auch mit der thematischen Ausrichtung des Werks, zu erkennen am Untertitel „Scheidung, Unterhalt, Verfahren“. Zwischen den Normen zur Ehewohnung und denen zum Unterhalt wird das Gewaltschutzgesetz untergebracht und innerhalb des Unterhaltsrechts wurde passend das Versorgungsausgleichsgesetz platziert. Nach den Unterhaltsansprüchen folgen noch ausgewählte Normen zum Sorgerecht und zum Kindeswohl sowie Normen des EGBGB. Aus dem FamFG wurden die für die Familiensachen wesentlichen Vorschriften extrahiert und kommentiert, natürlich mit einem Einschub zur ZPO, wenn es um die Verfahrenskostenhilfe geht, die ja auf die Normen zur Prozesskostenhilfe aufbaut.
Die Symbiose aus materiellem Recht und Prozessrecht zeigt sich nicht nur in den kommentierten Gesetzen, sondern auch innerhalb der Ausführungen achten die Autoren auf entsprechende Weichenstellungen. So wird immer wieder auf prozessuale Probleme hingewiesen, wenn es im materiellen Recht erforderlich ist, etwa auf Beweislastfragen, den Umfang der gerichtlichen Prüfung oder auch auf Details wie den Streitgegenstand des Scheidungsbegehrens (S. 322). Zudem beschränken die einzelnen Bearbeiter ihre Erläuterungen nicht auf die reine Wiedergabe von Wissen, sondern nehmen auch - sofern passend - Stellung zu aufgezeigten Problemkonstellationen (vgl. z.B. vor § 1372 BGB, Rn. 27). Vorbildlich sind auch die umfangreichen Ausarbeitungen klassischer Begriffe des Familienrechts wie etwa der Kindeswohlgefährdung (S. 1234 ff.), aber auch neuer Kategorien wie etwa der Mutwilligkeit (S. 1664 ff.), natürlich konkret bezogen auf mögliche familienrechtliche Verfahren, oder der nicht mehr ganz so neuen Definition der Familienstreitsachen (S. 1852 ff.). Im Rahmen der prozessualen Vorschriften kommen zu den grundlegenden Ausführungen zur jeweiligen Norm selbstverständlich stets Unterkapitel zu Kosten, Verfahrenswert oder einer möglichen einstweiligen Anordnung. Persönlich als besonders lesenswert empfand ich die Kommentierung von Brudermüller zur Abänderung gerichtlicher Entscheidungen, § 238 FamFG (S. 2186 ff.): nicht nur, dass eine schöne Abgrenzung zu § 323 ZPO und anderen prozessualen Situationen vorgenommen wird, sondern auch alle einzelnen Voraussetzungen werden in einer beachtlichen Breite und Tiefe, aber gleichzeitig einfach verständlich aufbereitet, eine ganz hervorragende Leistung für den Leser und Rechtsanwender.
Auch die Gestaltung des Kommentars ist gut gelungen und sehr lesefreundlich. Die mit ausreichenden Abständen gedruckten Fließtexte sind mit Fettungen, internen Verweisen zur Vermeidung von Doppelungen und sowohl kleiner gedruckten Beispielen als auch ausführlichen Rechenexempeln ausgestattet worden. Ein echtes Fußnotenregime trennt die Fundstellen und Nachweise vom Haupttext. Dies erleichtert die durchgehende Lektüre und ist einfach gut für die Optik. Leider kaum enthalten sind Hilfestellungen für die Formulierung von Anträgen oder Entscheidungen (seltene Ausnahme z.B. S. 791 zum Versorgungsausgleich), ebensowenig Muster für typische Verfahrenssituationen.
Der Kommentar bietet neben den fundierten Sachinformationen den klaren Vorteil bei Zeitdruck: alles auf einen Blick. Man muss keine zwei Bücher mehr wälzen, um zu den Standardfragen der wichtigsten familienrechtlichen Verfahren Auskünfte zu erhalten, sondern kann schlicht in einem Kommentar fündig werden. Natürlich wird man bisweilen auf weitere Literatur, insbesondere zu Spezialfragen, im Familienrecht nicht verzichten können, aber dieses Werk bietet eine wunderbare Arbeitsgrundlage für eine Vielzahl von möglichen Fallgestaltungen. Sehr empfehlenswert.