Katzenmeier (Hrsg.), Festschrift für Dieter Hart, Medizin - Recht - Wissenschaft, 1. Auflage, Springer 2020
Von Ass. iur. Fabian Bünnemann, LL.M., LL.M., Essen
Eine Festschrift ist stets ein schwieriges Unterfangen, wobei die Widrigkeiten zumeist in zweierlei Hinsicht begründet sind: Zum einen zielt eine Festschrift nicht auf die allgemeine Käuferklientel (dazu auch Krumm zur FS Fischer, hier im Blog). So erwerben wohl nur wenige Privatleute derartige Sammelbände, die regelmäßig einem Jubilar, seltener auch einer Institution, gewidmet sind. Vielmehr zielen derartige Werke auf den Erwerb durch Bibliotheken, Institute und vereinzelte Spezialisten ab. Zum anderen werden Festschriften – im Vergleich zu anderen Publikationsarten – vielfach kritisch beäugt (so ausdrücklich v. Münch, NJW 2000, 3253 [3256]: „mit dem Jahrmarkt persönlicher Eitelkeiten verbunden“). Gleichzeitig ist nicht zu leugnen, dass Festschriften meist ein breites Bündel an thematisch-interessanten Beiträgen aufweisen, die – nicht immer, aber doch sehr häufig – überaus lesenswert sind. Als zitierfähige „Fundgruben“ werden sie gern – vor allem auch bei Spezialthemen – zu Rate gezogen, bieten Festschriften doch den Raum, sich auch abseits der üblichen Fachzeitschriften und Kommentierungen einmal eingehender mit Grundlagen- oder abseitigen Spezial- und Randthemen zu befassen. Vielfach, aber nicht zwingend, ist zudem zu beobachten, dass Festschriften sich nicht auf ein bestimmtes Rechtsgebiet beschränken, sondern – meist orientiert an den favorisierten Rechtsgebieten des Jubilars – darüber hinaus gehen, was den Bogen solcher Werke größer zieht.
Das vorliegende Werk ehrt Dieter Hart zu dessen 80. Geburtstag. Hart, der von 1975 bis zum Eintritt in den Ruhestand an der Universität Bremen als Professor für Zivilrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Wirtschaftsrecht tätig war, treiben seit mehreren Jahrzenten maßgeblich medizin- und gesundheitsrechtliche Fragen an. So war er von 1998-2007 Leiter und geschäftsführender Direktor des Instituts für Informations-, Gesundheits- und Medizinrecht an der Universität Bremen. Dementsprechend finden sich unter den Autoren des vorliegenden Bandes neben zahlreichen Juristen aufgrund der vorhandenen Schnittstellen auch Vertreter aus Medizin und Pharmazie, neben vielen Wissenschaftlern zudem auch etliche Vertreter aus der Praxis. Diese Zusammenstellung macht den Band überaus interessant. Viele der Beiträge befassen sich mit medizin- und haftungsrechtlichen Fragen.
Einige Beiträge habe ich mir vertiefter angesehen. So traf der Beitrag von Katzenmeier und Achterfeld, die einen rechtlichen Überblick über neue, innovative Versorgungsformen liefern (S. 283 ff.), bei mir auf besondere Gegenliebe. Unter dem Titel „Digitaler Gesundheitstreffpunkt, E-Health-Kiosk, Videosprechstunde, Telemedizin – Rechtsfragen neuer Formen assistenzgestützter Gesundheitsversorgung“ nehmen die Verfasser den Leser mit auf eine regelrechte Tour d’Horizon. Dabei legen sie einen besonderen Schwerpunkt auf Haftungsfragen, denen zudem ein besonderer Abschnitt gewidmet ist (S. 307 ff.). Wermutstropfen ist allein das fehlende Fazit, das den Beitrag etwas unvollständig erscheinen lässt.
Mit besonderem Interesse habe ich auch die Ausführungen von Pitschas zur Vergütung von Vorstandsmitgliedern in der GKV (§ 35a Abs. 6a SGB IV, ggf. i.V.m. den jeweils hierauf bezugnehmenden gesetzlichen Regelungen, etwa für K(Z)Ven sowie Landesverbände der Krankenkassen) gelesen (S. 423 ff.), in denen der Verfasser das „Konzept zur Ermittlung einer Vorstandsvergütung, die in einem ‚angemessenen Verhältnis‘ zu den gesetzlichen Bezugskriterien der Bewertung stehen muss“, letztlich als „unfertig“ charakterisiert (S. 441) und zur Lösung das Alternativkonzept einer „Missbrauchsaufsicht“ vorschlägt (ibid.). Aber auch rechtsmethodisch ist der Beitrag überaus lesenswert, etwa dann, wenn Pitschas die vom BSG hergeleitete Verpflichtung der Aufsichtsbehörden zum Erlass rechtskonkretisierender Verwaltungsvorschriften bzgl. der Vergütungsangemessenheit kritisiert (S. 439).
Macht die Auseinandersetzung mit medizin- und gesundheitsrechtliche Fragestellungen auch den größten Teil des Werks aus, so gehen doch immer wieder Beiträge darüber hinaus und widmen sich anderen Fragestellungen. So stellt etwa Joergesunter dem Titel „Eine ‚immer engere Union der Völker Europas‘ trotz sich vertiefender wirtschaftlicher und sozialer Unterschiede?“ einige Überlegungen zur Verfassung Europas an (S. 267 ff.), in der er sich insbesondere mit der Vision der „unitas in pluralitate“ auseinandersetzt, dessen Realisierbarkeit Joerges zwar in Frage stellt, nicht jedoch ohne hinzugeben, dass es für ein derartiges „Umdenken“ (S. 282) jedenfalls gute Argumente gebe (S. 281). Vom Beitrag von Knieps hatte ich hingegen mehr erwartet. In seinen „Impulse[n] für eine innovative Regulierung des Gesundheitswesens – Eckpunkte eines neuen SGB V“ (S. 317 ff.) ersinnt Knieps, dass ein modernisiertes SGB V „den Bruch mit bisherigen Rechtstraditionen schon in den Eingangsbestimmungen deutlich machen“ (S. 331), dass das Leistungsrecht der GKV verständlicher formuliert werden sollte (S. 331) und, dass die „Trennung von Kranken- und Pflegeversicherung zu hinterfragen“sei (S. 332). So sind die Ausführungen wohl auch eher als politischer Beitrag zu sehen und enthalten folglich nur geringen (rechtswissenschaftlichen) Mehrwert.
Die Festschrift dürfte vor allem für solche Leser von Interesse sein, die sich vertieft mit Fragen des Medizin- und Gesundheitsrechts bzw. vor allem auch des SGB V beschäftigen. Insofern bietet das Werk einen breiten Fundus interessanter Beiträge und ist rundum zu empfehlen. Einzig etwas misslich ist, dass die Beiträge lediglich nach Nachnamen ihrer jeweiligen Verfasser sortiert sind. Aufgrund der Spannbreite rechtlicher Themen hätte es dem Band gutgetan, die Beiträge nach Rechtsgebieten zu gruppieren. Dem Erkenntniswert des Werks schadet dies allerdings keinesfalls. Legt man als Maßstab an, dass eine Festschrift den Leser vor allem zum Nachdenken über verschiedene thematische Fragestellungen anregen soll, so erfüllt die vorliegende Festschrift für Dieter Hart diese Anforderung uneingeschränkt.