Prütting / Wegen / Weinreich, BGB, 16. Auflage, Luchterhand 2021
Von RAG Dr. Benjamin Krenberger, Landstuhl
Das „Bundle“ aus BGB-Kommentar und ZPO Kommentar erscheint seit Jahren regelmäßig im Frühjahr und sorgt so für jährlich aktuelle Informationen für die Rechtsanwender. Der BGB-Kommentar erreicht bald die Marke von 4000 Seiten inklusive Verzeichnissen und kommt dementsprechend als echtes Schwergewicht daher. Zum Problem der Dünndruckseiten komme ich noch unten. Enthalten sind Kommentierungen zum BGB sowie zu wichtigen Nebengesetzen, etwa dem EGBGB, dem LPartG, dem ProdHaftG, dem VersAusglG etc.
Der genannte Umfang sorgt leider für ein technisches Problem. Die verwendeten Dünndruckseiten sind so durchscheinend, dass eine angenehme Lektüre bei durchscheinendem Text der Vorseiten nicht mehr möglich ist. Das ist hochgradig unkomfortabel und bspw. beim Grüneberg, ehem. Palandt, nicht so. Hinzu kommt, dass das Layout unruhig ist und stellenweise verschiedene Abstände in den Absätzen verwendet worden zu sein scheinen. Auch das mag auf den durchscheinenden Text zurückzuführen sein, ist aber ebenfalls ungünstig.
Nun zum Inhalt: ich habe den Kommentar in zahlreichen erstinstanzlichen Fällen stichprobenartig eingesetzt und bin mit den Ergebnissen nicht durchweg zufrieden.
In einem Fall ging es bspw. um die (gern erhobene, aber unzutreffende) Behauptung, die Rechtsprechung des BGH zum fiktiven Schadensersatz im Werkvertragsrecht (ausführlich dargestellt bei § 634 BGB Rn. 20, Leupertz/Halfmeier) sei auch auf das Mietrecht anzuwenden. Während andere Kommentare selbstverständlich bei § 538 BGB wenigstens kurze Ausführungen dazu machen, findet sich hier in den Kommentierungen von Rieckenichts dazu (übrigens auch in §§ 280, 281 BGB nicht, kommentiert von Kramme, wo z.B. in § 280 BGB Rn. 80 die verschiedenen Vertragstypen kursorisch vorgestellt werden, ohne auf das genannte Problem einzugehen). Und das obwohl die sonstigen mietrechtlichen Ausführungen von Riecke, etwa zu den Klauseln, zur Nebenkostenabrechnung oder zu den Formalia der Kündigung ganz ausgezeichnet, präzise und aktuell sind.
In einem anderen Fall ging es um die Frage der Verjährung von Mängelgewährleistungsansprüchen beim Kauf einer gebrauchten Sache. Hier hätte ich mir im Rahmen von § 438 BGB (dort Rn. 18, 19), kommentiert von Wagner, natürlich wie in anderen Kommentaren auch wenigstens einen oder zwei Sätze zur Abgrenzung zu deliktischen Ansprüchen und einer eventuellen Übertragbarkeit der kurzen Frist gewünscht, hilfsweise einen Binnenverweis auf die allgemeinen Vorschriften (wie z.B. zu sehen in § 548 BGB, Rn. 4). Aber: Fehlanzeige.
Ein weiterer Fall drehte sich um die Frage, ob und wie Betriebskosten eines dinglichen Wohnungsrechtsinhabers abzurechnen sind. In der Kommentierung zu § 1093 BGB (Ahrens) wird zwar unter Rn. 5 ff. der Gebäudeunterhalt und die Zahlungspflicht des Berechtigten angesprochen. Jedoch fehlt jeder Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (NZM 2018, 675; WuM 2009, 672) zur analogen Anwendung von § 556 Abs. 3 BGB auf diese Abrechnungen.
Der nächste Fall betraf den Klassiker des Zustandekommens eines anwaltlichen Beratungsvertrags. Die hierzu vorhandene Kommentierung (§ 675 BGB, Rn. 9 ff., Fehrenbacher) verweist leider gerade für die Frage des Zustandekommens auf die allgemeinen Regeln und führt nicht zu den anderenorts (z.B. BeckOGK/Teichmann BGB § 675 Rn. 913) wie selbstverständlich dargestellten Fragen zur Darlegungs- und Beweislast aus. Es sind in der Kommentierung zu § 675 BGB zwar viele gute Passagen gerade zur Haftung des Anwalts (oder anderer Berater) vorhanden, ebenso später zu Bank- und Treuhandverträgen, aber ich erwarte von einem Kommentar, der sich schon im Vorwort damit schmückt, einen festen Platz in der Praxis zu haben, auch an den wichtigen Stellen eine Verzahnung mit der prozessualen Praxis und nicht nur einen Verweis auf allgemeine Regeln.
Gut gefallen hat mir die Kommentierung zu § 25 BGB (Schöpflin). Dort wird in gebotener Kürze, aber angemessenem Umfang auf verschiedene gerichtlich überprüfbare Vorgänge innerhalb eines Vereins abgestellt und so ein Grundgerüst für eine zivilprozessuale Prüfung geschaffen. Gerade die Abgrenzung zwischen Bestrafung und ausschließenden Maßnahmen, die dann eben doch teilweise nach den gleichen Mechanismen zu prüfen sind, der mögliche Vorrang vereinsinterner Spruchgewalt und auch die Möglichkeit des Anrufens von Schiedsgerichten wird auf engem Raum abgehandelt. Was ich mir noch ergänzend gewünscht hätte, wäre ein letzter Absatz zu möglichen Streitwerten oder wenigstens der Verweis auf die Kommentierung im Prütting/Gehrlein in § 3 ZPO (dort Rn. 231).
Das zum 1.1.2022 geltende neue Schuldrecht wurde (nur) teilweise abgedruckt, z.B. §§ 327 ff. BGB, und teilweise nicht einmal eigens kommentiert, sondern wie bei § 327 BGB nur in wenigen Randnummern einleitend vorgestellt. Das ist angesichts der langen Vorlaufzeit dieser Regelungen vielleicht ein bisschen dünn für einen Kommentar dieses Formats. Wie es besser geht, zeigt (wieder einmal) die Kommentierung von Leupertz/Halfmeier zum neuen § 650 BGB (S. 1418 ff.).
Im Rahmen der Kommentierung zu § 1628 BGB (Ziegler) hätte ich mir anstelle einer Auflistung verschiedener Entscheidungen noch ein wenig mehr Grundlagenkommentierung gewünscht, um eine Argumentation aufbauen oder verwerfen zu können. Das Corona-Thema wird zwar im Hinblick auf eine Auslandsreise als Stichwort benannt, nicht aber auf das wesentlich virulentere Thema Impfung, die unter den Eltern streitig ist. Das Gleiche übrigens bei § 1666 BGB Rn. 5-6: kein Wort zu Corona. Könnte man bei einem Werk, dass mitten in einer Pandemie erscheint, vielleicht doch erwarten.
Zum Stichwort Aktualität: Der Kommentar hat laut Vorwort den Stand März 2021. Die fundamentalen Änderungen zum Vormundschafts- und Betreuungsrecht wurden zwar erst im März 2021 verabschiedet, aber die Entwürfe waren seit Juni 2020 bekannt und in der Diskussion. Dazu nur wenige Zeilen in den Vorbemerkungen zu §§ 1773 ff. BGB zu finden (Rn. 1, Bauer), ist auch ein wenig mager.
Was bleibt als Fazit? Der Kommentar an sich ist gut, von der Rechtsprechung her aktuell und in den Grundlagen belastbar. Wenn ich ihn – wie gesehen – zu verschiedenen Konstellationen einem Stresstest in der Praxis unterziehe, zeigen sich jedoch Defizite im Detail, sodass ich immer weitere Quellen heranziehen muss. Das jährliche Neuerscheinen sollte eigentlich für eine potentielle Vergleichbarkeit zu Online-Kommentaren führen, aber wie man sieht, hat das gedruckte Buch doch Nachteile, was Lesequalität, Umfang und Aktualität angeht. Ich nutze das Werk trotzdem gerne und weiterhin, jedoch mit den oben genannten Vorbehalten im Hinterkopf.