Graf von Luxburg, Trennung und Scheidung einvernehmlich gestalten, 5. Auflage, Bundesanzeiger 2014
Von Rechtsanwalt Andreas Ihns, Fachanwalt für Familienrecht, Lübeck
„Scheidungen können gestaltet werden. Scheidungen können gelingen. Die persönlichen Beziehungen geschiedener Ehegatten können auch während und nach einer Scheidung durch Respekt, Kooperationsbereitschaft und Freundschaft geprägt sein“. Mit diesen motivierenden, einleitenden Worten umreißt der Autor kurz die Philosophie seines Buches – er möchte Eheleuten und deren Berater Hilfestellung leisten, die mit Trennung und Scheidung verbundenen Probleme konstruktiv zu regeln. Ein für alle Beteiligten lohnenswertes aber anspruchsvolles Ziel, gehören doch die Wertschätzung des Partners und ein Bewusstsein für dessen Interessen zu den ersten Opfern eines Familienkonfliktes.
Auf dem Familienanwalt lastet eine große Verantwortung. Es liegt in seiner Hand, ob er den Konflikt durch „hartes“ Auftreten verschärft und somit die Scheidung seines Mandanten zum „Horrotrip“ werden lässt, oder ob es ihm gelingt, Wogen zu glätten und Brücken zu bauen. Da Verletzen immer einfacher als Heilen ist, war ich gespannt auf die Erfahrung des Autors. Dieser ist langjähriger Rechtsanwalt in München und Gründer sowie Vorsitzender des Landesverbandes in Bayern des Vereins „Humane Trennung und Scheidung“ (http://www.vhts-muenchen.de). Sein Konzept einer „humanen Trennung“ legt der Autor einleitend im ersten Kapitel dar und beschreibt damit die theoretische Grundlage, auf der sämtliche Folgekapitel aufbauen.
Es folgen zwei eher grundlegende Kapitel, nämlich zu der Frage, was im Rahmen einer Trennung alles regelungsbedürftig sein kann (2. Kapitel), und wie ein Scheidungsverfahren abläuft (3. Kapitel). Die Darstellung ist insgesamt kurz gehalten, wichtige Punkte wie etwa die Voraussetzungen des Getrenntlebens, die Aufteilung von Konten, zum Unterhalt und den Steuerklassen werden angerissen. Die Darstellung des Scheidungsverfahrens ist eher an den interessierten Laien gerichtet, aber auch für den Junganwalt ein Einstieg in die Materie. Die abschließenden Ausführungen zum „neuen Verfahrensrecht“ verwundern letztlich ein wenig, denn so neu ist das 2009 reformierte Familienverfahren dann nun doch nicht mehr.
Es folgen sodann 11 Kapitel, die sich mit den einzelnen Regelungsbereichen einer Scheidungsfolgenregelung befassen. Die Anordnung der Kapitel, zuerst die Kinder, dann der Unterhalt und zum Schluss das Vermögen, hat mir gut gefallen. Die einzelnen Kapitel befassen sich mit der elterlichen Sorge, dem Umgangsrecht, dem Unterhalt, dem Zugewinnausgleich, der Scheidungsimmobilie, der Vermögensauseinandersetzung, der Ehewohnung (einschließlich der Haushaltssachen und des Autos) sowie dem Versorgungsausgleich. Jedes Kapitel enthält Formulierungsvorschläge für Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen und einige Praxistipps. Ich habe mir exemplarisch das Kapitel zum Unterhalt herausgegriffen, da dieser Regelungsbereich in nahezu jeder Scheidungsfolgenvereinbarung eine Rolle spielt. In den Kapiteln 6 bis 8 gibt der Autor einen allgemein gehaltenen Überblick über das Unterhaltsrecht. Die Darstellung umfasst die wesentlichen Punkte, ist im Übrigen aber nicht an dem Ziel des Buches, Vorschläge für eine einvernehmliche Lösung eines Unterhaltskonfliktes zu unterbreiten, orientiert. Die mustergültige Formulierung eines gerichtlichen Auskunftsantrages (Seite 112/113) hat mich letztlich erstaunt, weil ich diese im Kontext dieses Buches nicht erwartet hätte. Dasselbe gilt für den Hinweis auf das einstweilige Anordnungsverfahren (Seite 182), welches nach Ansicht des Autors „erhebliche Vorteile“ bietet. Dies ist zwar richtig, letztlich aber keine Form der einvernehmlichen Regelung einer Trennungsfolge. Im Kapitel 9 erläutert der Autor schließlich einige Möglichkeiten, wie der Unterhalt in einer Folgenvereinbarung geregelt werden kann. Die mitgeteilten Musterformulierungen behandeln Basisfragen. Ich hätte mir hier eine deutlichere Schwerpunktsetzung gewünscht.
Den Abschluss bilden 4 Kapitel, jeweils zur Scheidungsvereinbarung (Kapitel 15), zu den versicherungsrechtlichen Folgen der Scheidung (Kapitel 16), zur steuerlichen Gestaltung (Kapitel 17) und erbrechtliche Tipps (Kapitel 18).
Ich war mir bei der Lektüre nicht immer ganz sicher, für wen das Buch eigentlich geschrieben wurde. Der Autor sprach im Vorwort Eheleute und deren Berater als Leserschaft an. Viele Ausführungen sind sehr grundlegend gehalten (etwa das Kapitel 2 über den Ablauf des Scheidungsverfahrens) und sprechen daher in der Tat den verständigen Ehepartner an – vielleicht noch den anwaltlichen Berufsanfänger. Für den langjährigen Praktiker hält das Werk hingegen keine Überraschungen bereit.
An vielen Stellen werden Probleme angerissen, ohne sie ausführlicher zu diskutieren oder vertragliche Lösungsansätze anzubieten (etwa in Kapitel 4 zur Sorgerechtsvollmacht, die durchaus auch „taktisch“ im Sorgerechtsverfahren eingesetzt werden kann, z.B. Beschluss des OLG Schleswig vom 03.01.2012, 10 WF 263/11.). Das Wechselmodell wird auf Seite 73 nur knapp erwähnt. Der Autor stellt zutreffend fest, dass das Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden darf. Ich hätte mir allerdings nähere Ausführungen dazu gewünscht, wie dieses Modell, sofern es beide Eltern favorisieren, vertraglich umgesetzt werden kann. Ich habe dies als schade empfunden, denn das Grundthema des Buches, die Folgen von Trennung und Scheidung einvernehmlich zu gestalten, hätte eine deutlichere Schwerpunktsetzung wünschenswert gemacht.
Dennoch enthält das Buch viele wichtige Informationen und es bietet einen guten Überblick über die Aspekte, die der Betroffene Ehepartner beim Projekt „Ehescheidung“ im Auge behalten sollte. Für Junganwälte oder Kollegen, die nur gelegentlich mit dem Familienrecht zu tun haben, bietet das Werk einen Einstieg in das Mandat.
Was mir am meisten gefallen hat ist allerdings die Philosophie, die hinter diesem Werk steht – wer lange mit einem Partner zusammengelebt und vielleicht sogar Kinder großgezogen hat, ist auch in der Lage, den Konflikt gemeinsam zu lösen. Der Mandant wandelt sich (unterstützt von seinem Anwalt) vom Scheidungsopfer zum autonomen Gestalter der eigenen Verhältnisse (so der Autor). Das Familienrecht ist weitgehend dispositiv und bietet einen wahren Ideenschatz an Regelungsmöglichkeiten. Es ist eine spannende Aufgabe, dem Mandanten nicht nur das Recht zu beschreiben, sondern ihm vor Augen zu führen, wie sein ganz eigenes, auf seine individuellen Bedürfnisse abgestimmtes Recht entstehen kann. Wenn dieses Grundthema die Schwerpunktsetzung der Folgeauflage bestimmt, könnte m.E. eine Nische auf dem Büchermarkt besetzt werden.