Fitting / Engels / Schmidt / Trebinger / Linsenmaier, Betriebsverfassungsgesetz mit Wahlordnung, 26. Auflage, Vahlen 2012
Von RA Stephan Lemmen, Helmstedt
Die Neuauflage des unter Arbeitsrechtlern als „Fitting“ bekannten Kommentars zum Betriebsverfassungsgesetz berücksichtigt die bis Ende 2011 verabschiedeten Gesetze und erfolgten Gesetzesänderung mit betriebsverfassungsrechtlichen Bezug. Ebenfalls wurden das bis zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Schrifttum, über 300 neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts, des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie wichtige Grundsatzentscheidungen der Instanzgerichte ausgewertet und sind eingearbeitet.
Hierbei legen die Autoren in ihrem Kommentar ihr Augenmerk u.a. auf folgende Schwerpunkte: Das Gesetz für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt (Beschäftigungschancengesetz) vom 24.10.2010 hat mit Wirkung vom 01.01.2011 neue gesetzliche Vorgaben für die Förderung von Transfermaßnahmen und für die Inanspruchnahme von Transferkurzarbeit festgelegt. Diese bei Personalanpassungen beliebten Finanzierungsinstrumente sind erstmals wesentlich geändert worden. Die entsprechenden Bestimmungen in den §§ 216a, 216b SGB III stehen rechtlich in einem engen Zusammenhang mit den Regelungen über Betriebsänderungen, Interessenausgleich und Sozialplan. Die Kommentatoren stellen die neuen Regelungen vor und beleuchten deren Auswirkung auf das Zusammenspiel von Arbeitsagentur und Betriebsparteien im Rahmen der Transferleistungen.
Für den Bankensektor bietet der Kommentar eine fundierte Hilfestellung bei schwierigen Fragen, die sich dort Arbeitgebern, Betriebsräten und vor allem Wirtschaftsausschüssen im Rahmen von Sanierungs-, Reorganisations- oder Restrukturierungsverfahren stellen können. Hierbei sind die neuen gesetzlichen Regelungen aufgrund der so genannten Finanzmarktkrisengesetzgebung eingearbeitet sowie ihre Verortung im Betriebsverfassungsgesetz aufgezeigt.
Aufgrund der in Politik und Öffentlichkeit angeprangert Missbrauchsfälle in der Leiharbeit ist mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des AÜG - Verhinderung von Rechtsmissbrauch der Arbeitnehmerüberlassung - vom 28. April 2011 das AÜG in wesentlichen Punkten geändert und ergänzt worden. Die Autoren erläutern die Neuregelungen mit betriebsverfassungsrechtlichem Bezug und zeigen den Betriebsräten auf, wie sie vor Ort ihrer Kontrollfunktion gerecht werden und mithilfe ihrer Beteiligungsrechte Missbrauchsfälle verhindern können.
Das Zweite Gesetz zur Änderung des Europäische Betriebsräte-Gesetzes (2. EBRG-ÄndG) vom 14. Juni 2011 hat die Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen umgesetzt. Aufgrund der hierdurch geschaffenen Neuregelung haben die Autoren die Kommentierung des Europäische-Betriebsräte-Gesetzes grundlegend überarbeitet und sind auf die Neuerung ausführlich eingegangen.
Auf den mit dem Dritten Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 11.07.2011 eingeführten sogenannten umwandlungsrechtlichen Squeeze-out und die dadurch erforderlich werdende Sicherstellung, dass der zuständige Betriebsrat auch im Rahmen einer Konzernverschmelzung fristgerecht zu informieren ist, wird hingewiesen.
Entsprechend der Bedeutung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, dass Arbeitgeber oder Betriebsrat einleiten müssen, um ihre Rechte aus dem Betriebsverfassungsgesetz durchzusetzen, ist die ausführliche Darstellung dieses Verfahrens in „Nach § 1“ intensiv überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht worden. Gleiches gilt für die Regelungen, die bei der Wahl eines Betriebsrats außerhalb des regelmäßigen Wahlzyklus, also 2012 und 2013, zu beachten sind.
Fazit: Der „Fitting“ ist nach wie vor ein Standardwerk, das dem Praktiker, der sich mit betriebsverfassungsrechtlichen Fragestellungen befasst, im Handapparat nicht fehlen darf. Über Jahrzehnte etabliert und bei allen am Betriebsverfassungsrecht beteiligten Parteien anerkannt, nutzt er dem Praktiker insbesondere deshalb, weil er stets Meinungsstreitigkeiten und divergierende Ansichten aufzeigt und es ermöglicht, sich auf konträre Argumentation einzustellen. Der Abdruck des gesamten Gesetzestextes vor der Einleitung erleichtert die Nutzung des Werkes insoweit, als dass man keinen weiteren Gesetzestext hinzuziehen muss, wenn man mehrere Normen im Zusammenhang lesen möchte. Auch das lästige langwierige Blättern im umfangreichen Kommentarteil, nur um den Wortlaut einzelner Normen lesen zu können, erübrigt sich hierdurch.
Der „Fitting“ unterscheidet sich hierneben von anderen Werken auch dadurch, dass er gänzlich auf Fußnoten verzichtet und die Verweisungen in den Text aufgenommen worden sind. Hierdurch werden konträre Ansichten und hilfreiche Verweisungen eher wahrgenommen. Das übrige Layout, das Inhaltsverzeichnis, die ausführlichen Fundstellennachweise sowie das umfangreiche Stichwortverzeichnis lassen weiter keine Wünsche offen. Ein Musskauf eben, welcher aber nicht lästiger Pflichtkauf sondern Genusskauf ist.