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Rezension Zivilrecht: Der Versorgungsausgleich

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Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Auflage, Erich Schmidt 2013

Von Andreas Ihns, Fachanwalt für Familienrecht, Lübeck


Durch das Gesetz zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs wurde zum 01.09.2009 der in Deutschland 1977 eingeführte Versorgungsausgleich völlig umgestaltet. Hinter dem klaren Gesetzeswortlauf verbergen sich allerdings neue Probleme, für die der anwaltliche Berater ein Bewusstsein entwickeln muss. Im Vergleich zur alten Rechtslage wurden zudem die Möglichkeiten der Eheleute, den Versorgungsausgleich zu gestalten, erheblich erweitert. Auch hier ist in einem gesteigerten Maße der Berater gefordert, da die Beteiligten den Versorgungsausgleich aufgrund seiner Komplexität nicht mehr verstehen.

Das in 3. Auflage neu bearbeitete Werk von Hartmut Wick erläutert ausführlich das reformierte materielle Recht sowie die Besonderheiten des Versorgungsausgleichsverfahrens. Da seit der Einführung des „neuen“ Versorgungsausgleich 4 Jahre vergangen sind, konnten die umfangreiche Literatur und Rechtsprechung zu den zahlreichen Probleme des neuen Rechts berücksichtigt werden. Der Aufbau des fast 600 Seiten starken Buches ist fast schon „klassisch“ und weist im Vergleich zu anderen Abhandlungen keine nennenswerten Abweichungen auf. Dies ist keineswegs störend, es erleichtert vielmehr den Umgang mit dem Buch, weil man instinktiv weiß, wo man suchen muss.

Erörtert werden zunächst Anwendungsbereich und Gegenstand des neuen Rechts. Der Autor beschreibt die hier einschlägigen Probleme sehr präzise, etwa die neu eingeführte Einbeziehung von Anrechten aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen. Eine kurze Darstellung der Auskunftspflichten leitet sodann über zu einer ausführlichen Darstellung der Bewertung der einzelnen Versorgungsanrechte. Es finden sich hier in den Text eingestreute Rechenbeispiele, deren Notwendigkeit sich stellenweise nicht erschließt. So wird bspw. der Ausgleichswert von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch Halbierung des Ehezeitanteils ermittelt. Hier hätte es eines Rechenbeispiels eigentlich nicht bedurft (Rz. 244). Bei der Ermittlung des Ausgleichswerts eines Anrechtes aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes hätte ich mir demgegenüber mehr Berechnungsbeispiele gewünscht; der Autor nennt hier lediglich die jeweiligen Berechnungsformeln (Rz. 325, 326). Die Darstellung leidet hierunter in keiner Weise, setzt m.E. aber ein bisschen Vorwissen voraus. Es folgen Kapitel zum Wertausgleich bei der Scheidung und den Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung. Wichtig sind aus meiner Sicht die Kapitel über „Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich“ und zum „Abänderungsverfahren“, welches in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen wird (Mütterrente!). Der aus meiner Sicht gelungenen Darstellung ist allerdings anzumerken, dass der Autor Richter ist; der anwaltliche Blickwinkel kommt dadurch etwas zu kurz. So könnte der Praxiswert des Kapitels über Vereinbarungenetwa durch Hinweise zum erheblichen Haftungsrisiko des Anwalts oder Ausführungen zu spezifischen Beratungssituationen, in denen Vereinbarungen sinnvoll sind (z.B. Ehen mit einem Beamten) veredelt werden.

Hartmut Wick stellt den Versorgungsausgleich gut verständlich dar. Dies ist, bei einer derart komplizierten und „trockenen“ Materie, schon eine Kunst. Im Anhang finden sich neben einen Abdruck der gesetzlichen Vorschriften einige Musteranträge und eine Checkliste für Anwälte. Der abgedruckte Gesetzestext erspart dem Leser das umständliche Hantieren mit zwei Büchern. Die Mustertexte sind gut gestaltet, decken aber nur wenige Verfahrenssituationen ab. Dies schadet letztlich aber nicht, da der Schwerpunkt des Buches nicht auf der Bereitstellung tauglicher Muster liegt und jeder Familienrechtspraktiker ohnehin Zugriff auf gute Formularbücher haben dürfte. Die „Checkliste für den Anwalt“ hingegen ist wiederum sehr interessant. Kurzum: Das Buch bietet eine gute Grundlage für eine fundierte Argumentation im Streit um den Versorgungsausgleich. Ich nehme es, aus gegebenem Anlass, immer wieder gerne zur Hand. Die Anschaffung dürfte aber eher für den fortgeschrittenen Familienrechtspraktiker lohnend sein; der Berufsanfänger, der auch den praktischen Umgang mit den verschiedenen Anrechten lernen möchte, wird auf ergänzende Literatur zurückgreifen müssen.

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