Kieß, Betreuungs- und Unterbringungsrecht, 7. Auflage, Nomos 2022
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Das Handbuch zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, begründet von VRLG Pardey, von VRLG Kieß seit der 5. Auflage bearbeitet, erscheint in schöner und steter Regelmäßigkeit. Schon frühere Auflagen waren Besprechungsgegenstand im Blog und die Einstufung als pragmatisches und anwendungsorientiertes Werk berechtigt das Erscheinen in der Reihe NomosPraxis. Der weiterhin schlanke Umfang muss diesmal die große Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts stemmen, die allen Rechtsanwendern zum 1.1.2023 bevorsteht und in einigen Bereichen schon ihre Schatten vorauswirft.
Die Gestaltung des Werks ist zwar einseitig textlastig, dennoch aber von der Aufmachung her gut lesbar. Aufzählungen, Formulierungsvorschläge, echte Fußnoten, Fettdruck und Beispiele machen die Lektüre abwechslungsreich. Ergänzt werden die Ausführungen durch viele Muster als Anhang I, durch Fallverläufe als Anhang II sowie eine Synopse zum neuen Betreuungsrecht als Anhang III. Besonders erfreulich ist, dass in diesem Anhang die Fundstelle im Buch angegeben wird, an welcher die Norm erläutert wird. Das ist ein großartiger Service.
Das Buch richtet sich an alle Beteiligten des Betreuungsverfahrens und bietet somit auch sinnvolle Einblicke in Überlegungen und Entscheidungen vor den gerichtlichen Beschlüssen. Wie auch in anderen Rechtsgebieten sieht auch im Betreuungsrecht der Richter meist nur die Spitze des Eisbergs und eine große Anzahl von Konflikten werden schon im Vorfeld von Betreuungsbehörden und Betreuern abmoderiert. Deren Perspektiven näher zu beleuchten, ebenso die Arbeit der Rechtspfleger, ist ein positiver Aspekt des Handbuchs. Dies führt dann zu interessanten Erläuterungen zu Hilfsangeboten für und gegen Betreuer, zu Fragen der nötigen Versicherungen oder zum Umgang mit der Sterbehilfe. Solche Themen kommen im Gerichtsalltag kaum vor, prägen die Rechtsmaterie aber ebenso.
Gut 80% des Buchumfangs sind den Erläuterungen vorbehalten, der Rest den Anhängen und Verzeichnissen. Die ersten Kapitel thematisieren ganz klassisch die Einführung und die Grundlagen des Rechtsgebiets. Sodann folgen die Alternativen zum Betreuungsverfahren, die Beteiligten und die Einleitung des Verfahrens. Das typische Verfahren mit gerichtlichen Ermittlungen, Betreuerauswahl und Betreuungsanordnung wird zunächst behandelt, bevor es dann in eigenen Kapiteln an Spezialfragen geht: Einwilligungsvorbehalt und einstweilige Anordnungen. Im Anschluss geht es um die praktische Arbeit der Betreuer inklusive Rechtsbeziehungen der Beteiligten zueinander, die Zusammenarbeit mit dem Gericht, einzelne Aufgabenbereiche sowie die Unterbringung und sonstige Zwangsmaßnahmen, zu denen der Betreuer Genehmigungen einholen muss. Weitere Abschnitte widmen sich der Sterilisation, dem Datenschutz, der Vergütung des Betreuers sowie möglichen Haftungsfragen. Den Schlusspunkt setzt passend das Kapitel zum Abschluss der Betreuung.
Die Rezeption der Betreuungsrechtsreform wird mit dem gebotenen Maß an professioneller Distanz vorgenommen, indem die Ziele der Reform ebenso benannt werden wie die Frage, wie die angestrebte verstärkte Beteiligung des Betroffenen besser bewerkstelligt werden kann. Zugleich wird auch kritisch angemerkt, wenn trotz der groß angelegten Reform schon bestehende Streitfragen nicht gelöst wurden (S. 160 zu freiheitsentziehenden Maßnahmen im privaten Wohnbereich). Auch andere ungünstige Regelungen werden kritisch analysiert (Zwangsmedikation, S. 172). Die Regelung der Haftungsfragen (S. 194 ff.) wurde ebenfalls treffend zusammengefasst und mit den neuen Normen erläutert.
Das Handbuch liest sich gut und flott, es ist informativ, kritisch und bietet mehr als einen Überblick. Es ist kein klassisch-opulentes juristisches Handbuch, sondern eher ein effektives Praxisbuch für die Hand. Gerade für Neueinsteiger im Betreuungswesen ist die Lektüre Gewinn bringend und empfehlenswert.