Eichele / Hirtz / Oberheim, Berufung im Zivilprozess, 4. Auflage, Luchterhand 2014
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Das Handbuch zur Berufung im Zivilprozess ist trotz der bisher „erst“ vier erschienenen Auflagen ein Klassiker und - soviel sei vorweggenommen - für den Praktiker ein unverzichtbares Hilfsmittel, wenn es darum geht, das Rechtsmittel nach der zivilrechtlichen ersten Instanz richtig abzuschätzen und im Idealfall auch noch Erfolg versprechend einzulegen. Gleichzeitig ist es aber auch in der Justiz ein zuverlässiger Ratgeber, sodass der Impuls der Autoren, ein Praxishandbuch für alle Rechtsanwender zu schaffen, voll erreicht wird. Auf genau 800 Seiten findet der Leser viele und vielfältige Informationen rund um das Thema der Berufung und kann das Buch über einen Online-Zugang bei jurion auch unterwegs nutzen oder sich Textpassagen, sofern erforderlich, in eigene Schriftsätze oder Entscheidungen kopieren bzw. die zitierten Rechtsprechungsbeispiele im Volltext nachverfolgen.
Die Gestaltung des Handbuchs ist angenehm und lesefreundlich. Der Fließtext ist optisch übersichtlich untergliedert, es gibt echte Fußnoten und Einschübe, etwa Praxistipps, Formulierungsbeispiele oder Aufzählungen. Die Verzeichnisse sind sehr umfangreich und den einzelnen Kapiteln steht noch einmal ein detailliertes Binneninhaltsverzeichnis voran.
In insgesamt 24 Kapiteln wird die Berufung im Zivilprozess behandelt, wobei die Thematik auch auf die Arbeitsgerichtsbarkeit erweitert wird (Kapitel X., S. 699 ff.). Zuerst wird die Berufung als Rechtsmittel an sich vorgestellt und danach die Tätigkeit des Anwalts sowie des Richters im Berufungsverfahren präzisiert. Dass auf diese Weise ein Bewusstsein geschaffen und gefördert wird, wie die verschiedenen Rechtsanwender einen Blick auf die eigentlich identische Materie werfen, ist ein großes Verdienst der Konzeption des Werks. Dazu gehören auch die immer wieder angestellten strategischen Überlegungen (Kapitel C. - Vorbereitung der Berufungsinstanz - , F. - Alternative Formen der Verfahrensbeendigung - oder auch S. - Vorbereitung der Revisionsinstanz), denn der Richter muss sich auch vergegenwärtigen können, aus welchem Motiv heraus der Anwalt diese oder jene Handlung vornimmt.
Dem erstinstanzlichen Verfahren wird sodann ein eigenes Kapitel gewidmet, immerhin ist es ja der Prüfungsgegenstand, bevor anschließend ausführlich die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung zur Sprache kommen. Wenn es dabei umstrittene Aspekte gibt, deren Darstellung zu einer Zerfaserung der Ausführungen führen könnte, verweisen die Autoren sinnvollerweise auf die einschlägige Kommentierung (so zur Unterschrift unter den Begründungsschriftsatz, S. 175, Rn. 244).
Nach einem Kapitel zu den Berufungsgründen werden prozessuale Besonderheiten einzeln beleuchtet. Dazu gehören Klageänderung, Aufrechnung, Vollstreckungsanträge, Streitgenossenschaft und andere Dinge. Ebenso erläutert werden aber auch der Inhalt und Aufbau der Berufungsbegründung samt Schema und Beispielen. In einem eigenen Kapitel wird die Anschlussberufung thematisiert, bevor es im Folgenden um die richterliche Befassung mit der Berufung geht. Dies umfasst bspw. die Zurückweisung der aussichtslosen Berufung, die Rolle des Einzelrichters, die mündliche Verhandlung oder das Säumnisverfahren in zweiter Instanz. Dem Berufungsurteil selbst wird auch ein eigenes Kapitel zugewiesen, wo besonders die differenzierte Betrachtung der Tenorierung lobenswert ist. Abrundend wird der Leser noch mit der Besonderheit der Aufhebung mit Zurückverweisung, den Kosten des Berufungsverfahrens - inklusive Streitwertfragen und Deckung des Rechtsstreits durch die Rechtsschutzversicherung - und dem einstweiligen Rechtsschutz befasst.
Man könnte aus den einzelnen Kapiteln zahlreiche Beispiele herausziehen, um die hohe Qualität und die pragmatische und kluge Herangehensweise der Autoren an das Sujet zu loben. Als pars pro toto sei deshalb auf zwei Unterkapitel hingewiesen, anhand derer der Leser und Rechtsanwender den Nutzen des Buches unschwer erkennen kann. Dies ist zum einen die Frage nach der tatsächlichen Beschwer des Rechtsmittelklägers (S. 134 ff.), wo neben allgemeinen Ausführungen auch zahlreiche alphabetisch sortierte Einzelfälle (z.B. zur Deckungsklage, zur Stufenklage oder zum unbezifferten Klageantrag) aufgeführt sind, anhand derer man sich die Systematik zur Prüfung dieser Rechtsfrage hervorragend erarbeiten kann. Des Weiteren möchte ich das Unterkapitel zu der Frage, wann neue Tatsachenfeststellungen veranlasst sind, empfehlen (S. 217 ff.), wo wiederum zunächst grundlegend erörtert wird, wann Zweifel an der erstinstanzlichen Entscheidung plausibel sind, um danach anhand von Fallgruppen ein profundes Verständnis für die Materie zu schaffen.
Nachdem ich schon durch die Vorauflagen zu einem bekennenden Fan dieses Werks geworden bin, hat sich durch die Neuauflage meine Ansicht dazu nicht verändert, nur verfestigt. Dank der akribischen und umsichtigen Erneuerung und Aktualisierung des Werks durch die Autoren wird die ohnehin schon hohe Qualität der Ausführungen bewahrt und optimiert. Insgesamt ein sehr empfehlenswertes Praxishandbuch.