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Rezension: Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts

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Wabnitz / Janovsky / Schmitt, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 5. Auflage, C.H. Beck 2020

Von RAG Dr. Alexander Schäfer, Kaiserslautern

Ein umfassendes Handbuch, in dem man vom Einstieg in ein Rechtsgebiet bis zu Einzelfragen in dessen Unterverästelungen nachschlagen kann. Etwas, in dem man Antworten findet und nicht nur Hinweise. Ein aktuelles Nachschlagewerk, in dem seit vielen Jahren ausgewiesene Praktiker und Kenner aufbereiten, was der Anwender wissen muss. Das wird man von dem Wabnitz/Janovsky/Schmittin der Neuauflage von 2020 sagen können. Seit der letzten Auflage von 2014 ausgeschiedene Autoren wurden durch neue ersetzt, v.a. aus der Anwaltschaft, die gerade aktuelle Entwicklungen wie Wertpapierhandel oder Produkt- und Markenpiraterie bearbeiten. Aber auch das Kapitel „Verteidigung in Wirtschaftsstrafsachen“ wurde neu geschrieben.

Zunächst kann man zum Optischen sagen, dass der weinrote Hardcoverband mit seinen gut 2300 Seiten sich auch in einem gut sortierten Regal zu behaupten weiß und mit der notwendigen Schwere in der Hand oder auf dem Schreibtisch liegt, währen man sich in seine Kapitel vertieft. Man hat sich bemüht, den Seitenumfang nicht überhand werden zu lassen. Die Schriftgröße ist eher klein, aber aufgrund der dezenten Serifen, wie man sie auch sonst bei Beck-Publikationen kennt, dennoch gut lesbar. Der Text wird gut gegliedert. Die regelmäßig zahlreichen Fundstellen finden sich in einem Fußnotenapparat am unteren Seitenrand, so dass ein steter Lesefluss möglich ist, um die Zusammenhänge zu erfassen.

Die Stärke des Handbuches ist es jedoch sicher, dass es das tut, was man sich von einem Handbuch wünscht. Man findet sich schnell zurecht. Es bietet schnelle Orientierung auch in den Gebieten, in denen einem die Routine noch fehlt. Und, was nicht zu unterschätzen ist: es bietet auch Autorität, die einem Zitat auch einmal das nötige Gewicht verleihen kann. Anders als andere Zusammenstellungen des Themengebietes umfasst das Handbuch sowohl das Wirtschafts- als auch das Steuerstrafrecht in einem Band. Das ist nicht zuletzt deshalb sinnvoll, weil häufig eine Wirtschaftsstraftat auch steuerliche Implikationen hat oder weil der Zugriff auf einen wirtschaftsstrafrechtlich relevanten Unrechtskomplex zuallererst durch steuerliche Auffälligkeiten möglich wird.

Der Inhalt ist klar gegliedert. Ein Allgemeiner Teil stellt die Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts in Deutschland dar und bettet sie – zunehmend wichtiger – in ihren europarechtlichen (2. Kapitel) und internationalen Kontext ein. Wenn Wirtschaft immer globaler agiert, reagiert darauf – früher oder später – auch der Ordnungsrahmen, dessen feste Streben das Wirtschaftsstrafrecht bilden. Dieser Abschnitt wird von den Hochschullehrern Dannecker und Bültebestritten sowie von Möhrenschlagervom Bundesministerium der Justiz, über das ein Gutteil der bei internationalen Bezügen erforderlichen Rechtshilfe läuft.

Der zweite Teil ist dem Wirtschaftsstrafrecht gewidmet. Aber – und das gilt auch für den dritten Teil des Handbuches – besonders lobenswert ist, dass eben nicht nur Rechtsnormen erläutert und nach juristisch-dogmatischen Kategorien geordnet werden. Vielmehr werden die rechtlichen Fragen stets im Kontext der tatsächlichen und kriminalistischen Begebenheiten erläutert und damit erst anschaulich gemacht. Für den Autor dieser Rezension galt es aktuell beispielsweise einer Fragestellung aus dem Bereich des § 266 a StGB nachzugehen, bzw. sich mit diesem Deliktsfeld zu beschäftigen. Ein bloßer Blick in den Kommentar hätte diesbezüglich sicher Fundstellen zur Rechtsprechung oder Normengeschichte erbracht. Ein Blick in das von den Autoren Riediger/Schilling geschriebene Kapitel „Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und unzureichende Arbeitsbedingungen“ lieferte mir aber zusätzlich den Stoff, den beispielsweise eine Anklageschrift erst für den konkreten Fall zu beschreiben versucht. Schon auf der zweiten Seite der Ausführungen war ich zu dem Phänomen von über Scheinrechnungen und faktische Geschäftsführer geführten Schwarzarbeiterbetrieb geleitet worden und konnte dieser Spur folgen und hatte deshalb nicht nur überhaupt einen Eindruck, worauf es ankommen kann, sondern auch davon wie gebräuchlich meine konkrete Fallgestaltung ist.

Der Abschnitt über das Wirtschaftsstrafrecht ist mit 16 Kapiteln und über 1000 Seiten der umfangreichste Teil des Handbuchs, umfasst aber auch alle erdenklichen Bereiche von Geldwäsche über Insolvenzstrafrecht, von Wertpapierhandel über Korruption und Wettbewerbs- und Kartellstrafrecht. Auch das dazugehörige und auch für die Unternehmen selbst relevante Ordnungswidrigkeitenrecht wird stets mitbehandelt. Einen breiten Raum nimmt auch die gesetzliche Regelung des Mindestlohns und die Erscheinungsformen seiner strafbewehrten Aushebelung ein, was beispielhaft zeigt, das Wirtschaftsstrafrecht nicht nur ordnungspolitischen, sondern auch einen sozialpolitischen Gehalt hat.

Der folgende Abschnitt befasst sich mit dem Steuerstrafrecht, in das jeder Wirtschaftsstrafrechtler einen Einblick braucht. Hier kann es sicher bei der Vielzahl denkbarer Möglichkeiten keine Vollständigkeit geben; es wird aber das notwendige Grundgerüst und die Struktur des Steuerrechts, inklusive seiner verwaltungsrechtlichen Einbettung und mit seinen internationalen Bezügen dargestellt, wobei immer im Blick behalten wird, wie die Beteiligten eines Steuerstrafverfahrens davon betroffen sein können. Damit ist gewährleistet, dass die Darstellungen nicht allein der Schönheit willen erfolgen, sondern einen Nutzen für denjenigen haben sollen, der eben mit einem Handbuch arbeitet.

Last but not least befasst sich der letzte Abschnitt des Buches mit der Praxis des Wirtschaftsstrafverfahrens im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung. Es beschreibt Beginn und Durchführung von Ermittlungen und beleuchtet die Perspektive der Strafverfolgung und der Verteidigung und lässt auch die Geschädigten nicht außen vor. Besonderes Augenmerk wird der Verständigung gewidmet, die in Wirtschaftsstrafsachen eine große Bedeutung hat.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Wabnitz/Janovsky/Schmittin greifbare Nähe eines jeden Schreibtischs gehört, auf dem Wirtschafts- und Steuerstrafsachen bearbeitet werden. Es ist sicher, dass er dort nicht staubig wird.


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