Adolphsen, Zivilprozessrecht, 4. Auflage, Nomos 2014
Von stud. iur. Andreas Seidel, Göttingen
Das Verfahrensrecht und somit auch das Zivilprozessrecht stellt innerhalb der Studienordnung einen Stolperstein dar, der vielfach nicht oder nicht hinreichend beachtet wird. Viel zu oft wird die Zivilprozessordnung übergangen, links liegen gelassen oder mit der Bemerkung „nicht examensrelevant“ abgenickt. Gleichsam stellt § 5a II BRiG ausdrücklich fest, dass das zivile Verfahrensrecht Teil des Prüfungsumfangs zum ersten juristischen Staatsexamen ist. Dies scheint nun endlich in allen Bundesländern angekommen zu sein. Mittlerweile finden sich in allen 16 Bundesländern Examensaufgaben, die die Zuhilfenahme der ZPO nötig werden lassen. Zumindest Grundkenntnisse, immer häufiger aber auch detaillierte Kenntnisse über klassische Probleme werden geprüft und bereiten den meisten Kopfzerbrechen.
Adolphsen will mit seinem Lehrbuch ein Konzept anbieten, um dieses Kopfzerbrechen zu lindern. Dabei fällt zuerst auf, dass sein Lehrbuch im Gegensatz zu anderen Werken wie etwa von Musielak einen eher bescheidenen Umfang hat. Dies stellt jedoch für sich alleine noch kein Grund zum Erstaunen dar. Beispielsweise könnte eine gedrungene Schrift, wie sie auch im BGB -Kommentars Palandt verwendet wird, zu einem solchen Effekt führen. Bei näherem Hinsehen bemerkt man dann aber die Bemerkung in § 1 Rn. 2, in der der Autor explizit zur Vertiefung auf das Lehrbuch von Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht und auf den ZPO-Kommentar Thomas/Putzo verweist. Es schleicht sich somit der Verdacht ein, die gegebenen Darstellungen seien nicht vollständig. Dem ist aber nicht so.
Beim Lesen der einführenden Kapitel stellt man dann eine weitere Besonderheit fest. Adolphsenveranschaulicht ganzheitlich, welche Stellung das Zivilprozessrecht hat und warum es das zivile Prozessrecht in seinen konkreten Ausprägungen gibt. Seine Ausführungen belegt er teilweise auch mit rechtssoziologischen Studien wie z.B. zur Häufigkeit von Klagen in den verschiedenen Personenbeziehungen. Somit wird dem Leser – gerade beim Erststudium der Materie – ein grundlegendes Verständnis vermittelt. Dabei scheint es, als ob der Autor viel Wert auf das Verständnis legt und nicht bloß auf Rechtskenntnis. Er ist bemüht herauszustellen, warum es welche Prinzipien im Zivilrecht gibt und begnügt sich nicht damit, dass der Student beim Zuschlagen des Lehrbuches Kenntnis über den Lehrstoff erlangt hat. Dieser Eindruck verblasst auch nicht in den folgenden Kapiteln. Es wurde versucht durch das Zeigen eines Antrags auf einen Mahnbescheid (§ 33 Rn. 12) oder eines Musterurteils des BGH (§ 27 Rn. 22) ein ganzheitliches, gut verständliches und eindrückliches Lehrbuch zu gestalten. Die Gestalt eines eindrücklichen Lehrbuches wird auch durch die zahlreichen bildlichen Darstellungen und Schemata deutlich.
Wie der Autor in seinem Vorwort proklamiert, will er Strukturen vermitteln, fallorientiertes Arbeiten fördern und Problembewusstsein schaffen. Dieses hehre Ziel wird vor allem an dem sehr studentenfreundlichen Konzept deutlich. So beginnt dieses Lehrbuch etwa mit der Differenzierung von Begrifflichkeiten. Etwa wird der Terminus Sachentscheidungs-voraussetzung von Sachurteilsvoraussetzung abgegrenzt (§1 Rn. 6). Dadurch wird einmal mehr der Anspruch von Adolphsen klar: er will Verständnis schaffen und nicht bloße Kenntnis.
Um ein Resümee zu ziehen verwendet der Autor eine klare und einfache Sprache, die leicht verständlich ist. Er erklärt grundlegend das Zivilprozessrecht und versucht dabei echtes Verständnis zu schaffen. Durch wissenswerte aktuelle Fälle und Begebenheiten wie die verspätete Einführung der LKW-Maut als Beispiel für einen Rechtsstreit, der durch die Schiedsgerichtsbarkeit gelöst wurde, schafft er es dem Studenten Lust an der Materie zu bereiten. Adolphsen gibt dem Studenten viel Handwerkszeug mit auf den Weg wie Schemata oder einen Definitionenkatalog am Ende des Lehrbuches und vermag es so, einen Überblick zu verschaffen. Zum Einstieg in das Zivilprozessrecht mag dies reichen, zum ausführlichen Studium sollten jedoch die mitzitierten Fundstellen herangezogen werden, um so ein komplettiertes Bild zu erlangen. Das Lehrbuch zum Zivilprozessrecht von Adolphsenist hierzu an Studierende des Hauptstudiums unbedingt zu empfehlen. Bei der Vorbereitung auf das Examen muss jedoch die oben genannte Einschränkung beachtet werden.