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Rezension: IT-Vertragsrecht

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Hoeren / Pinelli, IT-Vertragsrecht, 3. Auflage, DeGruyter 2022

von Dr. iur. Carina Wollenweber-Starke, LL.M., Wirtschaftsjuristin, Wiehl

Das 410-seitige Hardcover-Werk „IT-Vertragsrecht“ von Prof. Dr. Thomas Hoeren und Rechtsanwalt Stefan Pinelli erscheint bereits in der 3. Auflage. Es handelt sich um ein Handbuch für den Praktiker, welches als Leitfaden für die Erstellung und Bearbeitung von IT-Verträgen mit dem Schwerpunkt „Software“ dienen soll.

Insgesamt ist das Werk in 9 Kapitel gegliedert. Das 1. Kapitel beschäftigt sich mit dem Schutz von IT-Produkten. Dargestellt wird bspw. die Entstehungsgeschichte des GeschGehG und die Neuerungen im Vergleich zu §§ 17-19 UWG. Im 2. Kapitel wird das namensgebende „IT-Vertragsrecht“ auf 16 Seiten näher beleuchtet. Daran anschließend folgen 5 Kapitel zu unterschiedlichen, häufig anzutreffenden Vertragsarten (z.B. Softwareüberlassung, -erstellung, -vermietung, -leasing, -wartung und Pflege). Anzumerken ist, dass die Abschnitte über Softwarevermietung und Softwareleasing lediglich 6 bzw. 8 Seiten umfassen und demnach nicht sonderlich umfangreich ausfallen. Dagegen schlagen die Kapitel über Softwareüberlassung und Softwareerstellung mit 98 bzw. 88 Seiten zu Buche. Bei Kapitel 4 zu Softwareerstellungsverträgen fällt insbesondere die agile Programmierung auf, die in der Praxis von großer Wichtigkeit ist. Im 7. Kapitel thematisieren die Autoren u.a. die Arbeitnehmerüberlassung. Kapitel 8 geht auf besondere Softwareverträge ein. Thematisiert werden hier u.a. Cloud Computing und Open Source Software wie z.B. die General Public License (GPL) und die Apache Software License. Das 9. und damit letzte Kapitel widmet sich auf 10 Seiten dem Datenvertragsrecht.

Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurden bis Januar 2022 berücksichtigt. Die zum 01.01.2022 in Kraft getretenen Regelungen in Bezug auf Verträge über Digitale Produkte in den §§ 327 bis 327u BGB konnten noch Berücksichtigung finden.

Obwohl gelegentlich Musterklauseln vorhanden sind (z.B. S. 192 f.: Gewährleistung/Haftung, sogar unterteilt in B2B und B2C; S. 298: Leasingvertrag), ist das Werk nicht als Klausel- oder Vertragssammlung anzusehen. Es gibt demnach z.B. keinen ausgestalteten Softwareerstellungsvertrag, obwohl in Fußnote 1100 geschrieben steht, dass sich dieser im Anhang befinden solle. Allerdings werden regelmäßig Beispiele für Klauseln genannt, welche zulässig (z.B. S. 179: Haftungsausschluss) bzw. unzulässig (z.B. S. 64: Online-Erschöpfung; S. 163 f.: Ausschluss von bestimmten Gewährleistungsrechten in AGB; S. 171 f.: Mängelrüge; S. 178 f.: ebenfalls Haftungsausschluss) sind. Gelegentlich umschreiben die Autoren nur, wie eine Klausel auszusehen bzw. nicht auszusehen hat, geben dann aber kein Beispiel dafür (z.B. S. 117: Auditklausel; S. 327: insolvenzfeste Überlassungsverpflichtung), sodass der Leser wieder auf sich allein gestellt ist.

Auf S. 191 empfehlen die Autoren pauschal, das UN-Kaufrecht in Verträgen nicht mehr explizit auszuschließen. Da dennoch Unterschiede in beiden Rechtsordnungen (BGB/HGB und UN-Kaufrecht) bestehen, welche allerdings nicht näher thematisiert werden, ist höchst verwunderlich, dass eine solche pauschale Empfehlung ausgesprochen wird. Auf Seite 351 wiederum wird empfohlen, deutsches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts zu wählen. Dieser Widerspruch sollte in der nächsten Auflage dringend aufgelöst werden, damit der Leser eine eindeutige Empfehlung erhält.

Besonders spannend sind die gelegentlichen Vergleiche mit anderen Rechtsordnungen (z.B. S. 42: Grenzziehung zwischen Idee und Form bei einer Software in den USA; S. 43: Schöpfer bei computergenerierter Software in Großbritannien; S. 56: Vervielfältigung bei RAM-Kopien in Australien).

Auch weitere interessante Fakten werden aufgegriffen (z.B. S. 141: Gesetzesentwurf zum Wahlrecht des Verkäufers; S. 222: geplanter Gesetzesentwurf zur Änderung der InsO in 2007 und 2012, welcher sich allerdings nie durchgesetzt hat). Sehr praxisrelevant sind die auf Seite 344 gelisteten Länder, für welche im Datenschutzrecht ein Angemessenheitsbeschluss besteht. Allerdings ist diese Liste nicht aktuell (z.B. Japan ist nicht gelistet). Es wäre auch vorteilhafter gewesen, einen Link für den Leser in die Fußnote aufzunehmen, damit sich dieser stets auf dem Laufenden halten kann.

Insbesondere der Abgas-Skandal findet regelmäßig Einzug in das Werk (z.B. S. 160: vorsätzliche sittenwidrige Schädigung), was aufgrund der Softwarethematik nicht verwunderlich ist.

Zudem wird auch immer wieder Bezug genommen auf veraltete Normen und deren aktuelle Position im Gesetz (z.B. S. 88: § 651 BGB a.F., jetzt § 650 BGB; S. 121: § 434 BGB a.F.). Dies wird insbesondere für diejenigen Leser von Bedeutung sein, die noch mit der älteren Fassung vertraut sind.

Positiv zu erwähnen sind auch die regelmäßigen Vergleiche (z.B. S. 261: Nacherfüllungsrecht im Kauf- und Werkvertragsrecht).

Wenig bekannte Begriffe werden dem Leser erläutert (z.B. S. 66: Dongle-Abfrage).

Mitunter fällt auf, dass englischsprachige Zitate vorhanden sind, welche aber nicht ins Deutsche übersetzt werden (z.B. S. 71: Präambel der EU-Softwareschutzrichtlinie; S. 104: CPU-Klausel), sodass der Leser zum Verständnis auch des Englischen mächtig sein muss.

Das Werk begnügt sich nur mit Text. Es gibt keine Abbildungen, Tabellen, Diagramme etc. Der Text wird auch nur durch ein neues Kapitel oder Unterkapitel unterbrochen. Es gibt z.B. keine Hervorhebungen von Empfehlungen für die Praxis wie Kästchen oder Ausrufezeichen und auch keine Wiederholungen am Ende eines Kapitels (Ausnahme: S. 120: Hauptleistungspflichten und Nutzungsrechte bei Softwareüberlassungsverträgen; sehr kurzes Fazit jeweils S. 284 zur agilen Programmierung und S. 403 f. zum Datenvertragsrecht). Dies ist sehr schade, da sich so wirklich wichtige Empfehlungen im Text verstecken (z.B. S. 159: Mitverschulden bei mangelnder Datensicherung; S. 223: Mitwirkungspflichten und Pönalen im SLA) und sich kaum einprägen. Für den Leser können seitenweise Text ohne Auflockerung (z.B. S. 25-35: Datenbankschutz) monoton werden.

Zudem ist anzumerken, dass zwar die regelmäßige Unterscheidung zwischen B2B- und B2C-Verträgen (z.B. S. 139: Verkürzung der Verjährungsfrist in AGB) und auch zwischen Individualabrede und AGB sehr wichtig ist. Allerdings ist mitunter nicht immer eindeutig, in welchem Bereich sich der Leser momentan befindet (z.B. S. 165: Ausschluss der Gewährleistung). Hier wäre eine klarere Trennung wünschenswert, welche ggf. mit Tabellen a.ö. Hilfsmitteln hätte erreicht werden können.

Sprachlich fällt auf, dass der Text teilweise sehr verklausuliert ist. Zwar wird ein Jurist das Geschriebene verstehen können; dennoch wäre es nicht verkehrt gewesen, wenn sich die Autoren für eine etwas einfachere Sprache entschieden hätten (z.B. 168: „Auf der Ebene von Einkaufsbedingungen folgt daraus gleichzeitig, dass es dem Verwender als Besteller nicht in die Hand gegeben ist, die Voraussetzungen einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung formularmäßig auszubedingen, wenn und soweit eine derartige Einstandspflicht nicht Ergebnis eines Individualvertrags (…) ist.“; S. 354: „Wird der Hinweis vergessen, ist es zu unterlassen, die Software ohne Hinweis zu verbreiten.“).

Zudem ist anzumerken, dass insbesondere bei den sog. Kardinalpflichten vermehrt Wiederholungen mit z.T. identischem Wortlaut innerhalb von wenigen Seiten auftauchen (S. 176, 183, 185). Dies gilt ebenso für die Abnahme (S. 240, 243 und 278). Hier wären Verweise auf die entsprechenden Seiten ausreichend gewesen.

In Bezug auf Abkürzungen fällt z.T. eine gewisse Uneinheitlichkeit auf. Z.B. wird auf den Seite 142 „Business to Consumer“, „Business to Business“ und „Europäischer Gerichtshof“ geschrieben, obwohl auf den Seiten 139 bzw. 141 noch von „B2B“ und „EuGH“ die Rede war.

Der Inhalt wird knapp in einer Inhaltsübersicht und detaillierter im Inhaltsverzeichnis wiedergegeben. Es sind ein Abkürzungsverzeichnis und ein allgemeines Literaturverzeichnis vorhanden. Vor jedem Kapitel wird die spezifische Literatur dargestellt. Das Werk schließt mit einem Stichwortverzeichnis. Ein Rechtsprechungsverzeichnis sucht der Leser vergebens. Auch die Normen aus dem Gesetzestext, auf welche Bezug genommen wird, sind nicht enthalten (Ausnahme: S. 254: § 648a Abs. 4 BGB), sodass sich der Leser den Text z.B. im Internet anschauen müsste.

Mit Hilfe des Fettdrucks wird auf besonders wichtige Informationen hingewiesen. Die umfangreichen Quellen (z.B. Gerichtsentscheidungen und Literatur) befinden sich in der Fußzeile. In befinden sich auch weitergehende Erläuterungen (z.B. S. 179: salvatorische Klausel). Insgesamt existieren 1873 Fußnoten. Die Kopfzeile gibt an, in welchem Kapitel und Unterpunkt sich der Leser momentan aufhält. Randnummern gibt es jedoch nicht. Wenn innerhalb des Werkes verwiesen wird, was eher selten der Fall ist, wird auf Seiten verweisen (z.B. S. 285: zum Cloud Computing). Auf Seite 317 wird nach oben verwiesen, ohne die konkrete Stelle anzugeben. Der Leser müsste dann selbst blättern oder das Inhaltsverzeichnis bemühen, was umständlich ist.

Fazit: In unserem täglichen Leben nimmt die Bedeutung des Digitalen immer mehr zu. Daher verwundert es auch nicht, dass sich dies auch im Rechtlichen widerspiegelt. Insgesamt kann das Werk zu dieser Thematik noch empfohlen werden. Allerdings haben die Autoren durchaus noch Potential nach oben und mit ein paar Eingriffen kann das Werk noch leserfreundlicher und besser gestaltet werden. Dazu zählt, dass besonders wichtige Empfehlungen für die Praxis zusätzlich gekennzeichnet werden sollten. Auch eine kurze Zusammenfassung am Ende eines Kapitels wäre hilfreich, damit sich der Leser das Geschriebene besser einprägen kann.


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