Schmedding
/ Siegert, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 13. Auflage,
Anwaltverlag 2023
Von
RAG Dr. Benjamin Krenberger
Beinahe
650 Seiten - inklusive Verzeichnissen - warten inzwischen auf die
Rechtsanwender, wenn das vorliegende Praxisbuch zum
Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht gelesen werden will. Die beiden Autoren sind
nun seit mehreren Auflagen für die Texte zuständig und man kann dies vor allem
im juristischen Teil positiv bemerken. Es ist mir zugegebenermaßen immer noch
ein Rätsel, warum man für dieses Spezialthema eine Art Allgemeinen Teil zum
Ablauf des Bußgeldverfahrens benötigt, da das wirklich nichts mit den
Messverfahren zu tun hat und auch die einzelnen Unterkapitel nicht spezifisch
den Fokus auf mit der Messung zusammenhängenden Problemen legen (z.B. wird bei
der Unterbrechung der Verfolgungsverjährung ausgerechnet die Beauftragung des
Sachverständigen nicht benannt, dafür aber die Anhörung oder der unbekannte
Aufenthalt, was mit der Messung nichts zu tun hat). Aber wenn man so ein Werk
als Autor nicht selbst konzipiert, sondern es übernommen hat, arbeitet man eben
mit dem Gerüst, das vorhanden ist.
Die
Gestaltung des Werks ist auf eine zügige Lektüre ausgelegt und beinhaltet neben
den Fließtexten Praxistipps, Aufzählungen, Schaubilder, Lichtbilder,
Beispielrechnungen oder Tabellen. Der Fußnotenapparat im juristischen Teil ist schon
deutlich verbessert, sprich aktualisiert worden. Positiv hervorzuheben sind
auch die juristischen Einsprengsel, die sich in den späteren technischen
Kapiteln gerätespezifisch finden lassen, wenn es passende Rechtsprechung zum
Gerät gibt.
Die
Darstellung beginnt mit einem Grundlagenabschnitt, in welchem der Ablauf des
Bußgeldverfahrens auf etwa 100 Seiten aufgefächert wird, beginnend mit
Rechtsprinzipien bis zu Rechtsbeschwerde und Rechtsfolgen. Danach wird das
eigentliche Thema des Werks, die Messungen, in den Blick genommen und es folgen
Kapitel zum so genannten standardisierten Messverfahren, zur Durchführung der
Messung, zur Eichung und noch colorandi causa kurze Passagen zu
Polizeirichtlinien, Schulung der Messbeamten und zur Datensicherheit.
Der
dann deutlich dominierende technische Teil des Werks hat zunächst ein kurzes
einleitendes rechtliches Kapitel zu Geschwindigkeitsüberschreitungen und die
bereits erwähnten kurzen juristischen Passagen zu einzelnen Geräten. Gleiches
gilt dann für Abstands- und Rotlichtverstöße. In der nächsten Auflage wird dann
sicherlich ein eigenes Kapitel zum Monocam-Verfahren für Geräteverstöße
hinzukommen. Die Darstellung der Geräte wird nach der Funktionsweise
unterteilt, sodass man Radar-, Lichtschranken- und Lasermessungen unterscheiden
kann, Messungen mit Drucksensoren, Induktionsschleifen oder laseroptischen
Sensoren. Auch die Messung mittels Section Control wird erläutert. Leider wird
auch auf recht betagte und längst nicht in Gebrauch befindliche Geräte eine
Menge Raum aufgewandt. Das könnte man in der Folgeauflage deutlich straffen.
Die
technischen Ausführungen kann ich als Jurist nicht beurteilen. Gut gefallen mir
aber die Arbeitshilfen, die zu den jeweiligen Messarten bzw. Geräten angeboten
werden: Welche Prüfungspunkte sollten abgeklopft werden, um die Richtigkeit der
Messung zu verifizieren? Welche Beweisfragen können sich im Hinblick auf eine
bestimmte Messung ergeben? Lobenswert ist dabei, dass sich die technischen
Autoren auf die denkbaren Tatsachen beschränken und sich nicht an Vorschlägen
für Beweisanträgen versuchen. Sobald ein technischer Sachverständiger die
Grenze zur rechtlichen Prüfung überschreitet, ist sein Beweiswert für das
Tatgericht erheblich reduziert.
Nun
zurück zu den rechtlichen Ausführungen: Diese sind im Vergleich zu den früheren
Auflagen deutlich konsistenter, wenngleich sich immer noch, erkennbar auch an
den betagten Fußnoten, Passagen entdecken lassen, die durchlüftet werden
könnten. Ebenso hätte ich an der einen oder anderen Stelle dogmatische
Optimierungsvorschläge. Kleinere sprachliche Ungenauigkeiten könnten ebenfalls
geglättet werden: Wenn z.B. „höchstgerichtliche Rechtsprechung“ behauptet wird,
dann aber Landgerichte oder Oberlandesgerichte zitiert werden, so beißt sich
dies augenscheinlich und dient nur der Effekthascherei, die das Buch eigentlich
nicht nötig hat. Manchmal könnten einzelne Aspekte vollständiger erfasst sein, indem
man etwa zum Schulungsnachweis auch den Auswertebeamten problematisiert, wozu
sich die Rechtsprechung schon deutlich positioniert hat, oder indem man in den
weiteren Kapiteln zur erweiterten Akteneinsicht die neuere Rechtsprechung
stärker analysiert und nicht nur punktuelle Ausschnitte wählt.
Aufgewogen
werden diese kleineren Mängel aber durch die vielen guten Praxistipps, mit
denen die Materie sofort anwendungsfreundlich wird und für die Leser
transparent erscheint. Ebenso positiv zu vermerken ist, dass inzwischen ein
realistisches Bild von den Erfolgschancen des Vorgehens gegen eine
standardisierte Messung gezeichnet wird. Das war in früheren Auflagen durchaus
anders. So aber werden die Anforderungen der Rechtsprechung klar aufgezeigt,
die für die Informationsbeschaffung nötig sind, und wie diese dann (in der
Theorie) in einen Beweisantrag münden können.
Man
kann mit Fug und Recht sagen, dass dieses Werk von Auflage zu Auflage immer
besser wird. Selbst wenn ich (wie bei jeder Auflage) nicht mit allen
rechtlichen Ausführungen einverstanden bin, da die richterliche Sicht auf die
Materie einfach nüchterner ist als die des Verteidigers, ist die Lektüre und
gerade die Kombination von Recht und Technik lehrreich und die Ausführungen
sind durchweg stringent. Aus meiner Sicht stellt das Werk weiterhin eine klare
Bereicherung für jeden Verkehrsrechtler dar, egal ob für den Anwalt oder den
Tatrichter.