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Rezension: Das neue Betreuungsrecht

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Joecker, Das neue Betreuungsrecht, 2. Auflage, Reguvis 2022

Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl

Das zum 1.1.2023 geltende neue Vormundschafts- und Betreuungsrecht wird nicht nur für viel Arbeit in den Behörden und bei den Gerichten sorgen, sondern auch für eine Welle von neuen Büchern, Kommentaren und Arbeitshilfen. Dies ist nicht nur angesichts der neuen Normen erforderlich, sondern auch um den Paradigmenwechsel im Betreuungsrecht abzubilden, der dann sukzessive in der Praxis ankommen muss.

Ungeachtet der vielen inhaltlichen Detailfragen ist es bei einem solch großen Umbruch immer wichtig, die Grundlagen der gesetzlichen Arbeit mit in die Überlegungen einzubeziehen. Dies ermöglicht das vorliegende Werk und das erstaunlicherweise schon in der zweiten Auflage. Erstaunlich deshalb, weil das Buch weder vorgibt, das neue Betreuungsrecht inhaltlich umfassend maßgebend zu erläutern, und es auch tatsächlich gar nicht tut. Stattdessen wird eine erfreulich lange Einführung in das neue Recht angeboten, um danach das neue Recht, vor allem das BGB, aber auch das BtOG, das VBVG, ZPO und FamFG bezüglich der neuen Inhalte abzubilden, ergänzt um die Ausführungen der Gesetzesbegründung. Auf diese Weise hat man als Rechtsanwender nicht das Problem, mit Synopsen, PDF-Dokumenten und anderen Materialien hin- und herzujonglieren, sondern man kann sich sukzessive die neuen Normen ansehen und punktgenau die zugehörigen Motive und Erläuterungen des Gesetzgebers zur Kenntnis nehmen. Auf den ersten Blick ist das natürlich ein simples Konzept, aber genau das benötigt man in der Umbruchphase eines Rechtsgebiets: schnellen Zugriff auf die neue Norm und die zugehörigen Informationen, warum die Norm nun so ausgestaltet ist. Denn wenn es später einmal Auslegungsfragen geben wird, so wird man nie umhinkommen, den Willen des Gesetzgebers zu erforschen. Und den findet man dann zielgerichtet genau bei der Norm, um die es geht und nicht nach mühsamer Suche in den Online-Dokumenten des Deutschen Bundestags. Ergänzt werden die zu den Normen sortierten Materialien zum Teil mit Anmerkungen des Autors.

In der Einleitung wird knapp, aber übersichtlich für die am Verfahren Beteiligten getrennt dargestellt, welche markanten Änderungen im neuen Recht zu erwarten sind, also bspw. für die Betreuungsbehörden, die Gerichte, die Betreuer und Betreuungsvereine.

Vorwerfen kann man dem Werk allenfalls, dass es auch in der Einführung meist nur abbildet und für einzelne Aspekte kein Problembewusstsein schafft, obwohl dies gewissermaßen auf der Hand läge. Dies gilt z.B. für die Änderungen bei Prozessfähigkeit und Zustellungsfragen (S. 23), wo sich manipulative Tendenzen, etwa von Vermietern, durchaus leicht hinzudenken lassen, denen es dann zu begegnen gilt (vgl. Kersting, BtPrax 2022, 115 ff.). Gleiches gilt für die neue Möglichkeit der temporären Suspendierung der Vorsorgevollmacht: auch hier hätte man gerade aus amtsrichterlicher Perspektive das eine oder andere Wort verlieren können (dazu vgl. Böhm, FamRZ 2022, 1253 ff.), gerade weil es sich um die zweite Auflage handelt und nicht mehr um ein aus wenigen vorhandenen Materialen zu erstellendes Erstwerk zum neuen Recht.

Das Buch ergänzt die neuen Lehrbücher und Kommentare zum Betreuungsrecht und eignet sich hervorragend für den Erstzugriff auf das neue Recht: was wird eigentlich geregelt und warum wurde das getan? Ausgehend von diesem Wissensgewinn kann man sich dann mit den inhaltlichen Erläuterungen weiterführender Werke befassen.


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