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Rezension: Handbuch Energiehandel

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Schwintowski / Scholz / Schuler, Handbuch Energiehandel, 5. Auflage, ESV 2021

Von Syndikusrechtsanwalt Peer Hennig, Leipzig

In seiner 5. Auflage erfährt das Handbuch Energiehandel eine erhebliche Erweiterung. Über einhundert Seiten wächst es an, um unter anderem den außergewöhnlichen aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie hinreichend Rechnung zu tragen. Darüber hinaus wurden die Ausführungen zum europäischen Energiehandelsrecht und den Standard-Handelsverträgen unter Eindruck der insolvenzrechtlichen Neuerungen aktualisiert und erfreulicher Weise wieder ein 4. Teil zum aufsichtsrechtlichen Rahmen des Energiehandels aufgenommenen.

Gewohnt übersichtlich und optisch ansprechende kommt das Werk daher. Das Inhaltsverzeichnis wurde um einige Gliederungsebenen eingekürzt. Damit gewinnt es freilich an Übersichtlichkeit; verliert allerdings an Detailschärfe. Ein Kompromiss, den man eingehen kann, und der letztlich durch Übersichten vor den jeweiligen Abschnitten der Hauptteile aufgefangen wird. Optisch bleibt die Textgestaltung ansprechend. Mit Hervorhebungen wird angemessen gearbeitet. Illustriert wird das Werk mithilfe von zahlreichen Übersichten, Tabellen und Schaubildern.

Das Handbuch Energiehandel gliedert sich in vier Teile: 1. den OTC-Handel, 2. den Handel an der EEX als führender europäischer Energiebörse, 3. dem Risikomanagement jeweils unterteilt in die zwei Abschnitte Praxisbeschreibung und rechtliche Bewältigung und schließlich den wieder gewonnenen 4. Teil aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen. Es folgen zwei überaus unterhaltsame Beispiele zum Arbeitsalltag im Risikomanagement. Geschlossen wird das Werk mit einem umfangreichen Glossar und hilfreichem Stichwortverzeichnis.

Gefällig ist der wundervoll plastische Zugang zum Werk selbst über den Anhang der beiden beispielhaften Arbeitstage eines Händlers und Kreditrisikoanalysten. Nicht nur ist der aktuelle Bezug zur gegenwärtig grassierenden Corona-Pandemie gegeben und ihren Unwägbarkeiten für das Risikomanagement damit eindrücklich Rechnung getragen. Diese Risiken zu prognostizieren und zu modellieren kommt hin und wieder dem Blick in die Glaskugel gleich; insbesondere bei „Schwarzen Schwänen“. Dementsprechend ansprechend ist es, den Überlegungen zur Erfassung und Lösung der Pandemierisiken zu folgen. Darüber hinaus lässt sich mit den beiden Alltagsgeschichten und den gelungenen Verweisen in das fachliche Hauptwerk wunderbar Zugang zu den vielen relevanten Sachthemen finden. Nicht oft arbeitet man mit einem Handbuch, das von „hinten“ genauso gut einleitet, wie von „vorne“.

Besonderes interessiert den Autor freilich der 2. Teil zum Handel an der EEX. Die Gesamtdarstellung ist lobenswert. Wenngleich auf bestimmte Neuerungen in 2021 zumindest hingewiesen hätte werden können. So erfolgte der Zusammenschluss der deutschen Gashandelsgebiete GCG und NCG zum Trading Hub Europe (THE) im Sommer 2021; im Frühjahr wurden die System Clearing Mitglieder in Instituts Clearing Mitglieder umbenannt. Konkret die Ausführungen zu Mistrades sind anschaulich und eingängig. Insgesamt orientiert sich die Darstellung der rechtlichen Gegebenheiten stark an den bestehenden Regelwerken von EEX (Handelsordnung, Börsenordnung) und ECC (Clearingbedingungen). Hauptsächlich wird hierbei beschrieben. Dogmatischer Streit findet sich an ausgewählten Stellen, wie bei der Rechtsnatur der Variation Margin oder der Qualifikation von Schutzgesetzen im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB. Vermutlich rührt dies aus dem Anspruch als Praxishandbuch, das dem Praktiker in seinem täglichen Arbeitsumfeld beim besseren Verständnis hilft und nicht fundamentale Rechtsfragen erschöpfend behandeln will.

Erheblich gewonnen hat das Handbuch Energiehandel durch den wieder eingeführten Vierten Teil „Aufsichtsrechtliche Rahmenbedingungen“, bearbeitet von Christian Köhler. In diesem werden die Erlaubnispflicht diverser Handelstätigkeiten im Energiebereich, die gesetzgeberische Sicherung der Marktintegrität über MAR und REMIT sowie die Anforderungen von EMIR an das OTC-Derivateclearing beschrieben. Es handelt sich um eine kompakte Einführung in die jeweiligen europarechtlichen Rechtsakte mit konkretem Problemschwerpunkt auf energiehandelsrechtliche Fragen. Hinsichtlich der Clearingschwelle für die Nichtfinanziellen Gegenparteien hätte sich ein (Fußnoten-)Verweis über Art. 10 EMIR auf die Rechtsgrundlage Art. 11 der Verordnung (EU) Nr. 149/2013 zur einfacheren Nachverfolgung angeboten. In Bezug auf die Positionslimite werden die aktuellen Entwicklungen mit dem „MiFID II quick fix“ prägnant dargelegt. Dies geschieht unter anderem über tabellarische Darstellung der durch Allgemeinverfügung der BaFin etablierten Positionslimite in Stromderivaten anschaulich.

Mit seinem Anspruch für Praktiker nützliche Arbeitshilfe zu sein, zeigt sich das Handbuch Energierecht in der 5. Auflage als gehaltvolle Hilfe. Konkret die fachfremden Bereiche sind für den Praktiker unglaublich lesenswert und informativ. Eine klare Empfehlung für alle in den Energiehandel involvierten oder an ihm interessierten Leser.


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