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Rezension Zivilrecht: Rechtsfragen Social Media

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Splittgerber (Hrsg.), Praxishandbuch Rechtsfragen Social Media, 1. Auflage, de Gruyter 2014

Von RA, FA für IT-Recht, FA für Verwaltungsrecht Christian Stücke, Helmstedt


Divide et impera– teile und herrsche. Gerade letzteres kommt im Bereich der sozialen Medien – neudeutsch eben „Social Media“ oftmals aus rechtlichem Blickwinkel zu kurz. Technologien werden aufgenommen und schlicht ausprobiert, ohne dass die sich daraus ergebenden Konsequenzen überblickt werden. Anlass genug, sich mit der Materie auch juristisch auseinanderzusetzen.

Mit dem „Splittgerber“ wird ein Praxishandbuch vorgelegt, welches es insbesondere Unternehmern - aber auch Juristen - ermöglichen soll, rechtliche Zusammenhänge auf diesem Gebiet zu erkennen. So sollten diese Unternehmen schon in der Planungsphase, aber auch im laufenden Betrieb von Social-Media-Auftritten Probleme vermeiden oder zumindest Risikobegrenzung betreiben können.

Das Werk erscheint als Hardcover in einem Gesamtumfang von knapp 470 Seiten. Die acht Verfasser sind im Bereich des Social-Media-Marketings und des Social-Media-Rechts beratend tätig und daher berufen, gleichsam aus der Praxis für die Praxis zu schreiben. In übersichtlicher, leicht verständlich geschriebener Form werden die Inhalte dann auch in acht einzelnen Kapiteln abgehandelt. In abstrakter Form präsentieren die Verfasser die praxisrelevanten Probleme. Das notwendige Verständnis wird im Kontext dann durch praxisbezogene Beispiele geweckt. Praxisbezogene Checklisten und Musterformulierungen runden das Bild ab. Die rechtlichen Ausführungen werden durch einen angemessenen, nicht überfrachteten Fußnotenapparat begleitet, der sich auf dem Rechtsstand Mitte Oktober 2013 befindet.

Der Band beginnt mit einem einführenden Kapitel, der sich mit der Bedeutung von Social Media, den wichtigsten Plattformen sowie Einsatzmöglichkeiten in der Marketing-Kommunikation beschäftigt. Den Leserkreisen werden die notwendigen Grundregeln für Aktivitäten auf den Plattformen gegeben, die bei dem umzusetzenden Einsatz unabdingbar sind, um „böse Überraschungen“ zu vermeiden. In einem zweiten Kapitel widmen sich die Verfasser den rechtlichen Grundlagen von „Anfang“ (Erstellen der Präsenz) bis „Ende“ (Exit-Szenarien wie z.B. in Kündigung und Insolvenz). Dabei wird zwischen einzelnen Plattformen differenziert - zu Recht, da jeder Auftritt schon nach seinem äußeren Auftritt andere Problemfelder aufweisen kann. So finden sich etwa wertvolle Hinweise auf die (unterschiedliche) Impressumsgestaltung bei Facebook, Twitter oder Xing.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem für Social-Media-Aktivitäten evident wichtigen Aspekt des nationalen, europäischen und internationalen Datenschutzes. Hier wird wieder fein nach der gewählten Plattform unterschieden. Facebook, Twitter und Xing finden sich ebenfalls als Beispiele, auch unter Berücksichtigung eingesetzter Social-Media-Plugins und Apps. Die Leser – die sicherlich auch an Möglichkeiten des durch Social Media gestützten Marketings interessiert sind – erfahren u.a. in welchem Umfang bzw. mit welchen Einschränkungen eine Datenerhebung und -verarbeitung zu Marketingzwecken statthaft ist. Wie auch in anderen Kapiteln bleibt es nicht bei theoretischer Wissensvermittlung, es werden praktische Lösungsansätze und Muster in die Erläuterungen eingebunden. Die Ausführungen sind technisch/rechtlich am Puls der Zeit, was z.B. durch die Ausführungen zur Implementierung von Gesichtserkennungs-Technologien illustriert werden mag.

Natürlich spielen auch Immaterialgüterrechte – insbesondere Urheberrechte, Markenrechte oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht – eine große Rolle in der Social Media-Welt. Grund genug, diesen Rechten (und den im Falle von Verstößen drohenden Haftungsrisiken) ein eigenes Kapitel zu widmen. Zu Recht unterbleibt an dieser Stelle eine Präsentation etwa von Vertragsklauseln zur Haftungsbeschränkung. Schließlich ist gerade dieser Bereich so sensibel, dass sich pauschale Hinweise und Musterformulierungen verbieten.

Der Bereich des Social Media-Marketing-Rechts ist den Verfassern ebenfalls zu Recht ein ganzes Kapitel wert. Hier ergeben sich potentielle Schnittmengen insbesondere aus dem Recht des unlauteren Wettbewerbes. Möglichkeiten und Risiken des Direktmarketings, der versteckten Werbung und des viralen Marketings werden erörtert, auch unter Behandlung von Social Plugins und Location Based Services. Diesen Ausführungen folgt sodann ein Kapitel, welches sich mit der „praktischen Umsetzung“ von Rechtsverstößen in Gestalt von außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfen auseinandersetzt. Außergerichtlich wird etwa das Instrument der Abmahnung vorgestellt, weiter finden sich Erläuterungen zu einstweiligem Rechtsschutz und Hauptsacheklage. Diese Ausführungen mögen aus Sicht der Zielgruppe des Werkes – nach dem Selbstverständnis nicht nur Juristen, sondern eben auch Unternehmenslenker oder Verantwortliche im Marketing – für letztgenannte interessant sein. Die notwendige Kürze des Kapitels birgt indes die Gefahr, dass Unternehmen gerade im außergerichtlichen Bereich zur Selbsthilfe greifen. So bietet das Werk etwa ein Muster für eine Abmahnung. Die unkritische Übernahme von Mustern ist indes gerade im Bereich des Urheberrechts vor dem Hintergrund des (neuen) § 97 a Abs. 2 und 4 UrhG möglicherweise fatal und kann sich zum Bumerang entwickeln. Hier wäre eine Sensibilisierung der Leserschaft durchaus angezeigt.

Die Ausführen werden in einem Kapitel zu arbeitsrechtlichen Fragen rund um Social Media fortgesetzt. Aspekte der Nutzung sowohl aus Arbeitgeber- wie auch aus Arbeitnehmersicht werden behandelt und führen zur Empfehlung der Einführung von Social Media-Guidelines. Deren Inhalte und die betriebliche Umsetzung werden erläutert. Den rechtlichen Ausführungen zu Konsequenzen z.B. aus dem Missbrauch von Social Media stellen die Verfasser wiederum praktische Erläuterungen rund um Abmahnung, Kündigung und Rechtsschutz an die Seite. Diese Ausführungen erweisen sich insbesondere für Nichtjuristen abermals als gefährlich. So finden die Leser z.B. Musterformulierungen für die Aussprache einer Kündigung. Auf formale Anforderungen einer Kündigung im Arbeitsverhältnis gehen die Verfasser hingegen leider nicht ein, wobei die aus der Missachtung des Schriftformerfordernisses (§ 623 BGB) erwachsenen Probleme sicherlich ebenso erwähnenswert für unternehmerische Leser wäre, wie Probleme des Zugangs. Fatal wäre es etwa, wenn das ansonsten tadellose Muster für die Aussprache einer Kündigung dem Arbeitnehmer lediglich per Mail oder Telefax übermittelt wird.

Im abschließenden Kapitel widmen sich die Verfasser – in englischer Sprache – ausgewählten Rechtsproblemen im internationalen Bezug. Einzelfragen der Rechtsanwendung und Beachtung Social Media-typischer Probleme in den USA, Großbritannien, Russland oder im asiatischen Markt werden „kurz und knackig“ im Stile einer FAQ – also im Frage/Antwort-Spiel beleuchtet.

Fazit: Das Werk hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Es gibt zunächst einmal einen hervorragenden Überblick über die Breite der sich zeigenden rechtlichen Fragen im Bereich der „sozialen Medien“. Dabei gelingt es den Verfassern, treffende Schwerpunkte zu setzen und Problembewusstsein zu schaffen. Die Checklisten und Praxishinweise sind für die anwendenden Unternehmen ungemein wertvoll. Allerdings weist das Werk an anderer Stelle - bei der praktischen Realisierung von Ansprüchen - durchaus Lücken auf, die bei einer unkritischen Anwendung im Unternehmen gerade durch „Nichtjuristen“ verheerende Wirkung haben können. Hier meint es das Werk vielleicht mit dem Versuch der Implementierung von Ansätzen zur außergerichtlichen und prozessualen Umsetzung „zu gut“. Dem Werk wäre gleichwohl bei Präzisieren der Zielgruppe eine Neuauflage zu wünschen.

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