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Rezension: AR – Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht

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Dornbusch / Fischermeier / Löwisch, AR – Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht, 10. Auflage, Luchterhand 2021

Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen

Kommentare zum gesamten Arbeitsrecht gibt es nicht allzu viele, obgleich sie in der täglichen Arbeit des arbeitsrechtlichen Praktikers eine kaum zu unterschätzende Bedeutung haben und schlechterdings nicht hinwegzudenken sind. Neben dem allseits geschätzten Erfurter Kommentar, dem von Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath herausgegebenen Handkommentar sowie – seiner Aktualität wegen – dem BeckOK Arbeitsrecht greife ich besonders gerne auch auf das hier zu besprechende Werk „AR – Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht“ aus dem Luchterhand Verlag zurück.

Im Vergleich zur Vorauflage ist vor allem zu berichten, dass für den in den Ruhestand eingetretenen Ernst Fischermeiernun Markus Krumbiegel in den Herausgeberkreis eingetreten ist, sodass das Werk fortan von Dornbusch, Krumbiegel und Löwischverantwortet wird. Krumbiegel hat zudem die Kommentierung der wichtigen §§ 620 bis 626 BGB sowie von §§ 15, 16 KSchG übernommen. Auch darüber hinaus sind im Autorenkreis einige Änderungen zu verzeichnen, was indes weder der Qualität schadet noch die Zusammensetzung der Autorenschaft – weithin Professoren, Richter und Rechtsanwälte – grundlegend ändert. Inhaltlich waren vielfache Neuerungen einzuarbeiten. Neben Rechtsprechung und Literatur sei vor allem auf das Betriebsrätemodernisierungsgesetz sowie die Novellierung des BPersVG hingewiesen, dessen Kommentierung allerdings erst online nachträglich zur Verfügung gestellt werden soll (S. V – einen Link konnte ich leider nicht finden). Zudem wurde das EntGTranspG erstmals von Häferer/Köhlerkommentiert. Etwas misslich ist indes, dass der im November 2021 erschienene Kommentar weithin auf dem Stand von März 2021 ist, während die gesamte (und damit auch die arbeitsrechtliche) Welt sich schon wieder acht Monate weitergedreht hat. Dieser zeitliche Versatz dürfte noch zu optimieren sein.

Gut gefällt mir die Darstellung zum Rechtsverhältnis der Dienstordnungs-Angestellten, die Krumbiegel bei § 626 einbettet (dort Rn. 34). Dies ist insofern zweckmäßig, da die Beendigung des Dienstordnungs-Anstellungsverhältnisses ein den § 626 BGB betreffendes Rechtsproblem ist. So steht dem Arbeitgeber in einem solchen Rechtsverhältnis neben der Entlassung auch das Mittel der außerordentlichen Kündigung zur Verfügung. Gleichwohl wäre es schön, wenn auch bei § 611a BGB Ausführungen zum Dienstordnungs-Anstellungsverhältnis zu finden wären, da es sich vom Vertragstyp her um nichts anderes als ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis handelt, dessen Inhalt – und nur darin liegt die Besonderheit – die Anwendung beamtenrechtlicher Vorschriften bestimmt. Krumbiegel weist zu Recht daraufhin, dass es in der gesetzlichen Krankenversicherung wohl nur noch um „Altfälle“ geht. Seine Ausführungen wären allerdings dahingehend zu ergänzen, dass auch im Bereich der Berufsgenossenschaften und der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau das Dienstordnungs-System zum 31.12.2022 geschlossen wird. Neue Dienstordnungs-Anstellungsverhältnisse dürfen dort dann nicht mehr begründet werden (§ 144 Abs. 2 SGB VII nF, § 5 Abs. 4 LSVG nF). Damit nimmt die Relevanz zwar insgesamt und zunehmend ab, Rechtsprobleme hierzu bleiben bei Sozialversicherungsträgern aber an der Tagesordnung.

Das BEEG ist leider nur in Teilen kommentiert. Dabei dürften, insbesondere in der betrieblichen Praxis, die Vorschriften über das Elterngeld ein ziemliches Gewicht haben. Elterngeld und Elternzeit sind zwar rechtlich verschieden voneinander zu behandeln. Allerdings wird Elternzeit (und hier auch die zunehmend wichtiger werdende Gestaltungsmöglichkeit der „Teilzeit in Elternzeit“) ganz regelmäßig nach den Möglichkeiten des Elterngeldes ausgerichtet, sodass Personalabteilungen hier ob der Elterngeldansprüche „im Bilde“ sein sollten. Neben Elternzeit- und Teilzeitbegehren ergeben sich oftmals auch Probleme betreffend sich über die Zeit aufsummierender Urlaubsansprüche. Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, so bestimmt § 17 Abs. 2 BEEG, dass der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren hat. Klosehält hierzu richtigerweise fest, dass hiervon nur derjenige Urlaub erfasst werden soll, der gerade wegen der Elternzeit nicht in Anspruch genommen werden konnte (§ 17 Rn. 7). Allerdings wären hier Ausführungen zum Übertragungszeitraum wünschenswert gewesen. So wird etwa die Frage, was bei Antritt einer mehrmonatigen Elternzeit im März mit übertragenem Urlaub aus dem Vorjahr geschieht, von der Kommentierung leider nicht beantwortet (s. zum Problem Rancke/Rancke, 5. Aufl. 2018, § 17 BEEG Rn. 16 sowie Brose/Weth/Volk/Schneider, 9. Aufl. 2020, § 17 BEEG Rn. 29).

Die zuletzt auch in die mediale Öffentlichkeit gelangte Vorschrift des § 45 SGB V gibt Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen auch dann einen Anspruch auf Krankengeld, wenn nicht sie selbst, sondern eines ihrer Kinder erkrankt ist. Die durch Art. 8 des GWB-Digitalisierungsgesetzes v. 18.1.2021 vorgenommene Ausweitung des Kinderkrankengeldes ist allerdings weder im Normtext noch in der Kommentierung aufzufinden, ebenso wenig wie die abermalige Ausweitung durch Art. 3 des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite v. 22.4.2021 (letzteres ist allerdings aufgrund des Rechtsstandes März 2021 nachvollziehbar). Stattdessen enthält der Normtext noch die bereits am 1.1.2021 außer Kraft getretene Ausweitungsregelung für das Jahr 2020, wobei sich Lauterbach, der die Vorschrift ansonsten prägnant kommentiert, auch hierzu in der Kommentierung ausschweigt. Mag die Neuerung zwar nicht „bahnbrechend“ sein, so ist sie doch für die betriebliche Praxis überaus wichtig, da sie den Freistellungsanspruch nach § 45 Abs. 3 SGB V erheblich ausweitet.

Der „AR – Kommentar zum gesamten Arbeitsrecht“ überzeugt mich – wie bereits zur 8. Auflage berichtet (vgl. Rezension hier im Blog) – auch in der aktuellen Auflage durch seine Fokussierung auf das Wesentliche. Dabei schwankt der Umfang der Kommentierungen je nach Bedeutung der Norm erheblich. Dies dient maßgeblich der Schwerpunktsetzung und führt so dazu, dass das Werk dem Leser einen möglichst hohen Nutzen bietet. Dank der Bündelung der arbeitsrechtlichen Normen aus über 50 verschiedenen Gesetzen und europäischen Rechtsakten dient das Werk dem Praktiker als tägliches „Hilfsmittel für alle Fälle“, das einen schnellen Zugang zu prägnanten und weithin an der Rechtsprechung orientierten Kommentierungen eröffnet. Einzig die Aktualität lässt vereinzelt etwas zu wünschen übrig, was angesichts der Qualität der Kommentierungen und des Werkumfangs aber noch zu verschmerzen ist, wenngleich hierauf in den folgenden Auflagen ein größeres Augenmerkt gelegt werden sollte. Haptik, Aufmachung und Schriftbild entsprechen dem Üblichen. Der Verkaufspreis des Werks, knapp unter 200 Euro, sollte gleichwohl ein Lesebändchen zulassen, was das Wiederauffinden von Textstellen erleichtern würde. Insgesamt ist die 10. Auflage des Standardwerks von Dornbusch/Krumbiegel/Löwisch dem arbeitsrechtlichen Praktiker zu empfehlen.


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